Sales and Operations Planning in der Chemieindustrie: 10 Praktiker-Tipps für Ihren S&OP-Prozess
Der Sales and Operation Planning-Prozess (S&OP-Prozess) stellt schon lange einen wesentlichen Faktor für den Unternehmenserfolg dar. Er vernetzt den Vertrieb mit anderen operativen Abteilungen wie Einkauf, Produktion und Logistik, da die Absatzplanung die Grundlage der gemeinsamen Kapazitätsplanung bildet. Mittelständische Unternehmen in der Chemieindustrie sehen sich zunehmender Komplexität aufgrund der eigenen Innovationskraft, zunehmender Internationalisierung und der Digitalisierung konfrontiert. Daher ist die Einführung bzw. kontinuierliche Weiterentwicklung des S&OP-Prozesses unerlässlich.
1. Stellen Sie sicher, dass alle Abteilungen ein einheitliches Verständnis des Sales and Operations Planning-Prozesses haben
Zunächst sollte allen Beteiligten die Definition des S&OP-Prozesses klar sein und dies auch im Unternehmen kommuniziert werden. Der S&OP-Prozess ist ein monatlich durchzuführender Prozess zur abteilungsübergreifenden Unternehmenssteuerung. Dabei werden eine Absatzplanung, eine Beschaffungsplanung und Ressourcenplanung, eine Lieferplanung sowie eine Kapazitätsplanung durchgeführt. Die einheitliche Definition des S&OP-Prozesses im Unternehmen ist deshalb wichtig, da verschiedene Abteilungen oftmals unterschiedliche Vorstellungen vom S&OP-Prozess haben. So kann der Vertrieb den Prozess beispielsweise als reine Absatzplanung definieren. Eine Absatzplanung ist zwar wesentlicher Bestandteil des S&OP-Prozesses, allerdings wird in diesem Fall nur die Nachfrageperspektive und nicht die Angebotsperspektive (z.B. Produktionskapazitäten) abgedeckt.
2. Kommunizieren Sie klar die Ziele des Sales and Operations Planning-Prozesses
Durch die Einführung eines S&OP-Prozesses sollen regelmäßig fünf Ziele erreicht werden:
- Warenströme planen und steuern: Der Zweck des S&OP-Prozesses ist die effektive Steuerung der Warenströme im Unternehmen mit dem Ziel, die Kunden unter geringstmöglichem Einsatz von Ressourcen bestmöglich zu bedienen.
- Kommunikation zwischen Abteilungen verbessern: Ein ganz wesentlicher Faktor einer erfolgreichen Planung im Unternehmen ist die Kommunikation zwischen den Abteilungen. Mitarbeiter schauen häufig nur bis zur Abteilungsgrenze und sind im Abteilungsdenken verhaftet, da individuelle und Abteilungsziele oftmals entsprechend ausgerichtet sind.
- Kapazitätsangebot und -nachfrage in Einklang bringen: Der Vertrieb hat sein Hauptaugenmerk auf dem Verkauf (das soll er auch). Allerdings ist es problematisch, wenn Produkte oder Dienstleistungen verkauft werden, obwohl das Unternehmen nur begrenzt lieferfähig ist. Daher ist für eine optimale Lieferperformance die Abstimmung der Abteilungen untereinander essenziell, damit immer im Gesamtoptimum des Unternehmens entschieden werden kann.
- Realisierbaren Plan ausarbeiten: Am Ende des S&OP-Prozesses sollte ein realisierbarer operativer Maßnahmenplan vorhanden sein, der sowohl die Kapazität als auch die Nachfrage berücksichtigt. Dabei ist zum Beispiel wichtig, nicht mit der theoretisch maximalen Produktionskapazität zu kalkulieren, sondern eine realistische Kapazität als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.
- Transparenz schaffen: Neben der Erstellung eines operativen Plans sollten aktuelle Informationen und Leistungskennzahlen kommuniziert werden. Dies können zum Beispiel die Lagerbestandsentwicklung, Lieferfähigkeit oder Produktionsleistungskennzahlen sein. Das hilft dabei den Informationsfluss zwischen den Abteilungen zu verbessern, und vermeidet die Verbreitung von falschen oder unvollständigen Informationen im Unternehmen
3. Definieren Sie stringent den Ablauf des Sales ans Operations Planning -Prozesses
Die Durchlaufzeit des S&OP-Prozesses beträgt in der Regel einen Monat. Aufgrund des langen Zeitraums ist für einen effektiveren Ablauf die Festlegung eines strukturierten S&OP-Prozesses notwendig. Zunächst sollten die Schritte und die jeweiligen Aktivitäten festgelegt werden. Neben der Festlegung der Verantwortlichkeiten je Aktivität und deren Vertretungen, ist es auch wichtig, dass die Durchlaufzeit sowie Start- und Endzeitpunkt jeder Aktivität definiert sind. Damit der Ablauf unabhängig vom Monat und der Lage von Arbeitstagen ist, sollten die Zeitpunkte anhand von Arbeitstagen festgelegt werden. Durch deren klare Vorgabe entsteht eine Verbindlichkeit bei den Verantwortlichen. Ein beispielhafter S&OP-Prozess ist in Abb. 1 dargestellt. Dabei ist wichtig, den Prozess nicht 1:1 auf ein Unternehmen zu übertragen, sondern diesen entsprechend auf die unternehmensabhängigen Bedingungen anzupassen. Die Dauer der einzelnen Schritte ist z.B. abhängig davon, wie komplex der Vertrieb ist (z.B. Artikel- oder Kundenanzahl).
