Exoten-Rohstoffe kostenoptimal bestellen

In fast allen Unternehmen kommen „Exoten-Rohstoffe“ zum Einsatz – Rohstoffe, die nur in kleinen und kleinsten Mengen verbraucht werden und die dennoch in Summe einen signifikanten Ausgabenblock darstellen. Bei diesen Materialien können durch die Optimierung des Bestellverhaltens signifikante Einsparungen erzielt werden.

Neben den volumenstarken Rohwaren gibt es in nahezu allen Branchen auch Rohwaren-Exoten, von denen nur geringe Mengen verbraucht werden. Diese stehen aufgrund des entsprechend niedrigeren Einkaufsvolumens seltener im Fokus von Optimierungsmaßnahmen. Beispiele sind Spezialchemikalien, bestimmte Lacke/Farben oder Gewürze/Aromen. Vielfach werden diese Komponenten sogar individuell für das Unternehmen gefertigt.

Optimale Bestellmenge entscheidend

Von besonderer Bedeutung ist bei der Beschaffung dieser Produkten die kalkulatorische Bestimmung der optimalen Bestellmenge:  Einerseits entstehen erhebliche bestellfixe Kosten (insbesondere dann, wenn ein Artikel speziell für das Unternehmen vom Lieferanten erstellt wird), wodurch tendenziell eine sehr große Bestellmenge incentiviert wird, die im Extremfall und in Abhängigkeit zur Haltbarkeit sogar den Bedarf mehrerer Jahre decken kann. Andererseits führen diese Mengen zu sehr langen Lagerzeiten, die wiederum zu hohen Lagerkosten und Obsoleszenz-Wahrscheinlichkeiten (z.B. aufgrund qualitativer Verschlechterung der Materialien im Zeitablauf oder aufgrund rückläufiger Verkaufsmengen bzw. Einstellung des entsprechenden Fertigproduktes) führen. Bei einigen Artikeln können diese Kosten die eigentlichen Einkaufskosten sogar übersteigen. Über die Ermittlung der optimalen Bestellmenge werden diese beiden gegenläufigen Effekte einem Kostenoptimum zugeführt.

Die Einflussfaktoren im Einzelnen

Aufgrund dieser Charakteristika der „Exoten“ sind daher bei der Bestimmung der Bestellmenge neben den klassischen Parametern wie Lager- und Kapitalbindungskosten, Einkaufspreis inkl. Rabattstaffeln und Bestellkosten zusätzlich folgende Einflussfaktoren zu berücksichtigen: 

  • Wesentlicher Inputfaktor ist zunächst der Materialbedarf, der über eine Stücklistenauflösung der geplanten Absätze der Fertigwaren ermittelt wird. Aufgrund der tendenziell hohen Reichweiten der Exoten sind entsprechend weitreichende Absatzprognosen erforderlich, idealerweise über mehrere Jahre.

  • Bestellungen sind in der Regel nur in ganzen Vielfachen möglich (z.B. ein Kanister oder ein Sack), so dass eine mathematisch ermittelte Bestellmenge sinnvoll auf- bzw. abgerundet werden muss.
  • Durch die beschriebenen langen Lagerzeiten sind Obsoleszenz-Risiken bei der Bestimmung der Bestellmenge zu berücksichtigen. Hierzu werden vernichtete, ausgebuchte oder an Dritte verkaufte Mengen erhoben und zeitlich in Bezug zur letzten Bestellung gesetzt. Anschließend kann über eine Regressionsanalyse die Obsoleszenz-Wahrscheinlichkeit im Zeitablauf berechnet werden. Dieses geschieht typischerweise auf Produktgruppenebene, da ein einzelner Artikel eine zu geringe statistische Aussagekraft hat.
  • Haltbarkeiten bzw. Restlaufzeiten spielen bei vielen Produkten eine Rolle, diese begrenzen die maximalen Bestellmengen und erhöhen die Obsoleszenz-Wahrscheinlichkeit bei hohen Reichweiten.
  • Die bestellfixen Kosten können neben den eigentlichen Kosten der Bestellung (z.B. Transportkosten) auch signifikante Rüstkosten des Lieferanten beinhalten. Bei Individualanfertigungen können diese Kostenpositionen den eigentlichen Materialwert schnell übersteigen.
  • Bei saisonalen Bedarfen kann eine optimierte erste Bestellung die Kosten der folgenden Bestellung sehr in die Höhe treiben. So wird ein klassisches Bestellmengenmodell tendenziell neben der aktuellen Saison auch eine zweite Saison in der aktuellen Bestellung abdecken, um die bestellfixen Kosten über eine noch größere Menge zu verteilen und somit ein Stückkostenminimum zu erreichen. Im Ergebnis muss die sich anschließende nächste (zweite) Bestellung dann aber direkt nach dieser zweiten Saison einsetzen und die folgende dritte Saisonmenge bereits weit vor dieser dritten Saison bestellen, so dass bei dieser zweiten Bestellung überproportional hohe Lager- und Obsoleszenzkosten anfallen. Daher ist bei der Bestimmung des Bestelloptimums in diesen Fällen eine ganze Kette an Bestellungen zu berechnen („Look-Ahead“), die dann insgesamt zu einem Optimum führt.

Umsetzung einer optimalen Bestellmenge

Die klassischen Standard-ERP-Systemlogiken stoßen hier erfahrungsgemäß an ihre Grenzen, da die optimale Losgröße eines Artikels hier nicht mit einer entsprechenden Formel berechnet werden kann. Die optimale Losgröße wird durch komplexe Simulationen empirisch ermittelt. Pro Artikel werden über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg mindestens 10.000 verschiedene Bestellmuster bzgl. ihres Gesamtkostenprofils simuliert. Das über den Betrachtungszeitraum hinweg aus Gesamtkostensicht günstigste Bestellmuster gewinnt. Für heutige Datenbanksysteme ist diese Rechenleistung inzwischen problemlos möglich. Die Logik wird mit einer höheren Skriptsprache (z.B. Visual Basic) in Kombination mit einer Datenbanksprache (z.B. SQL) umgesetzt. In folgenden drei Schritten findet die Implementierung statt:

  1. Definition, Erhebung und Digitalisierung der kostentreibenden benötigten fixen und variablen Kostendaten auf Artikel-Ebene im ERP, sodass der Algorithmus auf diese zugreifen kann
  2. Definition der Berechnungszeitpunkte (z.B. bei Nachbestellung manuell angestoßen oder täglich alle Artikel), firmenindividuelle Erweiterungen der Musterlogik und Umsetzung der Algorithmen in die eigene Systemlandschaft
  3. Test der Logik auf einer gespiegelten Umgebung des ERP, Freigabe, Transport auf das Live-System sowie Start der Benutzung und Realisierung der Einsparungen

Resultate

Im Ergebnis ermittelt das beschriebene Modell auch für mehrere Tausend Artikel in kurzer Zeit die optimalen Bestellmengen. Insbesondere aufgrund der simultanen Betrachtung aller Faktoren und der Integration von Obsoleszenz-Wahrscheinlichkeiten sind Einsparungen von 10% und mehr der Gesamtkosten eines Artikels keine Seltenheit.