Verantwortung übernehmen!
7:30 Uhr vor dem HÖVELER HOLZMANN Büro. Noch etwas müde nehmen alle im Bus Platz, der uns zum Shuttle Service im Ahrtal bringen soll. Einige Brötchenhälften später steigen wir aus dem Bus und laufen vom Parkplatz in Richtung Shuttle Service.
An dem Tag haben sich nur wenige Helfer am Sammelplatz für die Shuttle Busse eingefunden. Ein Helfer, der das ganze Hilfsprojekt mit ins Leben gerufen hat, macht Ansagen durch ein Mikrofon und verteilt die Helfer:innen auf die Anfragen der Betroffenen, die über ihre Webseite reinkommen. Wir haben bereits einen festen Auftrag und stellen uns deswegen - anstatt in der Helferschlange - bei dem Aufsteller „Mayschoß“ an. Die Anfrage kommt von einem frewilligen Helfer. Er ist Bundeswehrsoldat und hilft seit drei Wochen ununterbrochen freiwillig im Ahrtal. Allein kümmert er sich unter anderem um einen großen Hotelkomplex in Mayschoß, den die Flut in einen verschlammten, unbewohnbaren Rohbau verwandelt hat. Wir müssen länger auf den Shuttle warten. Auch die Anzahl der freiwilligen Fahrer:innen ist knapp an dem Tag. Dann geht es los. Wir fahren durch Weinberge, an Dörfchen vorbei, immer tiefer hinein, in das Ahrtal.
Langsam werden die Straßen staubiger, die Straßen enger. Der Anblick, der sich links und rechts vom Bus auftut, ist nur schwer zu verdauen: Eingefallene Häuser, zerstörte Straßen und Brücken, Müllberge, schwere Einsatzfahrzeuge. Völlige Zerstörung, statt schöner Idylle.
Den letzten Kilometer vom Shuttle zu unserem Einsatzort laufen wir an der Ahr entlang, zum Hotel. Betroffenes Schweigen macht sich breit.
Unser Einsatzleiter sitzt auf einem Klappstuhl mitten zwischen Geröll und Schutt, als wir ankommen. Es ist schon 10:30 Uhr. Er wartet bereits seit 9:00 Uhr. Müde bleibt er sitzen und erklärt uns, was unsere Aufgabe sein wird, rappelt sich auf und begleitet uns „rein“ in das Gebäude. Der Keller des zum Hotel gehörigen Restaurants ist verschlammt. Der Schlamm muss in Eimer geschaufelt und diese mit einer Menschenkette und Schubladen rausgeschafft bzw. entsorgt werden. Wir werden mit Schutzbrillen, Handschuhen und FFP3 Masken ausgestattet. Die Gummistiefel, die wir am Shuttle bekommen haben, kommen zum Einsatz. Der Boden des Kellers ist mit einer ca. 40 cm dicken Schlammschicht bedeckt, der Keller riesig. Es geht los: Schippen, Eimer weiterreichen, Schubkarre wegbringen, schippen, Eimer weiterreichen, Schubkarre wegbringen.
In der Mittagspause gibt es Reis mit Kichererbsen und Gemüse, gekocht und ausgeteilt von einer muslimischen Gemeinde, als Spende. Der Einsatzleiter erzählt uns, dass er mit der gesamten Koordination alleingelassen wurde. Es kommen zwar immer wieder Leute vorbei, leider stellt sich jedoch oft heraus, dass sie lieber Fotos machen, anstatt zu helfen. Helfer:innen bekommt er kaum welche. Einige Helfergruppen gehen nach kurzer Zeit wieder, ohne sich zu verabschieden.
Als nach der Pause zwei von uns kurz fehlen, fragt er sofort nach, ob sie auch gegangen wären. Er steht unter starkem Stress. Der Schlamm beginnt zu trocknen und außerdem kann ohne Entschlammung die Entkernung nicht starten. Mehrere Pumpen haben bereits versagt, also ist Muskelkraft gefragt. Für uns ist die Arbeit ein großer Kraftakt. Vor allem scheint sie kein Ende zu nehmen. Wir müssen immer wieder Pausen machen und uns abwechseln.
Als wir uns kurz nach 17:00 Uhr auf den Weg zurück zum Shuttle machen, ist in den Kellerräumen, in denen wir waren, der Schlamm weg. Einige von uns sagen Dinge wie: „Wir haben da über mehrere Stunden mit über 15 Leuten (zwischendurch kamen drei weitere Helfer dazu) gearbeitet, in einem Haus, in einem Keller und sind nicht fertig geworden. Jetzt fahren wir nach Hause, mit dem Gefühl, es unfertig zurückzulassen.“ Die Arbeit fühlt sich schier endlos an. Es gibt noch so viel zu tun. Der Einsatzleiter hingegen ist sehr zufrieden mit uns und fragt mehrfach, ob wir am nächsten Tag nicht wiederkommen wollen. Für ihn ist ein sehr großer Schritt auf dem Weg zur nächsten Etappe geschafft. Gedanklich ist er nun wieder beim nächsten Tag: „Wie bekomme ich für morgen genug helfende Hände?“
Einer der beiden Shuttle, mit denen wir gefahren sind, lässt auf sich warten. Der Fahrer hat noch eine Tour und steckt anschließend in einem, durch eine langsam fahrende Walze verursachten Stau. Dadurch bleibt ein Teil der Gruppe noch in Mayschoß und bekommt Bier und Chili con Carne an einem Foodtruck mit Sitzbänken, während der andere Teil am Sammelplatz der Shuttles schon auf die anderen Helfer:innen getroffen ist und sich dort an den verschiedenen Ständen mit Essen und Trinken bedienen kann.
Erschöpft machen wir uns - später als mit dem Busunternehmen vereinbart - zurück auf den Weg nach Düsseldorf. Ein Helfertag im Ahrtal lehrt einem eben nicht nur viel, sondern verlangt einem auch einiges ab. Darunter unter anderem Geduld.