4. Lassen Sie den Forecast durch die am besten geeignete Abteilung anpassen
Nach der Berechnung des Forecasts durch verschiedene mathematische Modelle ist der Forecast noch durch Mitarbeiter zu überprüfen und ggfs. zu überarbeiten. Dabei ist wichtig, den richtigen Verantwortlichen (Abteilungen) auszuwählen, namentlich die Abteilung, die die Nachfrage von Kundenseite am besten einschätzen kann. Welche Abteilungen zu involvieren sind, ist letztendlich vom Unternehmen abhängig. Bei vertriebsorientierten Unternehmen ist häufig der Vertriebsaußendienst am besten geeignet. Allerdings ist z.B. bei der Spezialchemie, mit einer hohen Anzahl von Kunden, durchaus der Vertriebsinnendienst für eine Überprüfung der Vertriebsprognose geeignet, da dieser bei der Bearbeitung von Aufträgen häufig Kontakt nicht nur mit A-, sondern auch mit B- und C-Kunden hat.
5. Führen Sie das Meeting für Ihr Sales and Operations Planning monatlich durch
Das S&OP-Meeting ist ein wichtiger Teil des S&OP-Prozesses. Es findet meistens in der dritten oder vierten Kalenderwoche eines Monats statt. In der praktischen Umsetzung werden idealerweise alle zwölf Termine für ein Jahr im Voraus organisiert, damit sich jeder Teilnehmer auf das S&OP-Meeting einstellen kann und eine Verbindlichkeit entsteht. Häufig ist dies das wichtigste operative Meeting im Unternehmen, denn hier laufen alle Informationsflüsse zusammen. Daher sollten auch die für die operative Abwicklung wichtigsten Abteilungen beteiligt sein. Welche Abteilungen notwendig sind, ist von zwei Faktoren abhängig: Stellt die Kapazität der Abteilung einen Engpass dar und können die Informationen der Abteilung zu einem besseren Abgleich zwischen Angebot und Nachfrage führen? In der Chemieindustrie ist beispielsweise die Produktionsplanung zentral, da Produkte nur anhand einer bestimmten Produktionsreihenfolge ohne Reinigungsaufwand (Produktionsmatrix) produziert werden können und somit die Produktionsplanung stark kapazitätsbeeinflussend wirkt.
Nr. | Abteilung/Funktion | Typ |
---|---|---|
1 | Absatzplanung | Kernabteilung |
2 | Controlling | Kernabteilung |
3 | Einkauf | Kernabteilung |
4 | Geschäftsführer/Vorstand | Kernabteilung |
5 | Lager | Zusatzabteilung |
6 | Logistik | Zusatzabteilung |
7 | Marketing | Zusatzabteilung |
8 | Produktion | Zusatzabteilung |
9 | Produktionsplanung | Kernabteilung |
10 | Produktionsmanagement | Zusatzabteilung |
11 | Supply Chain Management | Kernabteilung |
12 | Vertriebsaußendienst | Kernabteilung |
13 | Vertriebsinnendienst | Zusatzabteilung |
6. Strukturieren Sie die Agenda des S&OP-Meeting immer einheitlich
Um das S&OP-Meeting so effizient wie möglich durchzuführen und sich nicht mit administrativen Dingen in der Vorbereitung aufzuhalten, ist eine standardisierte Präsentationsunterlage zu erstellen, die in jedem Meeting identisch ist. Ein S&OP-Meeting ist normalerweise in drei große Themenblöcke unterteilt:
- Besprechung offener To Dos des letzten S&OP-Meetings und Top-Themen aus dem operativen Geschäft (z.B. Produktneueinführung).
- Präsentation der Leistungskennzahlen von jedem anwesenden Fachbereich, um den Leistungsstand zu kommunizieren und Probleme des vergangenen Monats anzusprechen.
- Präsentation und Verabschiedung des Forecasts unter Berücksichtigung der vorhandenen Kapazitäten.
Eine standardisierte Unterlage führt nicht nur zu geringem Vorbereitungsaufwand, sondern hat auch einen Wiedererkennungswert bei den Beteiligten und schafft somit Akzeptanz. Neben der Präsentationunterlage kann es auch eine standardisierte Vorlage für ein Protokoll geben.
