Einkaufserfolgstracking und -messung
In den meisten Unternehmen gilt: Wer seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg mit belastbaren Zahlen und Fakten belegen kann, ist beim Top-Management hoch angesehen. Über den Einkauf erzielte Einsparungen und die Vermeidung von Kosten sind häufig in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) nicht erkennbar. Das liegt daran, dass oft weder eine Definition der Einkaufserfolgsmessung erfolgt, noch ein systematischer Prozess zum Tracking des Einkaufserfolgs definiert ist. Wie Sie die erzielten Einkaufserfolge in verschiedenen Härtegraden bestmöglich planen und nachverfolgen sowie Einkaufserfolge systematisch messen, zeigen wir Ihnen in diesem Artikel. Erschienen ist dieser Beitrag im Controller Magazin September/Oktober 2016 (externe Website).
Systematisches Tracking des Einkaufserfolgs
Um den Einkaufserfolg zu jedem Zeitpunkt darstellen zu können, ist ein konstantes Tracking jeder Einkaufsinitiative an festgelegten Meilensteinen erforderlich. Das Tracking des Einkaufserfolgs setzt sich dabei aus zwei Bestandteilen zusammen: Planung der Einkaufsinitiativen und Nachverfolgen des Erfolgs.
Planung der Einkaufsinitiativen ("Einkaufskalender")
Um eine optimale Durchführung aller in einem Geschäftsjahr geplanten Einkaufsinitiativen zu gewährleisten, erfolgt zu Beginn einer Periode, bspw. eines Geschäftsjahres, eine konkrete Planung (-> "Einkaufskalender"). In diesem Zusammenhang sollten Sie für jede Einkaufsinitiative einen Projektplan erstellen. Der Projektplan beinhaltet die jeweiligen Meilensteine des dazugehörigen Umsetzungswegs, das betrachtete Einkaufsvolumen sowie die Verantwortlichkeiten. Die Grundlage für den Projektplan und die Planung der Einkaufsinitiativen bilden vier verschiedene Umsetzungswege zur Erzielung von Einsparungen im Einkauf: Der strategische Einkaufsprozess in vollem Umfang (strategic sourcing), der strategische Prozess im reduzierten Umfang (rapid sourcing), die Nachverhandlung sowie die partnerschaftliche Kostenoptimierung (PKO).
Nachverfolgen des Einkaufserfolgs
Für eine konsequente Nachverfolgung des Einkaufserfolgs ist eine systematische Messung notwendig. Der Prozess der Einkaufserfolgsmessung bildet die Grundlage für das Tracking und ermöglicht zudem eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Meilensteine der vier Umsetzungswege. Der Erfolgsmessung liegen verschiedene Härtegrade zugrunde. Dadurch entsteht eine „Pipeline“, die aus fünf Härtegraden des Einkaufserfolges bzw. sechs Schritten besteht:
- Festlegung der Baseline: Zu Beginn einer Einkaufsinitiative wird zunächst die Baseline (Messlatte, gegen die der Einkaufserfolg gemessen wird) definiert.
- Entwicklung von Ideen für den Einkaufserfolg (1. Härtegrad): Im ersten Härtegrad werden zunächst Überlegungen für mögliche Kostenreduzierungen und Kostenvermeidungen erfasst. Dabei werden Einsparziele nicht quantifiziert, sondern Ideen qualitativer Art gesammelt. Die Entwicklung von Ideen für den Einkaufserfolg berücksichtigt dabei alle Einkaufshebel, die sukzessive abgearbeitet werden.
- Abschätzung Einkaufserfolg (2. Härtegrad): Das Ziel dieses Härtegrades ist die bestmögliche Einschätzung der Höhe des Einkaufserfolgs. Die Schätzung erfolgt dabei z.B. auf Basis von Einkaufsmarktanalysen, definierten Einkaufsstrategien und aktuellen Kostenstrukturen oder Erfahrungen aus der Vergangenheit.
- Vertraglich vereinbarter Einkaufserfolg (3. Härtegrad):Sobald die Preise mit dem ausgewählten Lieferanten final ausgehandelt sind und der Vertrag fixiert ist, wird der Einkaufserfolg quantifiziert. Der Einkaufserfolg ergibt sich dabei aus der Differenz von Baseline-Preis und verhandeltem Preis bzw. verhandelten Konditionen.
- Realisierter Einkaufserfolg (4. Härtegrad):Dieser Härtegrad betrachtet alle tatsächlichen Bestellungen auf Basis abgeschlossener Verträge, die zum neuen Preis bzw. den neuen Konditionen eingekauft wurden.
- Budgetierter Einkaufserfolg (5. Härtegrad):Hier werden alle um die Budgets gekürzten realisierten Einkaufserfolge und Kostenvermeidungen aufgezeigt. Der budgetierte Einkaufserfolg ist nachhaltig, da die Abteilungen das Geld nicht mehr ausgeben können.
