Sofortprogramm für Supply Chains der Konsumgüterindustrie in der Corona-Krise


In der Corona-Krise wird wieder deutlich: Die Konsumgüterindustrie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland. Im Unterschied zu anderen Branchen hat es dieser Industriezweig jetzt mit zwei wesentlichen Herausforderungen gleichzeitig zu tun. Zum einen brechen ganze Geschäftsbereiche (z.B. der Foodservice oder der Export) ein, zum anderen steigen aufgrund von Hamsterkäufen die Absätze mit bestimmten Sortimenten (z.B. Konserven, Nudeln oder Hygienepapieren) oder in bestimmten Vertriebsschienen wie dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) oder auch dem E-Commerce deutlich an.
 

Das nachfolgende Sofortprogramm zeigt, welche Maßnahmen das Supply Chain Management (SCM) während der Corona-Pandemie unmittelbar prüfen und durchführen sollte.

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1. Sales & Operations Planning (S&OP) Prozesse hinterfragen

Sollten S&OP-Prozesse und S&OP-Meeting noch nicht etabliert sein, bietet die Corona-Pandemie einen Anlass dies gemeinsam mit den Key-Stakeholdern kurzfristig nachzuholen, da alle Beteiligte unmittelbare Profiteure der Einführung von S&OP sein werden. In diesem Fall können über eine zielgerichtete und pragmatische Aufbereitung bestehender Daten und Reports mit relativ kleinem Aufwand bereits ein erheblicher Effekt auf die Flexibilität und Kommunikation im Unternehmen erzielt und Optimierungspotentiale gehoben werden. Sind der Sales and Operations Planning-Prozess und das S&OP-Meeting bereits etabliert und fester Bestandteil im operativen Ablauf, sollten als Reaktion auf eine Krisensituation die bestehenden Strukturen und Zeitabläufe des S&OP-Prozesses sowie die Inhalte des S&OP Meetings auf das Wesentliche fokussiert werden.

Hierbei kann beispielweise zur Erhöhung der Agilität der Supply Chain ein monatlicher S&OP-Rhythmus auf einen temporär wöchentlichen Zyklus umgestellt werden, um auf besonders dynamische Entwicklungen kurzfristig zu reagieren. In Bezug auf das Sales and Operation Planning-Meeting sollte die Standard-Agenda kritisch gewürdigt und auf die aktuelle Situation maßgeschneidert angepasst werden. In diesem Zusammenhang kann es sinnvoll sein, ein sonst durchaus sinnvolles Review von Planungsqualitäten in verschiedenen Prozessstufen und Dimensionen zu verkürzen oder gar zu streichen und andererseits das Initiieren, Umsetzen und Nachhalten von Sofortmaßnahmen als Reaktion auf die Krisensituation mit in das Programm aufzunehmen.

Das S&OP Meeting sollte insbesondere in Zeiten von großer Unsicherheit als SCM-Plattform genutzt werden, um kurzfristige Sofortmaßnahmen am Tisch zu beschließen und über die Meeting-Struktur in kurzen Intervallen nachzuhalten und voranzutreiben. Ein Auszug möglicher Sofortmaßnahmen, welche auch im S&OP-Meeting Berücksichtigung finden können, sind in den nächsten Punkten beschrieben.
 

2. Ergebnisse mathematischer Absatzprognosen infrage stellen

Viele Unternehmen der Konsumgüterindustrie setzen IT-gestützte mathematische Prognoseverfahren ein. Die Tools erkennen Muster, die in den Absatzverläufen einzelner Artikel oder Artikelgruppen in der Vergangenheit aufgetreten sind, z.B. einen Trend, einen Lebenszyklus oder eine Saisonalität, und schreiben diese Muster in die Zukunft fort. In Umbruchzeiten wie diesen sorgen allerdings sogenannte Strukturbrüche dafür, dass die Vergangenheit nicht mehr einfach fortgeschrieben werden kann. Mit modernen Algorithmen ist eine gute Prognosesoftware zwar in der Lage, auch mit Strukturbrüchen umzugehen, allerdings müssen diese von der Software auch als solche erkannt werden. In der Konsequenz sollten Unternehmen daher die Ergebnisse mathematischer Prognosen in der aktuellen Situation kritisch hinterfragen und versuchen herauszufinden, ob Strukturbrüche als solche erkannt und verarbeitet wurden. Sollte dies nicht der Fall ein, ist in den meisten Fällen eine temporär händische Absatzplanung durch den Vertrieb vorzuziehen.
 

3. Bestandsmanagement bei Roh- Hilfs- und Betriebsstoffen überprüfen

Das Bestandsmanagement von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (RHB) sollte hinsichtlich der Krisensituation unmittelbar überprüft und adaptiert werden. In diesem Zusammenhang gilt es vormals vorgenommene Klassifizierungslogiken zu überarbeiten und insbesondere hieraus abgeleitete Maßnahmen und Sicherheitsbestände kurzfristig auf den Prüfstand zu stellen.

