Mit der Balanced Scorecard den Einkauf zielgerichtet steuern

Der weltweite Einkauf gehört heute zum Tagesgeschäft vieler Unternehmen und unterstützt sie beim Erzielen von Einsparungen. Diese Entwicklung wirkt in zwei Richtungen dynamisch auf das Einkaufsumfeld: Die wachsende Reichweite des Einkaufsmarktes erhöht die Möglichkeiten im Einkauf und der Fortschritt in der Informationstechnologie lässt die verfügbare Datenmenge sprunghaft ansteigen. Unternehmen, die diese Dynamik nutzen, können über den Einkauf einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erzielen. Erschienen ist dieser Beitrag im Controller Magazin Januar/Februar 2017 (externe Website).

Das Erzielen des Wettbewerbsvorteils erfordert zunächst, dass Unternehmen sich nicht mehr mit den herkömmlichen vergleichsweise statischen und meistens vergangenheitsbezogenen Kennzahlen zufrieden geben. Sie müssen einen Weg finden, der Masse von neuen Informationen Herr zu werden und sie so zu nutzen, dass das Unternehmen frühzeitig über neueste Markt- und Produkttendenzen informiert ist.

Um die Unternehmensrealität besser abzubilden, hat sich vor allem in global agierenden Unternehmen funktionsübergreifend die Balanced Scorecard (BSC) als Instrument zum Steuern komplexer Prozesse und zum Erreichen definierter Ziele bewährt. Mit dem Ziel Einkaufscontrolling liegt es nahe, die klassische BSC um eine Dimension zu erweitern und die Schnittstelle zum  „Lieferanten“ zu erweitern, denn so wird eine Basis für das „Number-Crunching“ geschaffen – die professionelle Datenbearbeitung und  auswertung der Einkaufsaktivitäten.

Abb. 1: Perspektiven der E-BSC

Die Balanced Scorecard im Einkauf (E-BSC) hat vor allem folgende Vorzüge:

  • Sie verschafft den Entscheidern mit wenigen Kennzahlen einen Überblick über den aktuellen Leistungsstand im Einkauf.
  • Sie erleichtert es dem Management, Unternehmensziele in messbare Einkaufsziele zu übersetzen.

Bis zu ihrem praktischen Einsatz durchläuft die E-BSC drei grundlegende Entwicklungsschritte:

Abbildung 2: Einführung der Einkaufs-Balanced-Scorecard

Schritt 1: Definition, Perspektiven und Priorisierung, Ziele für E-B-SC

Als Grundlage für die Einführung der E-BSC müssen Sie sich darüber klar sein, welche Unternehmens- und welche daraus abgeleiteten Einkaufsziele Ihr Unternehmen verfolgt. Für den Einkauf sind dies die Ziele, deren Erreichen oder Verfehlen durch eine Auswahl geeigneter KPIs sichtbar gemacht werden soll.

Zunächst müssen Sie klar abgrenzen, welche Betrachtungsweisen für Ihr Unternehmen und insbesondere für den Einkauf relevant sind. Für jede der eingangs erwähnten fünf Perspektiven der E-BSC sollten einige wenige Ziele priorisiert und festgehalten werden. Neben der Frage, was genau Sie mit Hilfe von Kennzahlen messen wollen, bedarf es außerdem einer realistischen Einschätzung dessen, was in Ihrem Unternehmen mach- und messbar ist.

Damit der Einkauf den entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Ihr Unternehmen generieren und damit das Erreichen Ihrer Unternehmensziele unterstützen kann, müssen Sie festhalten, welche Ziele im Einkauf für das Unternehmen am wichtigsten sind. Durch die Fokussierung auf wenige relevante Ziele behalten Sie leichter den Überblick und können Kapazitäten und Ressourcen effizienter einsetzen.