Die in Abbildung 1 dargestellte Zuordnung der Härtegrade zu den einzelnen Meilensteinen im jeweiligen Umsetzungsweg ermöglicht eine einheitliche Messung der Einsparungen zu jedem Zeitpunkt der Einkaufsinitiative. Dabei ist es entscheidend, dass die Entwicklungen der einzelnen Initiativen und die erreichten Meilensteine durch den zuständigen Einkäufer in einem zentralen System berichtet werden. Dadurch kann geprüft werden, wie hoch der Einkaufserfolg übergreifend für jeden einzelnen Härtegrad zu einem bestimmten Zeitpunkt ist.
Die sechs Ws der Einkaufserfolgsmessung
Das Einspartracking ist ein wichtiges Instrument, um den aktuellen Stand des Einkaufserfolgs jederzeit abrufen zu können. Wie Sie die erzielten Einkaufserfolge einheitlich nachweisen, wird anhand von sechs Fragen beantwortet, die in warengruppenunabhängige Fragen und warengruppenspezifische Fragen unterteilt sind:
Was wird unter Einkaufserfolg verstanden?
Einkaufserfolge können durch zwei verschiedene Faktoren generiert werden: Kostenreduzierung und Kostenvermeidung. Die Kostenreduzierungen sind Einsparungen, da diese zu einer Senkung der Ausgaben gegenüber der Vorperiode führen. Kostenvermeidungen sind hingegen Einsparungen, die entweder durch eine Senkung des angebotenen Lieferantenpreises oder durch einen geringeren Anstieg des Einstandspreises trotz gestiegener Kosten, z.B. Rohstoffkosten, des Lieferanten erreicht werden. Allerdings ist eine Kostenvermeidung keine tatsächliche Senkung der Ausgaben im Vergleich zur Vorperiode. In der Regel werden Kostenreduzierungen daher vom Vorstand bzw. der Geschäftsführung mehr geschätzt als Kostenvermeidungen.
Wie ist der Zeithorizont der Einkaufserfolgsmessung?
Erzielte Einsparungen – auch wenn Verträge über mehrere Jahre laufen – sollte die Einkaufsabteilung nicht jedes Jahr aufs Neue an den Finanzbereich kommunizieren. Um glaubwürdig zu sein, sollte die Einkaufserfolgsmessung alle zwölf Monate auf null gesetzt werden. Da Controlling und Finanzbereiche in Geschäftsjahren planen, sollte sich auch die Einkaufsabteilung an diesem Zeitraum orientieren. Neben einem systematischen Einspar-Reporting dient dies zudem als Incentivierung, im neuen Jahr auch neue Einsparungen zu realisieren.
Welche Perspektiven auf den Einkaufserfolg gibt es?
Das Erzielen von Einkaufserfolgen kann aus zwei Perspektiven betrachtet werden: EBIT- und Cash Perspektive.
- Die EBIT-Perspektive (Gewinn vor Zinsen und Steuern) spiegelt den GuV-Einfluss des Einkaufserfolges wider. Bei dieser Perspektive müssen die Einsparungen von sogenannten Capex-Warengruppen (capital expenditure = Kapitalaufwendungen, z.B. Maschinen) entlang der jeweiligen Abschreibungsdauer verteilt werden. Das heißt: Der erzielte Einkaufserfolg bei diesen Warengruppen darf nicht auf einmal berichtet werden, sondern nur in Etappen, gemäß der jeweiligen Abschreibungsdauer. Die EBIT-wirksamen Einkaufserfolge beziehen sich immer auf die Budgetierungsperiode (in der Regel ein Jahr). Je nach Absprache können die Budgets um diese Einsparungen gekürzt werden. Einkaufserfolge von sogenannten Opex-Warengruppen (operational expenditure = operative Aufwendungen, z.B. Büromaterial) können sofort in ihrer gesamten Höhe GuV-wirksam berichtet werden.
- Die Cash-Perspektive spiegelt hingegen den Einfluss der Einsparungen auf die liquiden Mittel des Unternehmens wider und sind stichtagsbezogen. Im Rahmen dieser Perspektive können die erzielten Einsparungen voll angesetzt werden.
Welche Messlatte (Baseline) soll für den Einkaufserfolg angewendet werden?
Die Messlatte für den Einkaufserfolg besteht aus zwei Komponenten: Baseline-Menge und Baseline-Preis.
Die Baseline-Menge ist die Bedarfsmenge und wird in zwei Arten unterschieden:
- Wiederholungskauf: Hierbei wird die Jahresbedarfsmenge herangezogen (i.d.R. Geschäftsjahr).
- Einmalkauf: Hier wird die gesamte ausgeschriebene Bedarfsmenge herangezogen.