7. Definieren Sie im Sales and Operations Planning Meeting die erforderlichen Kennzahlen einheitlich und eindeutig
Im S&OP-Meeting sollten einige Kennzahlen präsentiert werden, um die Performance aller operativen Abteilungen im Unternehmen zu kommunizieren. Idealerweise sind alle Kennzahlen für die Präsentation inklusive deren grafischer Darstellung standardisiert. Dies können beispielsweise Lieferquoten, Produktions- und Lieferperformance, Ressourcennutzung oder Lagerreichweiten sein. Wichtig ist, dass die Kennzahlen unternehmens- bzw. branchenspezifisch definiert sind. So sind zum Beispiel für die Spezialchemie häufig die Produktionsmengen und -qualitäten aufgrund leicht unterschiedlicher Spezifikationen der Rohmaterialen schwankend. Den Detailgrad der Kennzahl (z.B. Kennzahlen je Produktgruppe oder Standort) oder die zeitliche Perspektive der Kennzahlen (z.B. drei oder sechs Monate rückwirkend/vorrausschauend) ist ebenfalls individuell nach Unternehmensbedarf festzulegen. Eine Liste von möglichen Kennzahlen ist in Abb. 3 enthalten. Wichtig ist das identische Reporting in jedem S&OP-Meeting, damit Entwicklungen im Zeitablauf erkennbar werden.
Nr. | Bereich | Kennzahl (Auszug) |
---|---|---|
1 | Bestandsentwicklung | Lagerberstandswert Lagerauslastung |
2 | Forecast | Geplante Verkaufsmenge Aktuelle Bestandsreichweiten |
3 | Lieferfähigkeit | Auslieferquote Bestätigungsquote |
4 | Produktionsperformance | Produktionsauslastung Produzierte Menge |
5 | Prognosegüten | MAPE (Mean Average Percentage Error) Tracking Signal |
8. Legen Sie beim Sales and Operations Planning den Fokus auf Engpässe
Der operative Ablauf von Unternehmen ist in der Regel äußerst umfangreich und komplex. Eine effektive Planung und Steuerung im S&OP-Prozess für alle Prozesse ist daher nahezu unmöglich. Deshalb sollten nur Themen besprochen werden, die von der Norm abweichen oder bei denen es Herausforderungen gibt. Zum Beispiel sind Engpässe in der Produktion Themen, die besprochen werden. Das so genannte „Management by Exceptions“ hat sich in der Praxis bewährt. Diese Richtlinie kann nicht nur bei der Themenauswahl im S&OP-Meeting zu Rate gezogen werden, sondern auch bei der Auswahl der Meeting-Teilnehmer und der Kennzahldefinition. Wenn zum Beispiel, wie teilweise in der Chemieindustrie, Rohstoffengpässe im Markt herrschen, sollte die Verfügbarkeit regelmäßig besprochen werden und ggf. Maßnahmen zur Prozessoptimierung abgeleitet werden.
9. Treffen Sie im S&OP-Meeting Entscheidungen - dafür ist es da
Ein guter Forecast und strukturierter Prozess bilden die Grundlage für eine effektive Steuerung. Da im S&OP-Meeting alle relevanten Abteilungen an einem Tisch sitzen, sollten Entscheidungen direkt getroffen und nicht vertagt werden. Damit dies funktioniert, ist es wichtig, dass Personen mit ausreichend Entscheidungskompetenz am S&OP-Meeting teilnehmen, wie z.B. Bereichsleiter oder Direktoren. Bei mittelständischen Unternehmen kann auch das Top Management in Form der Geschäftsführung oder des Vorstandes anwesend sein. Dabei gilt das Prinzip „eine Zahl, eine Wahrheit“. Das bedeutet, dass die im Meeting festlegenden Entscheidungen und abgestimmten Zahlen bindend für alle Abteilungen sind. Auf dieser Grundlage können die Abteilungsverantwortlichen ihre weiteren Entscheidungen treffen. Sollte es beispielsweise aufgrund einer Erhöhung der Nachfrage notwendig sein, die Produktionskapazität zu erhöhen, kann die Produktionsleitung auf Basis der abgestimmten Zahl eine Erhöhung der Produktionsschichten anordnen.
10. Unterstützen Sie den Sales and Operations Planning -Prozess durch leistungsstarke IT
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Durchführung des S&OP-Prozesses ist die Prozesstreue. Nur wenn die Beteiligten sowohl den Zeitplan als auch den Ablauf einhalten, kann der S&OP-Prozess nachhaltig im Unternehmen etabliert werden. Um die Prozesstreue zu gewährleisten, sollte dieser IT-unterstützt durchgeführt werden. Das heißt konkret, dass der Prozess in den EDV-Systemen abgebildet ist und die involvierten Personen den S&OP-Prozess entsprechend begleiten können. Zum Beispiel können Aufgaben als erledigt markiert und der nächste Prozessschritt einleitet werden. Zusätzlich können beispielsweise automatisch Aufgaben oder Erinnerungen in die Kalender der verantwortlichen Person eingestellt werden.