Es ist zwingend notwendig, für jede Perspektive trennscharfe Ziele zu definieren. Das ermöglicht eine eigenständige Messbarkeit und Bewertbarkeit und gibt Ihnen einen besseren Überblick über die Entwicklung der einzelnen Bereiche der E-BSC und damit Ihres Einkaufs. Sie stellen damit weiterhin sicher, dass Sie die Ursachen negativer Entwicklungen ohne aufwendige Suche direkt erfassen und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten können. Um Ihnen den Mechanismus der E-BSC zu verdeutlichen, erläutern wir hier beispielhaft sowohl für zwei, auf den Einkauf bezogene, klassische Perspektiven (Finanzen und Prozesse) als auch für eine musterhafte, speziell für die E-BSC ausgewählte Perspektive (Lieferanten) wie die priorisierten Ziele je vorgestellter Perspektive aussehen könnten:

Abbildung 3: Beispiele für Einkaufsziele aus unterschiedlichen Perspektiven

Schritt 2: Auswahl KPIs pro Einkaufsziel

Nachdem Sie in Schritt 1 die Grundlage für die E-BSC geschaffen haben, wählen Sie im zweiten Schritt die Kennzahlen aus, welche für Ihre Anforderungen am besten geeignet sind. Dabei sollten Sie sich zu folgenden Punkten Gedanken machen:

Die E-BSC hat ihren Namen, weil sie die Balance zwischen den fünf relevanten Dimensionen (im Folgenden beispielhaft Finanzen, Prozesse und Lieferanten). Wählen Sie dementsprechend zur Wahrung der Ausgewogenheit für jede der fünf Perspektiven eine ähnliche Art und Anzahl an Kennzahlen aus.

Führen Sie sich bei der Auswahl einer jeden Kennzahl nicht nur den damit verbundenen Aufwand für die Erhebung und Auswertung der Daten vor Augen, sondern achten Sie auch auf ein ausgewogenes Verhältnis dieses Aufwands zum Nutzen, den Sie daraus ziehen können. So sollte ein Großteil der Kennzahlen automatisiert im alltäglichen Betrieb erhoben werden können, da nur auf diese Weise die Kennzahlen in der für den Erfolg erforderlichen Frequenz erhoben werden können.

Bei der Definition kann Ihnen eine 2x2-Matrix helfen, mit der Sie Ziele gemäß ihrer Umsetzbarkeit und Zielwirksamkeit klassifizieren und priorisieren können. Damit wird offensichtlich, welche Kennzahlen Sie weiterverfolgen – nämlich am ehesten diejenigen mit hoher Zielwirksamkeit und einfacher Umsetzbarkeit:

Abbildung 4: Einordnung aller Indikatoren in die Priorisierungsmatrix

Behalten Sie Ihre Ziele stets im Blick. Dafür sollten Sie nicht nur zurück schauen, sondern auch den Horizont nicht aus den Augen verlieren. Im Idealfall finden Sie für jede Perspektive mindestens eine rückblickende Kennzahl, die die Vergangenheit abbildet, und eine vorausschauende, zukunftsorientierte Kennzahl.

Eine der größten Herausforderungen, welche im Zusammenhang mit Kennzahlensystemen auftreten kann, ist die Fehlinterpretation der erhobenen Daten. Dem können Sie vorbeugen, indem Sie die Zahlen eindeutig definieren. Für alle Beteiligten muss klar ersichtlich sein, was genau die Kennzahl messen soll und warum sie exakt dies auch tut. Schwammige Formulierungen können leicht zu falschen Schlüssen führen.

Noch ein Tipp: Sollten Sie und Ihr Team noch keine oder nur wenig Erfahrung im Umgang mit Kennzahlen und deren Verwendung haben, gehen Sie die Auswahl mit Bedacht an. Beginnen Sie mit einer Handvoll Kennzahlen mit geringer Komplexität und steigern Sie sich mit der Zeit. Für Sie interessante Kennzahlen für die o.g. drei beispielhaften Perspektiven könnten sein:

Abbildung 5: Beispiele zur Definition von KPIs pro Perspektive

Schritt 3: Implementierung

Wenn alles passt, erfolgen im dritten Schritt die technische Implementierung und die Etablierung des Kennzahlensystems.

Um prägnante Kennzahlen ohne einen erheblichen, wiederkehrenden Zeitaufwand berechnen zu können, benötigen Sie Daten in hoher Qualität. Sehen Sie das Ausarbeiten der E-BSC als Kür des Einkaufscontrollings und das Bereitstellen einer konsistenten und vor allem korrekten Datenbasis als Pflicht, die keinesfalls vernachlässigt werden darf. Auch das ausgefeilteste Kennzahlensystem kann ein Datenchaos nicht in verwendbare Parameter verwandeln. Sorgen Sie daher unbedingt für eine solide Datenbasis.

