Checkliste: Wann lohnt sich der Einsatz von e-Auktionen?
Seit mehr als 15 Jahren werden e-Auktionen zur Kostensenkung im Einkauf eingesetzt. In vielen Unternehmen konnten in der Vergangenheit hierdurch signifikante Einsparungen erzielt werden. Trotzdem wird das Potenzial von e-Auktionen immer noch nicht komplett ausgeschöpft. Der Grund hierfür ist, dass sich der Einkauf oftmals nicht sicher ist, in welchen Beschaffungsgruppen sich der Einsatz von e-Auktionen lohnt. Mit Hilfe unserer Checkliste können Sie leicht überprüfen, welche Ihrer Beschaffungsgruppen sich für den Einsatz von e-Auktionen eignen.
Grundsätzlich gilt, dass sich der Einsatz einer e-Auktion nur für Produkte lohnt, die nicht an einer Börse gehandelt werden und deren Lieferanten in einem mittleren bis hohen Wettbewerb zueinander stehen. Die Dynamik einer Auktion soll den Wettbewerb unter den Anbietern intensivieren, um optimale Einkaufskonditionen zu erzielen. Ein typisches Beispiel ist der Einkauf von Verpackungen wie z.B. Folien, Etiketten oder Kartonagen: Die Beschaffungsgruppe wird nicht an der Börse gehandelt und unter den großen, europaweiten Anbietern herrscht ein starker Verdrängungswettbewerb.
Um die Vergleichbarkeit der Angebote aller Anbieter zu gewährleisten, müssen für eine e-Auktion die Produkte oder auch Dienstleistungen eindeutig spezifiziert werden. Dabei ist zu beachten, dass die Spezifikationen neutral, d.h. nicht herstellerspezifisch, beschrieben werden. Bei der Vergabe von bspw. mehrlagigen Folien werden den Anbietern oftmals technische Zeichnungen zur Verfügung gestellt: Diese Datenblätter sollten ebenfalls anonymisiert werden.
Nicht nur die Konditionen, sondern auch qualitative Kriterien zur Lieferantenauswahl wie bspw. die Nähe des Anbieters zum eigenen Standort für eine just-in-time Belieferung müssen für eine erfolgreiche e-Auktion quantifizierbar sein. Ein im Vorfeld definiertes Lieferantenbewertungsmodell ordnet allen Auswahlkriterien eine Punktzahl zu, die gewichtet einen Gesamt-Score je Anbieter ergeben.
Optimal für die Durchführung einer e-Auktion geeignet sind "Hebelbeschaffungsgruppen" (à Definition: Hohes Einkaufsvolumen und geringe Einkaufsmarktkomplexität): Das jährliche Einkaufsvolumen sollte erfahrungsgemäß mindestens 1,0 Mio. € betragen, um den Aufwand der Teilnehmer und die Kosten für den Einsatz eines (ggf. extern zugekauften) e-Auktion Tools aufwiegen. Gleichzeitig sollte keine Beschaffungsgruppe in einer e-Auktion vergeben werden, die einen Differenzierungsfaktor für das eigene Unternehmen darstellt. Oftmals besteht zu den Lieferanten einer solchen Beschaffungsgruppe eine langjährige, strategische Partnerschaft, die nicht unnötig durch eine größtenteils anonyme Auktion strapaziert werden sollte. Diese Bedingung wird von Verpackungsbeschaffungsgruppen als typisches Verbrauchsmaterial oftmals erfüllt.
Ist die Beschaffungsgruppe ausgewählt, darf der Aufwand einer Teilnahme an der e-Auktion für die Anbieter nicht unterschätzt werden: Eine zu hohe Anzahl an zu bepreisenden Positionen (à 1 Position = 1 Produkt/Dienstleistung) verlangsamt die Angebotskalkulation und reduziert so die Dynamik der Auktion. Um die Kalkulation für die Anbieter zu erleichtern, können Artikel mit ähnlicher Spezifikation zu sog. "Warenkörben" zusammengefasst werden (à z.B. 1 Warenkorb = 5 Produkte/Dienstleistungen z.B. Folien mit gleicher Folienbreite und -dicke). Hierbei gilt: Je ähnlicher die Spezifikationen aller Produkte eines Warenkorbs sind, desto leichter ist die Kalkulation für den Anbieter. Optimal ist es daher, Folien dahingehend zu respezifizieren, sodass sie sich lediglich durch das einzelne Druckbild voneinander unterscheiden. So können die Anbieter während der Auktion die Preise für einzelne Warenkörbe oder gar das gesamte Angebot zügig neu kalkulieren. Als Richtwert hat sich erfahrungsgemäß die Obergrenze von 60 Produkten bzw. 20 Warenkörben für eine e-Auktion bewährt.
Mit Hilfe der folgenden Checkliste können Sie leicht überprüfen, welche Beschaffungsgruppen sich für den Einsatz von e-Auktionen eignen. Die Bewertung erfolgt anhand von vier übergeordneten Kriterien:
1. Struktur des Einkaufsmarkts
- Wettbewerb im Einkaufsmarkt: Wie viele Lieferanten gibt es im relevanten Markt und wie hoch ist die tatsächliche Wettbewerbsintensität unter den Lieferanten?
- Börsengehandelte Beschaffungsgruppe: Werden die Waren an einer Börse gehandelt?
2. Lieferantenauswahlkriterien
- Beschreibung der Spezifikationen: Können alle wichtigen Eigenschaften des Produkts/der Dienstleistung eindeutig und neutral beschrieben werden?
