Verborgenes Einsparpotential: Produktetiketten in der Fleischwirtschaft

In einer Zeit, in der die Branche beispielsweise durch die nach wie vor akute Schweinepest in China unter immensem Kostendruck steht, sollten Unternehmen brachliegende Einsparpotentiale realisieren. Das Produktetikett ist eine häufig unterschätzte Möglichkeit, solche Optimierungspotentiale zu heben. Entsprechend wichtig ist es, die verschiedenen Einsparhebel zu kennen und diese gezielt einzusetzen. Ein genauer Blick auf Spezifikationen, Volumina und Lieferanten lohnt sich. Auch unorthodoxe Einkaufsmethoden können – richtig eingesetzt – zum Erfolg führen.

Spezifikationsoptimierung

Ziel einer Spezifikationsoptimierung ist es, ein Produkt zu verändern, um beispielsweise Kosten oder Nachhaltigkeit zu optimieren, ohne die vom Fachbereich oder den Kunden gestellten Anforderungen zu vernachlässigen. Bei Etiketten können beispielsweise Träger-, Haftmaterial, Druckverfahren oder Formate Ansatzpunkte einer Spezifikationsoptimierung bieten.

In der produzierenden Fleischindustrie hat nahezu jedes Endprodukt ein Etikett. Für neu entwickelte Wurstsorten entwerfen Marketing-Abteilungen immer wieder auch neue Etiketten, die sich in Farbe, Form und Material unterscheiden. Allerdings fällt häufig bei genauerem Hinsehen auf, dass sich viele Etiketten beispielsweise im Format nur um einige Millimeter unterscheiden. Ein einheitliches Format oder optimales Druckverfahren sorgt dafür, dass der Lieferant kostengünstig produzieren kann. Im Fokus steht, die richtige Kombination aus einer Bündelung der Formate, der Standardisierung von Träger- und Haftmaterialien und der damit verbundenen Variantenreduktion. Eine Grundvoraussetzung dafür ist die enge Abstimmung über mehrere Abteilungen hinweg. Marketing, Produktion und Einkauf müssen an einem Strang ziehen, damit einheitliche Etiketten nach allen gewünschten Standards produziert werden. In Folge hat der Lieferant weniger Rüst- und Klischeekosten und der Einkaufspreis wird günstiger. Durch die Vereinheitlichung von Material, Druckverfahren und Format im Rahmen einer Spezifikationsoptimierung, lassen sich in der Regel auch Lieferzeiten reduzieren. In der Fleischindustrie ein entscheidender Faktor, da kurzfristige Bedarfe aufgrund von Aktionen, bspw. in der Grillsaison, immer wieder auftreten.

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Volumenbündelung

Eine bekannte Faustregel im Einkauf lautet: Wer ein hohes Volumen bei Lieferanten anfragt, kann günstigere Konditionen erzielen. Durch die Spezifikationsoptimierung können größere Einkaufsvolumina bei den Lieferanten angefragt werden. Besitzt das Unternehmen darüber hinaus mehrere Standorte, ist die Bündelung der optimierten Spezifikationen umso effektiver. Denn die unterschiedlichen Standorte eines Unternehmens tendieren dazu, selbstständig und unabhängig voneinander einzukaufen. Durch eine Volumenbündelung und eine erfahrungsgemäß daraus resultierende Reduktion der Lieferantenzahl, erhöht sich auch die Verhandlungsmacht des Unternehmens. 

Geeignete Ansätze zur Volumenbündelung:

  • Welche Etiketten können sinnvoll zu Paketen (gleiches Material, Druckverfahren und Format, aber unterschiedliche Druckbilder) gebündelt und vollständig vergeben werden, sodass Lieferanten Vorteile bei der Produktion realisieren können?
  • Welches Volumen kann über mehrere Geschäftsbereiche oder sogar über alle Geschäftsbereiche gebündelt werden?
  • Bündelung über mehrere Jahre: Ist es sinnvoll mit ausgewählten, strategischen Lieferanten einen Mehrjahresvertrag abzuschließen?

Eine Volumenbündelung ist auch in sich schnell drehenden Sortimenten, wie sie in der Fleischindustrie häufig zu finden sind, durchaus möglich. Voraussetzung ist allerdings eine professionelle und strategische Bearbeitung der Warengruppe. Dadurch können erst die Voraussetzungen für eine Volumenbündelung geschaffen werden. Auf dieser Basis kann der Bündelungsgrad kontinuierlich erhöht werden, um auch die letzten „Einsparreserven“ zu heben.

