Externes Benchmarking im Einkauf

Neben der Spend-Cube-Analyse, dem Initiativen/Savings Planning und Tracking und dem Früherkennungssystem stellt das externe Benchmarking den vierten Kernprozess eines erfolgreichen und smarten Einkaufs dar.

Ziel der Durchführung eines externen Benchmarkings ist das Aufzeigen von Lücken (sog. Gaps) zwischen der Leistungsfähigkeit des eigenen Einkaufs (Ist-Zustand) und einem idealtypisch ausgeprägten Einkauf (Soll-Zustand).

Die Leistungsfähigkeit des Einkaufs wird dabei auf verschiedenen Dimensionen (sog. Leistungsindikatoren) bewertet. Der Soll-Zustand wird entweder extern definiert oder über einen Vergleich mit dem besten Zustand am Markt (sog. ‚Best Practice‘) ermittelt.

Auf Basis der identifizierten Gaps lassen sich anschließend für verschiedene Bereiche Optimierungsmöglichkeiten ausarbeiten, um die Lücken zu schließen.

Vorarbeit: Grenzen Sie Ihren Markt ein

Um die eigene Leistungsfähigkeit des Einkaufs am Markt beurteilen und richtig einordnen zu können, bedarf es zunächst einer korrekten Einordnung des relevanten Markts. So kann der Markt beispielsweise über die direkte Konkurrenz in einem geografischen Gebiet (z.B. Anbieter für Waschmittel in der Region DACH) oder auch anhand bestimmter Segmente (z.B. Waschmittelhersteller im Hochpreissegment) definiert werden. 

Hierbei ist es zwingend notwendig, keine politisch motivierte Vergleichsgruppe (Markteingrenzung) zu wählen (z.B. indem man sich nicht mit dem härtesten Konkurrenten vergleichen will). Entscheidend ist vielmehr, ein externes Benchmarking als möglichst objektiven Prozess zu verstehen, in dem die eigenen Stärken und Schwächen zum Tragen kommen sollen.

Ist der Vergleichspool sinnvoll definiert, sieht das Vorgehen eines externen Benchmarks in der Regel einen strukturierten vier-stufigen Prozess vor (siehe Grafik 1).

Abbildung 1: Das externe Benchmarking als vierstufiger Prozess

Abbildung 1: Das externe Benchmarking als vier-stufiger Prozess

Der Prozess beginnt mit der Analyse der Ist-Situation im Einkauf. Im Fokus steht hier die Bewertung der Leistungsfähigkeit des Einkaufs anhand zentraler Leistungsindikatoren (Ist-Zustand). Exakt dieselben Leistungsindikatoren werden anschließend für den ‚Best Practice‘ im definierten Markt bewertet (Soll-Zustand).
Auf Basis der Erkenntnisse des Ist-Soll Vergleichs können anschließend konkrete Maßnahmen pro Leistungsdimension erarbeitet (Schritt 3), priorisiert und umgesetzt werden (Schritt 4).

Schritt 1: Wie ist der Ist-Leistungszustand des eigenen Einkaufs?

Aus unserer Projekterfahrung kommt es vor, dass Einkaufsverantwortliche nur eine vage Vorstellung über den Leistungszustand des eigenen Einkaufs haben oder dazu neigen, die eigene Leistungsfähigkeit zu überschätzen. 
Entsprechend wichtig ist es, anhand klar definierter Leistungsdimensionen eine möglichst objektive und vergleichbare Bewertung des eigenen Einkaufs vorzunehmen.
Anhand folgender sieben Leistungskriterien lässt sich die Leistungsfähigkeit des Einkaufs messen:

Einkaufsziele und –strategien 

  • Sind Einkaufsziele und Strategiekonzepte klar definiert und dokumentiert?
  • Ist das Spannungsfeld zwischen Kosten und Qualität strategisch stringent mit den eigenen Unternehmenszielen verknüpft?
  • Sind Methoden im Einsatz, die Ziele und Strategien messbar machen und persönliche Verantwortungen und Zielvorgaben zuweisen (z.B. Einkaufs-Balance Score Card)?