Beim Baseline-Preis existieren vier verschiedene Baseline-Preistypen. Die fixe historische Baseline kann immer dann verwendet werden, wenn ein Wiederholungskauf stattfindet, der Preis nicht volatil ist und/oder der Bedarf auf Output-Mengen (z.B. Preis pro Tonne) heruntergerechnet werden kann. Hier wird immer gegen die zuletzt gezahlten Konditionen oder den gewichteten Durchschnittspreis der letzten 12 Monate gemessen. Bei der Einkaufserfolgsmessung gegen die historische Baseline handelt es sich grundsätzlich um eine Kostenreduzierung. Die variable historische Baseline ist anzuwenden, wenn der Preis eines Produktes bzw. einer Dienstleistung aufgrund der Abhängigkeit der Preisentwicklung bei Rohmaterial stark schwankt. Hierbei sind pro Warengruppe bestimmte Regeln zum Festlegen der Basis anzuwenden, zum Beispiel das Messen des Einkaufserfolges gegen einen an einem Index adaptierten Preis.
Eine weitere Methode zum Feststellen des Erfolges ist das Messen mit Hilfe eines festgelegten Budgets als Schätz- bzw. Erfahrungswert. Dies ist hilfreich, wenn Produkte oder Dienstleistungen zum ersten Mal eingekauft werden und das Budget kalkulierbar ist. Vierte und letzte Messlatte des Einkaufserfolges ist die neue Baseline. Hierbei besteht die Möglichkeit, dass Einkaufserfolge nach den Verhandlungen an einem neuen Wert gemessen werden. Dies kann zum Beispiel das beste Angebot einer Ausschreibung sein. Bei der Auswahl der Baseline sollten Sie unbedingt die hier aufgeführte Reihenfolge beachten. Die erste Messlatte ist die genaueste und objektivste, jedoch ist sie nicht immer anwendbar. Die darauf folgenden Messlatten werden zunehmend manipulierbarer und somit weniger objektiv. Das Entscheidungsmodell in Abbildung 3 hilft, den richtigen Baseline-Typ auszuwählen:
Welche Kosten müssen aus Gesamtkostensicht berücksichtigt werden?
Bei der Einkaufserfolgsmessung müssen grundsätzlich alle anfallenden Kosten des Einkaufsvorgangs berücksichtigt werden (Total Cost of Ownership). Dies betrifft ebenfalls Kosten, die aktuell nicht von der Einkaufsabteilung beeinflussbar sind, z.B. spätere Entsorgungskosten oder die Betriebskosten einer Maschine. Obwohl alle Kosten berücksichtigt werden sollten, müssen nicht immer sämtliche Kosten einer Einkaufsinitiative quantifiziert werden. Die Quantifizierung sollte nur für Kosten erfolgen, die sich im Vergleich zur Vorperiode verändert haben. Beispielsweise sind administrative Kosten i.d.R. weitestgehend konstant gegenüber der Vorperiode.
Welche Einkaufserfolgshebel gibt es?
Für die Erzielung von Einsparungen gibt es zwei verschiedene Arten von Hebeln: Die Preis-bzw. Prozesskostenhebel und die Mengenhebel ( Vgl. hierzu ausführlich unser Magazin 01/2014 zur Einkaufskonditionenoptimierung). Die Preis-/Prozesskostenhebel bestehen aus der Volumenbündelung, der Erweiterung des Lieferantenkreises sowie der Spezifikations- und Supply-Chain-Optimierung. Die Mengenhebel umfassen die Bedarfskontroll- und die Bedarfsrichtlinien-Verschärfung sowie die Eliminierung von Bedarf sowie eine Veränderung der Nutzungsdauer. Welche Hebel geeignet sind, hängt von der Warengruppe ab. Strategische Einkäufer sollten die Einsparungen – sofern möglich – pro Hebel definieren. Dies ermöglicht Ihnen, bei der Lieferantenanalyse verschiedene Einsparszenarien zu berechnen und das für Ihr Unternehmen beste Szenario auszuwählen. Die verschiedenen Szenarien ergeben sich aus dem Berechnen und Kombinieren unterschiedlicher Hebel.
Fazit:
Damit der Einkaufserfolg systematisch gemessen und dokumentiert wird, sollte ein systematischer Prozess zur Einkaufserfolgsmessung eingeführt werden. Darüber hinaus ist eine Abstimmung mit dem Fachbereich Finanzen/Controlling wichtig, damit die Einkaufserfolge GuV-relevant gemessen werden. Um die kontinuierlich erzielten Einsparungen jederzeit abrufen zu können, empfiehlt es sich, ein übergreifendes Tool im Einkauf zu etablieren. Die Einkäufer aller Standorte sind dazu verpflichtet, erzielte Einsparungen in festgelegten Intervallen dort einzupflegen. So können Einsparerfolge zu jeder Zeit sprichwörtlich auf Knopfdruck abgerufen werden.