Erweiterung Lieferantenkreis

Bei der Auswahl der Lieferanten ist in der heutigen Zeit nicht mehr ausschließlich die räumliche Nähe entscheidend. Der bestehende Lieferantenkreis kann durch inländische und ausländische Lieferanten verstärkt in den Wettbewerb gestellt werden. Besonders bei der Ausschreibung von Etiketten sollten Einkaufsabteilungen über den Tellerrand hinaus nach potentiellen Lieferanten suchen. Dabei ist es aber trotzdem wichtig, dass die Flexibilität des Lieferanten in Bezug auf Lieferzeiten schon Teil der Ausschreibung ist. Kurzfristige Bedarfe durch den Handel sollten bedient werden können, damit „Schnellschüsse“ nicht verloren gehen.

Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in vielen Einkaufsabteilungen der Fleischindustrie, scheuen allerdings viele Einkäufer den Aufwand von Ausschreibungen unter Einbeziehung vieler Lieferanten. Im Bereich Etiketten gibt es eine Vielzahl potentieller Lieferanten. Diesen Wettbewerbsdruck sollte ein Einkäufer unbedingt nutzen. Hier gilt: Bearbeiten Sie eine Warengruppe vollumfänglich strategisch und sichern Sie sich das Ergebnis langfristig durch einen 2- oder 3-Jahresvertrag. Dadurch reduziert sich langfristig der Aufwand im Vergleich zu häufig noch üblichen Jahres- oder sogar Quartalsausschreibungen.

Bei der Auswahl eines Lieferanten sollte neben den Einkaufskonditionen auch die Themen Innovationsstärke und Produktoptimierung nicht zu kurz kommen. Durch regelmäßige Workshops zwischen Fachbereichen, Einkauf und Lieferant kann sichergestellt werden, dass versteckte Potentiale aufgedeckt und Innovationen frühzeitig identifiziert und kommuniziert werden. Diese Produktoptimierungsworkshops können im Rahmen eines Mehrjahresvertrags mit Lieferanten vertraglich festgehalten werden. Damit stellen Sie sicher, dass der Einkauf auch über die reinen Beschaffungstätigkeiten hinaus einen nachhaltigen Wertbeitrag für das Unternehmen bringt.

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E-Auction

Aufgrund der vielen zu bepreisenden Positionen kommt für zahlreiche Unternehmen der Fleischindustrie eine E-Auction für Etiketten nicht in Betracht. Der Aufwand für das eigene Unternehmen und die Lieferanten ist immens. Aber ist das wirklich in jedem Szenario so? Oder können Unternehmen sogar einen strategischen Wettbewerbsvorteil erringen, wenn sie unorthodox einkaufen? Unter Bestimmten Bedingungen kann es sich für Unternehmen lohnen, die Vorteile einer E-Auction im Bereich des Etiketteneinkaufs zu nutzen.

Durch eine Spezifikationsoptimierung hat das Unternehmen einerseits klare und transparente Produkteigenschaften, die für den Lieferanten die Bepreisung einfacher machen. Die Lieferanten müssen wissen, worauf sie bieten, und die Käufer, was sie bekommen. Andererseits können größere Produkt-Pakete von Etiketten zu Paketen von gleichem Material, Druckverfahren und Format geschnürt werden. Durch diese Volumenbündelung kommen ausreichend große Pakete zustande und die Anzahl der in der Auktion zu bepreisenden Positionen reduziert sich signifikant, da der Lieferant einen Einheitspreis für alle Etiketten eines Paketes abgibt. Damit können Einkäufer die Vorteile einer E-Auction auch beim Einkauf von Etiketten nutzen. Idealerweise schalten Einkäufer der Auktion eine Ausschreibung vor. Das ermöglicht eine Vorselektion der Lieferanten und es können bereits definierte Startangebote abgeleitet werden. Das verkürzt den Prozess und reduziert die Komplexität der Auktion.

Die Formen der E-Auction

Unternehmen sollten die Auktionsformen kennen und wissen, was bei der Auktionsvorbereitung und -durchführung zu beachten ist.