Strategischer Einkaufsprozess 

  • Arbeitet Ihr Einkauf entlang eines strategischen Einkaufsprozesses?
  • Ist der Einkauf bei allen Beschaffungsvorgängen im Unternehmen involviert bzw. informiert?
  • Sind alle zu beschaffenden Güter und Dienstleistungen klar spezifiziert und werden diese regelmäßig aktualisiert/ überprüft und verbessert?
  • Werden regelmäßig Beschaffungsmarktanalysen durchgeführt, um alle Trends und Anbieter im Markt im Blick zu haben?
  • Existiert eine Systematik zur kontinuierlichen Überprüfung von Optimierungspotential in allen Warengruppen?
  • Werden regelmäßig und auf gleich hohem Qualitätsniveau Ausschreibungen durchgeführt und zur Generierung von Wettbewerb neue Anbieter miteinbezogen?
  • Sind der Freigabeprozess für die Aufgleisung neuer Lieferanten und der Vertragsanpassungsprozess für die Anpassung bestehender Verträge klar definiert und mit klaren Zeitvorgaben versehen?
  • Besteht ein definierter Prozess für welche vertraglichen Konstellationen die Rechtsabteilung zu involvieren ist und funktioniert dieser einwandfrei?

Bestellprozess 

  • Besteht ein definierter Prozess von der Bedarfsanforderung bis zum Zahlungseingang und wird die Qualität dieses Prozesses regelmäßig kontrolliert?
  • Ist der Bestellprozess weitestgehend automatisiert?
  • Ist der eigene Bestellprozess auf die Gesamtperformance der Supply Chain abgestimmt?

Lieferantenmanagement 

  • Besteht ein gesamtheitliches Lieferantenmanagementsystem?
  • Sind Lieferantenklassifikation, -bewertung und –entwicklung miteinander verzahnt?
  • Ist der Prozess (insbesondere die Bewertung) digital und zentral erfasst und gespeichert?
  • Erhalten die Lieferanten regelmäßiges Feedback auf Basis der Bewertungen inkl. Entwicklungsmaßnahmen?

Einkaufscontrolling 

  • Werden Einsparungen GuV orientiert gemessen und mit dem Controlling/Finanzbereich abgestimmt?
  • Werden klar definierte finanzielle und nicht finanzielle Kennzahlen verwendet?
  • Wird methodisch zwischen Kostenreduzierung und Kostenvermeidung unterschieden?
  • Werden die Einsparungen aus einer ‚Total Cost of Ownership‘ Perspektive gemessen?
  • Besteht im Unternehmen ein Savingstracking inkl. Härtegradanalyse der Einsparungen im Unternehmen?

IT-Unterstützung 

  • Wird der strategische und operative Einkaufsprozess durch IT Systeme unterstützt/optimiert?
  • Wird das Lieferantenmanagementsystem durch IT-Systeme unterstützt/optimiert?

Methodenentwicklung 

  • Werden die anzuwendenden Methoden im Rahmen des strategischen Einkaufsprozesses dokumentiert und wird deren Einhaltung überprüft?
  • Werden die anzuwendenden Methoden im Rahmen des Lieferantenmanagements dokumentiert und wird deren Einhaltung überprüft?