- Quantifizierung der Spezifikationen: Können alle zu verhandelnden Faktoren - außer des Preises - (z.B. Lieferfähigkeit, Qualität, etc.) in Zahlen ausgedrückt und unter den Lieferanten verglichen werden?
3. Bedeutung der Beschaffungsgruppe
- Einkaufsvolumen der Beschaffungsgruppe: Ist das Einkaufsvolumen größer als 1 Mio. € p.a.?
- Differenzierungsfaktor für den Endkunden des beschaffenden Unternehmens: Stellt das einzukaufende Produkt/die Dienstleistung einen sehr wichtigen Differenzierungsfaktor für den Endkunden dar?
4. Komplexität der Beschaffungsgruppe
- Anzahl der Artikel/Warenkörbe: Schreiben Sie mehr als 60 Artikel/20 Warenkörbe aus?
- Möglichkeit zur schnellen Kalkulation eines Angebots während der Auktion: Kann der Lieferant auch bei großer Anzahl anzubietender Artikel sein Angebot in kürzester Zeit während der Auktion neu berechnen?
Die dargestellten Bewertungskriterien sind als KO-Kriterien zu verstehen. Die Eignung einer Beschaffungsgruppe wird nicht durch das Ergebnis des Durchschnitts aller Faktoren ermittelt. Vielmehr ist jeder Faktor einzeln für sich zu bewerten (Beispiel: Gibt es nur 3 Lieferanten im Markt, die sich keinen Wettbewerb machen, so eignet sich die Beschaffungsgruppe nicht für den Einsatz einer e-Auktion!).
Folgende Checkliste fasst die Faktoren, die für die Eignung einer Beschaffungsgruppe für eine e-Auktion geprüft werden müssen, zusammen:
Erster Schritt: Basis für Fakten schaffen
Um gleich zu Beginn einen soliden Unterbau zu schaffen, sollte das Unternehmen zunächst das gesamte Einkaufsvolumen erheben und die Warengruppen mithilfe einer ABC-Analyse priorisieren. Anschließend sind die priorisierten Warengruppen genauer zu betrachten. Die Beantwortung der sieben W-Fragen soll dabei unterstützen: Wer kauft was von wem, in welcher Menge, zu welchem Preis, wann und über welchen Prozess ein? So einfach sie erscheinen, sind diese Fragen dennoch ein effizienter Leitfaden zur Erfassung aller relevanten Informationen – wenn die Prozessbeteiligten sie auch ernsthaft beantworten.
Für die anschließende Priorisierung der Artikel für die Quantifizierung des Einsparpotentials eignen sich prinzipiell zwei Kriterien: Repräsentativität und Einkaufsvolumen. Bei der Priorisierung repräsentativer Artikel pro Warengruppe geht es darum, anhand weniger Artikel die Warengruppe in ihrer Komplexität und Fragmentierung „repräsentativ“ abzubilden. Das hat seine Tücken. Denn ein hohes Einsparpotential von Artikeln mit geringem Einkaufsvolumen bewirkt wenig bei der Preisbildung der gesamten Warengruppe. Also ist die Priorisierung nach Einkaufsvolumen in der Regel vorzuziehen. Sie fokussiert so genannte „einsparpotentialentscheidende Artikel“ mit einem hohen Einkaufsvolumen. Damit wird das Einsparpotential identifiziert, das für die Preisbildung der gesamten Warengruppe entscheidend ist.
Sind die Warengruppen erhoben, strukturiert und die Artikel nach Volumen priorisiert, ist ein noch umfassenderes Verständnis aufzubauen. Die mit der Warengruppe arbeitenden Mitarbeiter aus dem Fachbereich, Forschung & Entwicklung, Produktion und Einkauf usw. sollten in einem bereichsübergreifenden Team ihr weiteres Wissen über die Warengruppe zusammentragen. Zu den dann relevanten Fakten zählen die bisherigen Einkaufspraktiken und Einsparmaßnahmen genauso wie die Spezifikationen von Artikeln in technischen Datenblättern, Zeichnungen und bereitgestellten Mustern sowie die zukünftig erwartete Entwicklung der Warengruppe. Mit dieser Teamarbeit ist eine solide Wissensbasis für den zweiten Schritt geschaffen.
Zweiter Schritt: quantifizieren und Umsetzung planen
Zur Quantifizierung des Einsparpotentials sind zwei externe Benchmarks bei alternativen Lieferanten einzuholen: die Konditionen für aktuelle und für die optimierten Spezifikationen. Mit diesen Benchmarks sind zwei entscheidende Hebel für Einsparungen abgeklopft.
Die Konditionen werden in einem vereinfachten Anfrageverfahren eingeholt. Die bestehenden Lieferanten bleiben ausgespart, da das Ziel der Analyse darin besteht, festzustellen, ob es im Vergleich zur Ist-Situation Einsparpotenzial gibt.
Wurden im Rahmen der Anfrage signifikante Einsparpotentiale für die priorisierten Artikel identifiziert, sind diese auf das Einkaufsvolumen der gesamten Warengruppe hochzurechnen. Je nach Komplexität sind dabei Sicherheitsabschläge für die übrigen Artikel vorzusehen. Welche Variante der verschiedenen Potentialanalysen nun die geeignete ist, ist fallweise zu entscheiden. Die verlässlichste Variante ist sicherlich die 100-prozentig fundierte Analyse.