Schutz vor Überhitzung - Wer Rohstoffe geschickt einkauft, kann Preisschwankungen besser auffangen.
Enge Zusammenarbeit zwischen Einkauf, Produktion und Vertrieb sollte selbstverständlich sein – doch im Mittelstand ist sie oft verbesserungsfähig, sagt Bernhard Höveler, geschäftsführender Gesellschafter von HÖVELER HOLZMANN CONSULTING in Düsseldorf: „Typisch ist, dass es keine strategische Ausrichtung gibt, sondern der Einkauf einfach das Tagesgeschäft abdeckt.“
Eine Tonne Magnesium für über 6000 US-Dollar – der hessische Gießereibetrieb Fritz Winter litt 1995 und 2008 unter den in die Höhe geschossenen Rohstoffpreisen. Die Gießer brauchen Magnesium, um Flüssigeisen zu entschwefeln. Auch wenn der Magnesiumpreis zuletzt deutlich sank: Die Preisausschläge blieben in Erinnerung. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Duisburg-Essen erprobt der Betrieb nun ein Entschwefelungsverfahren mit billigerem Kalk. „Es geht vor allem darum, die Abhängigkeit von einzelnen Rohstoffen zu reduzieren“, sagt Finanzchef Guntram Danne.
Wo es geht, stellt sich das Unternehmen auf wechselnde Materialien ein, sagt Danne: „Es kommt beispielsweise vor, dass es sich für uns lohnt, Roheisen statt Blechpakete einzukaufen. Dann fahren wir einen leicht angepassten Prozess.“ Ähnliches gilt für Gießereikoks – je nach Marktlage werden andere Stoffe im Schmelzofen beigemischt. Auch mit Kniffen wie diesen will das Familienunternehmen, das die Automobilindustrie beliefert, trotz hoher Energiekosten international konkurrenzfähig bleiben.
Diesen Weitblick gibt es nicht bei allen Unternehmen, wie eine Studie der Einkaufsberatung Inverto zeigt. Demnach wiegen sich viele Unternehmen wegen der derzeit tendenziell stagnierenden Rohstoffpreise in einer zweifelhaften Sicherheit: Nur wenige der befragten Einkaufsmanager und Finanzchefs erwarten starke Preisanstiege, auch an große Schwankungen glaubt nur eine Minderheit. Aus Sicht der Experten ist das blauäugig: Die Rohstoffmärkte seien nach wie vor zyklisch und volatil. Unternehmen täten deswegen gut daran, ihr Risikomanagement zu verbessern.
Ein klassisches Instrument sind Termingeschäfte und Kaufoptionen. Dabei sichern sich Unternehmen bei Lieferanten oder Banken aktuelle Preise für die künftige Produktion. Die Möglichkeit nutzt auch Gießereimanager Danne – warnt aber davor, alleine auf steigende Preise zu setzen: „Die Annahme, dass der Einkauf heute günstiger ist als morgen, stimmt nicht immer.“
Um schneller auf Schwankungen reagieren zu können, hat die Gießerei an den internen Prozessen geschraubt: Aufgeteilt nach Teams treffen sich nun Mitarbeiter verschiedener Abteilungen regelmäßig, um die Marktentwicklungen bei Stahlschrott, Koks, Metalllegierungen und Zusatzstoffen zu diskutieren. Abhängig von Preissituation und Verkaufsprognosen entscheiden sie über die Einkaufsmengen.
Enge Zusammenarbeit zwischen Einkauf, Produktion und Vertrieb sollte selbstverständlich sein...
...doch im Mittelstand ist sie oft verbesserungsfähig, sagt Bernhard Höveler, geschäftsführender Gesellschafter von HÖVELER HOLZMANN CONSULTING in Düsseldorf: „Typisch ist, dass es keine strategische Ausrichtung gibt, sondern der Einkauf einfach das Tagesgeschäft abdeckt.“ Die Ursache sei nicht allein eine dünne Personaldecke, oft habe der Einkauf auch einen zu geringen Stellenwert: „Meist gibt die Produktion oder Entwicklung die Marschrichtung vor, und die Einkäufer bestellen eben.“ Besser sei es, sie schon bei der Produktentwicklung einzubeziehen – und teure Rohstoffe von Anfang an zu meiden.
Auch bei bestehenden Produkten stellt HÖVELER HOLZMANN CONSULTING häufig Optimierungsmöglichkeiten hinsichtlich des Materialeinsatzes fest – Beispiel Stahl: „Es gibt über 3000 Stähle mit unterschiedlichen Eigenschaften. Oft kann man eine günstigere Variante verwenden, ohne dass es zu Qualitätseinbußen kommt.“ Die Spezifikationsoptimierung ist nach Hövelers Ansicht für Mittelständler der einzige Weg, um steigenden Stahlpreisen zu begegnen. Zumal sie mit mit ihren geringen Einkaufsvolumina keine Chance haben, bei großen Produzenten Preisnachlässe zu erreichen.
Auch der Staat hilft, Risiken in den Griff zu bekommen.
So fördert das Bundeswirtschaftsministeriums Beratungsleistungen, die darauf abzielen, den Rohstoff- und Materialeinsatz zu verringern. Zu den Teilnehmern des Programms „go-effizient“ gehört der Leuchtenhersteller Rudolf Zimmermann Bamberg. Mit Beraterhilfe hat RZB ein Baukastenprinzip entwickelt: Die Leuchten werden nun aus meist standardisierten Teilen gebaut. Zudem wurden die Blechdicken optimiert. Im Ergebnis konnten die Kosten für Bleche und Kunststoffe um ein Fünftel reduziert werden.
Ein solches Sparpotenzial auf Materialseite dürfte eher die Ausnahme sein. Da hilft es, sich auf klassische Einkaufstugenden zu besinnen, sagt Höveler. „Wer lange Zeit ungeprüft beim gleichen Lieferanten einkauft, verschenkt Geld.“ Vernachlässigt werde vor allem die Möglichkeit, sich auch im Ausland mit Rohstoffen einzudecken. So liegen die Preise in Asien oft niedriger. Freilich bringt ein Übersee-Deal ein neues Risiko mit sich, das abgesichert werden sollte: die Transportkosten. Sie sind teils noch unkalkulierbarer als die Rohstoffpreise.