Im Rahmen der Ist-Analyse geht es primär darum, die vorgestellten Leistungsindikatoren bezogen auf den eigenen Einkauf zu bewerten.
Eine mögliche Skalierung ist die Aufteilung zwischen 1-4 (1=Leistungsindikator nicht ausgeprägt; 2= mittelmäßig ausgeprägt; 3=gut bis sehr ausgeprägt; 4=idealtypisch ausgeprägt).
Betrachtet man beispielsweise den Indikator Lieferantenmanagement, so lässt sich eine Einordnung wie folgt durchführen:
Werden die wichtigsten Lieferanten des Unternehmens nicht oder nur sporadisch klassifiziert und bewertet, so sollte diesem Kriterium eine 1 zugewiesen werden.
Werden hingegen die wichtigsten Lieferanten klassifiziert und bewertet, jedoch ohne eine einheitliche Systematik bzgl. der Bewertungskriterien und oder ohne (digitale) Dokumentation, so ergibt sich eine mittelmäßige Beurteilung mit einer 2.
Erfolgt die Bewertung hingegen regelmäßig, nach einer einheitlichen Systematik die alle relevanten Bewertungskriterien abdeckt und mit Kopplung an Entwicklungsmaßnahmen und (digitaler) Speicherung der Ergebnisse über einen Zeitraum, so lässt sich von einer guten bis sehr guten Leistung sprechen.
Existieren darüber hinaus noch weitere Methoden wie beispielsweise IT-Tools, mit denen Lieferantenbewertungen analysiert werden können oder fachbereichsübergreifenden Arbeitsgruppen zur Weiterentwicklung des Lieferantenmanagements so kann eine 4 vergeben werden.
Wichtig bei der Punktvergabe ist, eine einheitliche Methodik für alle Leistungsindikatoren anzuwenden. Eine Herangehensweise ist die Bewertung aus verschiedenen Perspektiven: Zum einen die Beratungsperspektive von außen, zum anderen die Unternehmensperspektive von innen. Hier empfiehlt es sich eine Bewertung der Einkaufsleitung, eines (strategischen) Einkaufsmitarbeiters und/oder einer Fachabteilung sowie der Geschäftsleitung des Unternehmens einzuholen. 
Ein gutes Zeichen ist es, wenn die Punktvergabe der einzelnen Akteure nah beieinander liegt – in der Praxis lässt sich jedoch oftmals genau das Gegenteil beobachten.
Häufig wird gerade von Seiten der Einkaufsleitung das eigene Stärkenprofil überbewertet und das eigene Schwächenprofil unterschätzt. Dies äußert sich beispielsweise dann, wenn Einkaufsabteilungen Ihren strategischen Einkaufsprozess mit einer 4 bewerten, die letzte durchgeführte Ausschreibung unter Wettbewerb jedoch bereits mehrere Jahre zurück liegt.  
Oftmals bildet letztendlich der Mittelwert pro Indikator aus allen Bewertungen des Ist-Zustands die Vergleichsbasis für den Soll-Zustand. Die Ermittlung ist mathematisch sehr einfach und grafisch meist über ein sog. Spinnwebdiagramm gut darstellbar (siehe Grafik 2).

Abbildung 2: Bewertung der Leistungsindikatoren aus drei verschiedenen Perspektiven

Schritt 2: Wie sieht der Soll-Leistungszustand des eigenen Einkaufs aus?

Nachdem der Ist-Zustand ermittelt wurde geht es darum, für jede erfasste Leistungsdimension aufzuzeigen, wie weit diese jeweils vom Soll-Zustand entfernt ist. 
Sind Ist- und Soll Zustand bei einem betrachteten Leistungsindikator identisch, so ist dieser bereits ideal ausgeprägt. Dass dies oftmals nicht der Fall ist, zeigt die Beratungserfahrung bei Kunden in verschiedenen Branchen, in denen externe Benchmarkings durchgeführt wurden. Dabei ist es egal, ob der Soll-Zustand im Sinne eines Idealzustands definiert wird oder anhand von Leistungsindikatoren anderer Marktteilnehmer, die im jeweiligen Bereich ‚Best Practice‘ darstellen, ermittelt wird.
Entscheidend ist vielmehr, dass bei den verantwortlich handelnden Personen im ‚gebenchmarkten‘ Unternehmen Einsicht über die identifizierten ‚Gaps‘ herrscht. Dies ist deshalb so wichtig, da ohne diese Einsicht seitens des Unternehmens keine Notwendigkeit gesehen wird, diese Lücken zu schließen. Um einem ‚Nicht-Handeln‘ vorzubeugen, sollten die Zahlen wie bereits bei der Ist-Analyse grafisch aufgearbeitet und in das bereits begonnene Spinnwebdiagramm eingefügt werden. Dies ermöglicht einen schnellen und übersichtlichen Vergleich zwischen Ist und Soll über alle betrachteten Leistungs-indikatoren hinweg (siehe Grafik 3).

Abbildung 3: Bewertung der Leistungsindikatoren aus Ist- und Soll-Perspektive

Schritt 3: Welche Maßnahmen zur Verbesserung lassen sich ableiten?

