Unternehmen riskieren hohe Kapitalbindungskosten – Dr. Bernhard Höveler
Dr. Bernhard Höveler spricht im Interview mit dem Onlineportal Businesstalk über die Folgen des Lockdowns auf internationale Lieferketten und Maßnahmen zur Sicherung der Supply Chain.
Die Corona-Krise hat die Schwächen des Just-In-Time-Managements mit langen Lieferketten gezeigt. Welche Auswirkungen hatte der Lockdown auf Ihr Unternehmen bzw. Ihre Kunden?
Dr. Bernhard Höveler: Die Auswirkungen des Lockdowns haben alle Unternehmen zu spüren bekommen. Zum einem kam es durch Grenzschließungen, Schließungen von Produktionsanlagen, verspäteten Zollabfertigungen und unterbrochenen Lieferketten zu verspäteten bzw. im schlimmsten Fall zum Ausfall von Lieferungen. Eine weitere große Herausforderung für den Einkauf und die Supply Chain waren die veränderten Bedarfe auf die unverzüglich reagiert werden müsste, sei es das bekannte Beispiel des Toilettenpapiers im Handel aber auch der neue interne Bedarf von Hygieneprodukten, wie Desinfektionsgel und Mundschutz.
Welche kurzfristigen Maßnahmen im Supply-Chain-Management haben Sie aufgrund der Corona-Krise umgesetzt?
Dr. Bernhard Höveler: Eine kurzfristige Maßnahme, die wir gemeinsam mit unseren Kunden umgesetzt haben bzw. diesen empfohlen haben, war den aktuellen Sales- und Operationsprozess (S&OP*) auf Grund der geänderten Bedarfe zu hinterfragen. Bei einer Bedarfsplanung mit Unterstützung von mathematischen Prognoseverfahren konnten diese Strukturbrüche nicht so schnell erkannt werden, sodass auf manuelle Absatzplanung umgestiegen werden musste. Weiterhin ist der Fokus der S&OP Meeting von der langfristigen Planung auf die Sicherstellung der kurzfristigen Bedarfe gewechselt. Um die Lieferfähigkeit auch in der Krise sicherstellen, war ein wichtiger Schritt das Bestandsmanagement zu hinterfragen und für A-Artikel (hohe Verbrauch) und geringer Lieferfähigkeit die Bestände erhöht werden. Zudem war es wichtig auch das Personal darauf einzustellen, auf die Veränderten Situation schnell zu reagieren zu können. Hier half zum Beispiel ein klares Regelwerk für Disponenten, wie sie bei Lieferengpässen vorgehen sollten.
Werden Unternehmen in Zukunft auf höhere Lagerkapazitäten und kürzere Lieferketten setzen?
Dr. Bernhard Höveler: Nicht unbedingt – Unternehmen riskieren hohe Kapitalbindungskosten, wenn diese pauschal ihre Bestände erhöhen und ihre Lieferketten anpassen. Hier muss eine detaillierte Prüfung der gesamten Lieferkette erfolgen, um die Anfälligkeit der Lieferkette für Ausfallrisiken zu bewerten. Zudem muss eine Bewertung der strategischen Bedeutung der Warengruppen erfolgen. Auf Basis dieser Auswertung sollten individuell Maßnahmen definiert werden. So sollten für Artikel mit strategischer Bedeutung und hohen Verbrauch, deren Lieferkette ein hohes Ausfallrisiko aufweist die Sicherheitsbestände entsprechend angepasst werden.
Wird in Zukunft ein stärkerer Fokus auf nationale bzw. europäische Lieferanten gesetzt werden?
Dr. Bernhard Höveler: Der erste Instinkt könnte erst einmal sein, dass Unternehmen Produkte wieder lokal einkaufen wollen, um ihre Lieferketten zu verkürzen. Mittelfristig empfiehlt HHC dafür im ersten Schritt Analyse des Lieferantenportfolios durchzuführen, um zu identifizieren, wie viele Alternativlieferanten je Warengruppe aktuell vorhanden sind und von wo diese Lieferanten liefern, denn auch europäische Lieferanten haben teilweise ihre Produktionsstandorte außerhalb von Europa. Im zweiten Schritt können dann gezielt Fall-Back-Lösungen in Form von Alternativlieferanten aufgebaut werden. Zudem kann durch langfristige Partnerschaften mit den Lieferanten aufgebaut werden, um die Resilienz der Lieferkette sicherzustellen.
Wie stark ist der internationale Handel betroffen und werden die Auswirkungen auch langfristig bestehen bleiben?
Dr. Bernhard Höveler: Deutschland als Exportweltmeister benötigt wirtschaftlich starke Partner. Wir haben es mit einer globalen Krise zu tun. Insofern wird auch der internationale Handel in absehbarerer Zeit unter Druck geraten. Das heißt, die Investitionen in Ländern wie Spanien oder England, die von der Corona-Krise stark getroffen wurden, werden deutlich zurückgehen. Das hemmt die Dynamik des gesamten internationalen Handels.
Wie kann die Politik unterstützen, um Lieferketten auch in Krisenzeiten aufrechtzuerhalten?
Dr. Bernhard Höveler: Die internationale Politik kann besonders ein koordiniertes Vorgehen unterstützen, um Alleingänge zu vermeiden und gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen. Auch der gemeinsame Abbau von Handelshemmnissen kann durch die internationale Politik gestärkt werden und so die Lieferketten entlasten. Auf nationaler Ebene kann die Politik zielgerichtet unter Druck geratene Branchen mit einzelnen Maßnahmen entlasten. So wie in Deutschland derzeit in der Metallindustrie die Vier-Tage-Woche diskutiert wird.
Herr Dr. Höveler, vielen Dank für das Gespräch.
*Sales & Operations Planning ist ein zu etablierender Regelprozess im Unternehmen, um Absatz (Nachfrage) und Kapazitäten (Angebot) auf allen Ebenen (z.B. Produktion, Logistik, Einkauf) in Einklang zu bringen.
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