Immunkur gegen den Handelskrieg

Wie Sie sich günstige Binnenmarktkapazitäten langfristig sichern und vor Kostenexplosionen durch einen Handelskrieg schützen.

Die Situation

Die Luft auf der großen Bühne der Weltwirtschaft wird dünn. Der amerikanische Präsident verhängt Strafzölle, um die heimische Wirtschaft zu stärken. China bedient sich gleicher Mittel und erhebt seinerseits höhere Abgaben auf amerikanische Produkte. Der Begriff „Handelskrieg“ ist mittlerweile in aller Munde und viele internationale Unternehmen stellen sich auf eine Auseinandersetzung mit harten Bandagen ein. 

Die bisherigen Entwicklungen in der Zoll- und Handelspolitik trieben zunächst nur den internationalen Vertriebsabteilungen die Schweißperlen auf die Stirn. Was viele Unternehmen nicht in den Blick nehmen: Die globale Handelspolitik ist im Umbruch und stößt unaufhaltsam auch weitere Dominosteine an. Kommt es beispielsweise zu einer erschwerten Einfuhr in die USA und die Produktion geht im Ursprungsland unverändert weiter, werden verbleibende Märkte mit Dumping-Preisen überschwemmt. „Das müssen Sie sich vorstellen wie das Rhein-Delta: Wenn Sie einige Mündungsarme abklemmen, das Wasser aber nicht umleiten, dann fluten Sie verbleibende Wasserströme“ sagt Dr. Mirko Bayer, Experte für Markt- und Datenanalysen bei HÖVELER HOLZMANN CONSULTING. 

Um sich vor einer Flut von Dumping-Waren zu schützen, heben betroffene Länder Einfuhrzölle an, damit die Waren im Binnenmarkt konkurrenzfähig bleiben (z.B. Stahlrohre bestimmter Hersteller aus China). Demnach laufen hiesige importstarke Unternehmen bei Waren mit steigenden Importzöllen Gefahr, zu hohe Beschaffungskosten zu haben, wenn sie nicht rechtzeitig Alternativen qualifizieren, die aufgrund geringer Zollpreise aus einer Gesamtkostenperspektive günstiger sind. 

Steigende Importzölle bedeuten höhere Einkaufskosten

Häufig ist der Stückpreis das einzige Kostenkriterium im Einkauf. Wichtige Beschaffungsnebenkosten wie die Logistik oder Verzollung behandeln viele Unternehmen nur stiefmütterlich – ein Fehler, denn es können sich hohe Gesamtkosten ansammeln.

Abbildung 1: Zollschild (Foto: istockphoto.com/Detailfoto)

"Für viele global einkaufende Unternehmen kann der Gesamtbeschaffungspreis eines identischen (Binnen-)Produktes trotz höherer Stückpreise aufgrund steigender Beschaffungsnebenkosten eines Drittlandproduktes durch beispielsweise Zölle insgesamt günstiger sein" bestätigt auch Matthias Oldiges, Rechtsanwalt unseres Kooperationspartners der auf Umsatzsteuer und Zollrecht spezialisierten Kanzlei KÜFFNER MAUNZ LANGER ZUGMAIER. Um sinnvolle Alternativen zu identifizieren, müssen betroffene Unternehmen allerdings Risiken und Kosten richtig bewerten. Nur wer die richtigen Alternativen wählt, kann sich wichtige Wettbewerbsvorteile sichern.

Der Schlüssel zu einer vorausschauenden risikoabsichernden Sourcing-Strategie liegt in einer kombinierten Bewertung des zukünftigen Risikos auf (Straf-)zölle und der Bewertung des Konkurrenzdrucks auf günstigeren (Binnen-)Märkten. 

In der ersten Dimension bewerten Unternehmen die Gefahr höherer Einfuhr- und Strafzölle. Unter anderem steht hier im Mittelpunkt, wie viel Prozent der Menge des Ursprungsland-Exportes nun in anderen Märkten höher verzollt wird und wie viel günstiger die Produktion im Ursprungsland ist, als in der EU. Dadurch entsteht der Anreiz, die Überproduktion zu Dumpingpreisen auf andere Märkte zu verteilen, worauf andere Märkte ihrerseits mit Zollanhebungen reagieren könnten.

Die zweite Betrachtungsdimension: Die auf dem Binnenmarkt hergestellten Produkte sind unter Umständen nicht ausreichend, um den vollständigen Bedarf aller Unternehmen zu decken. Dadurch entsteht das Risiko einer Stückpreissteigerung im Binnenmarkt, der man durch frühzeitige langfristige Verträge entgegenwirken kann.   

Somit kann alternatives Binnen-Sourcing mit langfristigen und strategisch günstig gewählten Konditionen bei Verschärfung der internationalen Zollpolitik explodierenden Einkaufspreisen vorbeugen. Auch wenn ein Lieferantenwechsel nicht unmittelbar erfolgen muss: Haben Sie frühzeitig Alternativen identifiziert und bewertet, geht der „Sourcing-Switch“ nach einer Kostenexplosion schnell und Sie haben nicht nur Lieferausfällen vorgebeugt, sondern auch deutlich bessere Konditionen als langsamere Wettbewerber.

Kosten-Risiko-Matrix

Mithilfe einer Kosten-Risiko-Matrix können Unternehmen auf Basis relevanter Variablen die aktuelle Situation objektiv bewerten und individuelle Handlungsempfehlungen ableiten. Dazu werden die aktuellen Marktentwicklungen quantifiziert und das „Tool“ bewertet anhand der programmierten Parameter die aktuelle Situation:

  • Feld 1: Ist das Risiko höherer Zölle gering und der Konkurrenzdruck auf heimischen Märkten niedrig, reicht es, die Augen offen zu halten und durch Screening relevanter Kanäle frühzeitig zukünftige Entwicklungen zu erkennen.
  • Feld 2: Bei einem hohen Konkurrenzdruck auf den Binnenmärkten und einem niedrigen Risiko auf höhere Zölle, sollten Unternehmen letztere intensiv im Blick behalten. Ändert sich die Zollpolitik, müssen aufgrund des Konkurrenzdrucks frühzeitig Lieferanten identifiziert und qualifiziert werden. 
  • Feld 3: Bei einem hohen Risiko auf steigende Zölle und einem niedrigen Konkurrenzdruck ist es umgekehrt: Steigt der Konkurrenzdruck auf heimischen Märkten an, muss der Markt sofort und intensiv in den Blick genommen werden, um frühzeitig wichtige Kapazitäten zu sichern.
  • Feld 4: Sind beide Kennzahlen mit einem hohen Risiko verbunden, sollten betroffene Unternehmen sofort handeln und alternative Lieferanten identifizieren, qualifizieren und verhandeln, um bei explodierenden Gesamtkosten tagesaktuell zum Lieferanten zu wechseln, der aus Gesamtkostensicht am günstigsten ist. 
Abbildung 2: HHC Kosten-Risiko-Matrix

Fazit

Die Gefahr explodierender Beschaffungsnebenkosten durch einen Handelskrieg ist allgegenwärtig. Potenziell betroffene Unternehmen müssen das aber nicht einfach hinnehmen, sondern können sich mithilfe einer strategisch ausgerichteten Qualifizierung von Lieferanten aus dem Binnenmarkt schützen. Mithilfe einer Kosten-Risiko-Matrix können auf Basis quantitativer Faktoren die richtigen Alternativen gefunden und frühzeitig gesichert werden. Die Folge: Wer vorbereitet ist, hat im Falle einer Kostenexplosion die Nase vorn im Wettbewerb.