Nachdem die E-BSC in Ihrem Unternehmen eingeführt ist, sollten Sie die priorisierten Ziele in Zusammenarbeit mit Ihrem Vorgesetzten (Einkaufsleiter oder CFO) operationalisieren und passend auf die einzelnen Mitarbeiter übertragen. Zeitnah sollten die Kennzahlen dann auch verwendet werden. Diese Konsequenz ist essenziell, um die E-BSC und das Verständnis ihrer Inhalte nachhaltig auf jeder Ebene des Unternehmens zu implementieren.

Grundlegend für den Erfolg der E-BSC ist darüber hinaus, dass sich jeder Mitarbeiter bewusst ist, was sein individueller Beitrag zum Erreichen der Einkaufs- und damit der Unternehmensziele ist. Auf diese Weise stellen Sie indirekt sicher, dass alle relevanten Sichtweisen einbezogen werden und somit die Machbarkeit des Projektes gewährleistet ist.

Wichtig ist, dass dieses Projekt von vornherein von den Mitarbeitern mitgetragen wird. Stellen Sie Ihr Team nicht am Ende des Entwicklungsprozesses vor vollendete Tatsachen, sondern entwickeln Sie gemeinsam mit den relevanten Stakeholdern ein System, das perfekt an das jeweilige Arbeitsumfeld angepasst ist. Dabei beziehen Sie von Anfang an Ihre Mitarbeiter ein. So erreichen Sie nachhaltiges Verstehen und hohe Akzeptanz der Kennzahlen bei denen, die täglich für oder mit den Zahlen arbeiten und deren Leistung Sie messen wollen.

Die Verwendung eines IT-Tools entlastet Ihre Kapazitäten und verschafft den Mitarbeitern Zeit für andere Aktivitäten. Im Idealfall nutzen Sie bereits ein IT-Tool. Sollte dies nicht der Fall sein, so sollten Sie Ihre IT-Abteilung in das Projekt einbeziehen und prüfen, ob Ihr bestehendes ERP die erforderliche Kennzahlenerhebung unterstützt. Ziel sollte es sein, möglichst ein einziges IT-Tool zu verwenden, da die Nutzung verschiedener Tools den Arbeitsaufwand und oft auch die Fehleranfälligkeit Ihres Systems erhöht. 

Damit die E-BSC sich langfristig auf den Einkaufserfolg auswirken kann, müssen im Vorfeld Schritte beschlossen werden, die obligatorisch bei (Nicht-) Erreichen der Zielvorgaben eingeleitet werden. So kann der Grad der Zielerreichung, gemessen anhand der Kennzahlen, beispielsweise als Grundlage für die Entscheidung über die Höhe eines variablen Vergütungspakets dienen. Dabei müssen Transparenz und Fairness gewährleistet sein. Es sollte Wert darauf gelegt werden, einzelne Mitarbeiter an denselben Kennzahlen zu messen.

Weil sich das Unternehmensumfeld ständig ändert, sind bestehende KPIs fortlaufend auf ihre Validität zu prüfen. Justieren Sie die Kennzahlen entsprechend den über die Zeit variierenden Anforderungen. Geschieht das nicht, könnten diese mit der Zeit ihre Aussagekraft verlieren und es käme zu Entscheidungen auf der Grundlage falscher Annahmen.

Nach der Einführung gilt es, Erfahrung zu sammeln. Prüfen Sie regelmäßig, ob die Kennzahlen unter Ihren Mitarbeitern die notwendige Akzeptanz erreicht haben und genutzt werden oder ob es Ideen zur Anpassung an neue Gegebenheiten gibt.

Fazit

Mit Hilfe einer umsichtig eingeführten und etablierten E-BSC und auf der Grundlage sorgfältig ausgewählter Kennzahlen erhalten Sie jederzeit einen verlässlichen Überblick über den Erfolg Ihrer Einkaufsabteilung. Die E-BSC hilft Ihnen und Ihren Einkäufern dabei, klare Einkaufsziele zu definieren und diese auf der Mitarbeiterebene fundiert zu vermitteln. Die Einkäufer können so auf dem globalen Markt mit Fokus und Professionalität agieren. Wenn Sie bei der Einführung der E-BSC in Ihrem Unternehmen unsere Tipps berücksichtigen, führt dies mit Sicherheit zum Erfolg Ihrer Einkaufsabteilung. Schon bald wird sich das auch in Ihren persönlichen KPIs widerspiegeln.