  • Bei der englischen Auktion (auch mündliche, offene oder „Descending-bid-Auktion“ genannt) werden die Gebote der Lieferanten von einem relativ hohen Startpreis ausgehend sukzessiv gesenkt, bis nur noch das Gebot eines Lieferanten übrigbleibt. Dieser erhält den Zuschlag mit einem Preis in der Höhe seines letzten Gebots. Bei dieser Auktionsform gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
    • Preisauktion – alle Teilnehmer der Auktion sehen die Preise der Wettbewerber. Diese Form ist für die Lieferanten sehr transparent. Am Ende der Auktion erhält der Lieferant mit dem niedrigsten Preis den Zuschlag.
    • Rangauktion – Dem Lieferanten wird nach Abgabe eines Angebots ein Rang in Relation zu den Angeboten der Wettbewerber zugewiesen. Dieser wird ihm nach Abgabe des Angebots angezeigt. Erhält er beispielsweise den dritten Rang, haben zwei Wettbewerber günstigere Preise angeboten. Die Preisdifferenz wird dem Bietenden nicht angezeigt.
    • Ampelauktion – bei dieser Form der Auktion erhält der Bietende nicht direkt einen Rang zugewiesen, sondern eine Statusmeldung in den Farben grün, gelb oder rot. Diese Form ist auch als Zielpreisauktion bekannt, weil der Einkäufer einen Zielpreis hinterlegt, dessen Erreichung dem Lieferanten mithilfe eines Ampel-Systems angezeigt wird. Rot heißt dabei, dass der Lieferant noch weit vom Zielpreis entfernt ist. Eine gelbe Ampel zeigt an, dass sich das Gebot im Mittelfeld bewegt. Bei grüner Anzeige ist der Zielpreis erreicht und der Lieferant ist bester Bieter im Feld.

Je nach Situation sollte der Einkäufer auswählen, welche Form der Auktion für ihn am sinnvollsten ist. Ein ausschlaggebendes Kriterium kann beispielsweise die Wettbewerbssituation sein. Bei viel Wettbewerb lohnt sich eine Preisauktion. Bei geringerer Wettbewerbssituation kommen besonders die Rangauktion und die Ampelauktion in Frage, da die Bietenden keinen Einblick in die konkreten Preisdifferenzen erhalten.

Die Vor- und Nachteile von Auktionen

E-Auktionen haben eine Reihe von Vorteilen. Aufgrund des Konkurrenz- und Preisdrucks lassen sich hohe Kosteneinsparungen erzielen. Zudem kann die Produktivität des Einkaufs gesteigert werden, da viele Artikel gleichzeitig verhandelt werden können. Ein weiterer Vorteil von E-Auktionen ist ihre Transparenz. Die Wettbewerbssituation ist glaubhaft und realitätsnah abgebildet und zahlreiche Lieferanten nehmen am Onlineverfahren teil. Die traditionellen persönlichen Beziehungen werden in E-Auktionen durch eher faktenbasierte Beziehungen ergänzt. Das ist ebenfalls ein Compliance-Vorteil, denn die Entscheidung für einen Lieferanten ist jederzeit transparent begründbar. Bei Online-Auktionen werden die Preisverhandlungen außerdem entpersonalisiert. Das erleichtert internationale Verhandlungen, da kulturelle Unterschiede nicht mehr signifikant zum Tragen kommen. Den zahlreichen Vorteilen von E-Auktionen stehen Nachteile gegenüber, die potentielle Nutzer bei ihrer Entscheidung berücksichtigen sollten. Den bereits erwähnten Kosteneinsparungen stehen Kosten, etwa die Lizenz- oder Providerentgelte für die E-Auktions-Software gegenüber. Die Entwicklung der Spezifikationen, vor allem der nichtpreislichen, bedarf erhöhter Konzentration und Aufmerksamkeit, denn nur detailgenaue und vergleichbare Angaben gewährleisten eine gemeinsame Bezugsbasis für die Lieferanten. E-Auktionen lassen zudem keine Zeit für technische oder kaufmännische Berechnungen und Anpassungen nach der Angebotsabgabe.

Fazit

Gehen Unternehmen den Etiketten-Einkauf systematisch und mit den richtigen Einsparhebeln an, können häufig große Potentiale gehoben werden. Bekannte Einsparhebel wie die Spezifikationsoptimierung, Volumenbündelung und die Erweiterung des Lieferantenkreises bilden die Grundlage für ein kostenoptimales Einkaufen. Im Anschluss können auch unorthodoxe Methoden wie eine E-Auction im Bereich des Etiketteneinkaufs ungeahnte Vorteile mit sich bringen.