In den meisten Fällen empfiehlt sich zur Weiterentwicklung des eigenen Einkaufs die Devise ‚weniger ist mehr‘ – dies bedeutet sich auf wenige Maßnahmen zu konzentrieren, diese dann aber mit Entschlossenheit konsequent umzusetzen. Gerade Unternehmen, bei denen parallel viele weitere Projekte und Initiativen durchgeführt werden, welche den Einkauf ressourcenmäßig beanspruchen, sollten sich diese Devise zu Herzen nehmen.   
Die Entscheidung auf welche Leistungsindikatoren man sich fokussieren möchte, kann auf verschiedenen Wegen getroffen werden. Folgende Möglichkeiten zur Priorisierung von Leistungsindikatoren kommen hierbei häufig zum Tragen:

  • Die Geschäftsleitung wählt diese aus
  • Die Einkaufsleitung wählt diese aus
  • Die Einkaufsleitung entscheidet zusammen mit dem Einkaufsteam
  • Eine externe Beratung spricht eine (bindende) Empfehlung aus

Unabhängig von der Entscheidungsfindung empfehlen wir drei grundlegende Entscheidungshilfen zu beachten.

  1. Ordnen Sie Ihre Leistungslücken in eine 2x2 Matrix bestehend aus ‚Schnelligkeit der Umsetzung‘ und ‚Wirkungsgrad der Umsetzung‘ ein – Lücken, die (relativ) schnell geschlossen werden können und einen hohen Wirkungsgrad aufweisen haben Vorfahrt
     
  2. Beachten Sie die Grundregel: Die Schließung von Lücken von 1-4 hat in der Regel einen konkaven Verlauf – dies bedeutet, dass Verbesserungen auf niedrigem Niveau (von 1 auf 2 oder von 2 auf 3 deutlich leichter fallen werden als Erhöhungen auf hohem Niveau (von 3 auf 4). Die Schlussfolgerung sollte sein, sich zunächst mit seinen Schwächen zu befassen.
     
  3. Stehen Sie vor der Wahl zwischen zwei Leistungsindikatoren, die im Ist-Zustand gleich bewertet sind und deren ‚Gap‘ zum Soll-Zustand ebenfalls gleich groß ist, empfehlen wir eine Entscheidung anhand der strategischen Bedeutung des jeweiligen Leistungsindikators zu treffen. Das ‚goldene Dreieck‘ aus Einkaufszielen und Strategien sowie dem strategischen und operativen Einkaufsprozess sollte Vorrang haben vor allen anderen Leistungsindikatoren. Dies leuchtet meist ein, wenn man sich vor Augen führt, welchen Nutzen einem z.B. die ausgefeilteste Methodenentwicklung einbringt, wenn gleichzeitig die Einkaufsziele und –Strategien nicht mit der Unternehmensstrategie übereinstimmen.

Als Ergebnis können Sie mit diesen Entscheidungshilfen in relativ kurzer Zeit die geeignetsten Maßnahmen zur Verbesserung Ihrer Einkaufsabteilung herausfiltern (siehe Grafik 4)

Abbildung 4: Ausarbeitung von Maßnahmen auf Basis des Ist-Soll Vergleichs

Konkrete Maßnahmen im Bereich der Einkaufsziele und Strategien (1) können beispielsweise ‚customer of choice‘ Initiativen sein, bei denen daran gearbeitet wird, bei einer definierten Anzahl von Lieferanten als ‚A‘ Kunde gelistet zu sein. Im Bereich des strategischen Einkaufsprozesses (2) ist die regelmäßige Durchführung von Einkaufsmarktanalysen ein möglicher ‚Lückenschließer‘, während beim Einkaufscontrolling (3) die Messung und Dokumentation von Einkaufserfolgen, z.B. Kosteneinsparungen und Kostenvermeidungen, einen Verbesserungsansatz darstellt.

Schritt 4: Die Umsetzung der priorisierten Maßnahmen

Selbst die besten Maßnahmen bringen allerdings keinen Fortschritt, wenn Sie nicht angewendet und umgesetzt werden. Setzen Sie daher klare Prioritäten, Zeiträume und Verantwortlichkeiten pro beschlossener Maßnahme, um spürbar voran zu kommen.
Treffen Sie diesbezüglich auch eine Entscheidung, ob Sie die Maßnahme mittels des bereits vorhandenen Know-Hows aufbauen oder ob Sie sich externe Expertise einholen, um die Maßnahmen umzusetzen.
Zuletzt gilt es die umgesetzten Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen und Ihr firmenspezifisches Spinnwebdiagramm weiterzuentwickeln. 
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg dabei!