Die klassische ABC-Analyse sollte nach der Verbrauchsemenge überarbeitet werden und um eine zusätzliche sinnvolle Dimension erweitert werden. Bei der vielfach angewandten Dimension der Vergangenheitsverbräuche sollte eine Überprüfung stattfinden, ob vergangene Verbrauchsmengen noch zuverlässig herangezogen werden können oder ob die Klassifizierung besser auf Planverbrauchsmengen umgestellt wird. Dies ist notwendig, wenn sich die Nachfrage nicht nur prozentual, sondern auch ungleichmäßig über das Sortiment verändert. Eine zweite XYZ-Dimension kann beispielsweise nach Lieferfähigkeit der Materialien und entsprechenden Lieferanten geclustert werden, wobei ein X-Artikel sich durch eine hohe Lieferfähigkeit und ein Z-Artikel sich andererseits durch eine niedrige Lieferfähigkeit auszeichnet. Die Lieferfähigkeit sollte hierbei einmal die Termintreue sowie die Mengentreue berücksichtigen. Im Ergebnis der zweidimensionalen Bestandsklassifizierung ergeben sich neun Kategorien, für welche sich auf die Krisensituation angepasste, unterschiedliche Bestandsstrategien und Maßnahmen sowie entsprechende Sicherheitsbestände ableiten lassen. Im Folgenden sind beispielhaft für drei der neun Kategorien Maßnahmen beschrieben:

  • AX-Material mit hohem Verbrauch und hoher Lieferfähigkeit: Materialien in der AX-Kategorie mit hohem Verbrauch und einer hohen Bedeutung für die Produktion der zugehörigen Fertigwaren sollten auch bei hoher Lieferfähigkeit über moderate Sicherheitsbestände abgedeckt werden. Allgemein erscheinen Materialien dieser Kategorie vorerst wenig kritisch, sodass keine unmittelbaren Sofortnahmen notwendig sein müssen. Wichtig ist es jedoch, die aktuell hohe Lieferfähigkeit kontinuierlich zu beobachten und bei kleinsten Unregelmäßigkeiten auf eine Verschiebung in die AY- oder AZ-Kategorie gefasst zu sein.
     
  • AZ-Material mit hohem Verbrauch und niedriger Lieferfähigkeit: Materialien in der AZ-Kategorie mit hohem Verbrauch und einer hohen Bedeutung für die Produktion der zugehörigen Fertigwaren bekommen in Kombination mit einer niedrigen Lieferfähigkeit eine besondere Aufmerksamkeit. Bei diesen Materialien sollten die Sicherheitsbestände unmittelbar erhöht werden, um eine ausreichende Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Weitere Sofortmaßnahmen sind die Identifikation von alternativen Lieferquellen und im Zweifel eine umfassende Lieferantenmarktanalyse, um weitere Bezugsquellen aufschalten zu können.
     
  • CZ-Material mit niedrigem Verbrauch und niedriger Lieferfähigkeit: Bei Materialien in der CZ-Kategorie mit niedrigem Verbrauch und niedriger Lieferfähigkeit ist es wichtig vorab zu differenzieren, ob der niedrige Verbrauch auch mit einer geringen Bedeutung für die Produktion der aktuell notwendigen Fertigwaren einhergeht oder ob das betrachtete Material mit einem geringen Anteil in zahlreichen Fertigwaren von aktuell ggf. sogar steigender Nachfrage gebraucht wird. In diesem Fall werden die Sicherheitsbestände systematisch erhöht und parallel wiederum alternative Bezugsquellen identifiziert und aufgeschaltet, um die Versorgungsicherheit bestmöglich sicherzustellen.
     

​​​​​​​Um das Bestandsmanagement der RHB-Materialien schnell und zuverlässig auf neue Erfordernisse einzustellen, ist neben den beschriebenen Methodiken und Maßnahmen ebenso eine intensive Kommunikation zwischen dem Einkauf und weiteren Abteilungen (insb. Vertrieb, Produktionsplanung und Logistik) notwendig, wozu das nun wöchentlich durchgeführte S&OP-Meeting  (siehe Punkt 1) gut genutzt werden kann.
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4. Produktionslosgrößen kontinuierlich kalibrieren

Ein gut aufgesetztes Losgrößenmodell ist typischerweise auf Optimierung der Gesamtkosten ausgelegt und berücksichtigt hierbei alle operativen Restriktionen. Während der Corona-Pandemie mit sich ständig ändernden Einflüssen müssen alle Einflussfaktoren im Supply Chain Management dynamisch angepasst werden:

  • Rüstkosten und Lagerkosten: Im kostenoptimierten Losgrößenmodell ergeben sich die Rüstkosten vereinfacht aus den Rüstzeiten in Produktion und Qualitätssicherung (QS) sowie rüstabhängigen Materialverlusten. Die Losgrößenbestände ergeben in Verbindung mit Bewegungs- und Bestandkosten die Lagerkosten des Losgrößenmodells. Bei hohen Produktionslosgrößen reduzieren sich demnach aufgrund weniger Rüstvorgänge die Rüstkosten, wohingegen die Lagerkosten steigen und umgekehrt. In einer Krisensituation sollten zur reinen Kostenperspektive weitere Dimensionen im Kontext der Krise berücksichtigt werden, wie beispielsweise:
     
  • Produktionskapazitäten: Bei einer Erhöhung der Produktionslosgrößen sinken nicht nur die Rüstkosten, sondern steigen auch die Produktionskapazitäten einer Produktionsanlage. Dies kann in einer Situation mit erhöhter Nachfrage der Sortimente ausgenutzt werden. Durch die Umstellung auf höhere Produktionslosgrößen von verstärkt nachgefragten Artikeln können wertvolle Anlagenzeiten durch reduzierte Rüstvorgänge freigeräumt und genutzt werden, um in Summe eine erhöhte Ausbringungsmenge über die Anlage zu erzielen. Die erhöhten Lagerkosten durch höhere Losgrößenbestände können hierbei bewusst in Kauf genommen werden, auch wenn diese die reduzierten Rüstkosten überwiegen sollten. Für diesen Fall kann das Losgrößenmodell auch um Deckungsbeiträge der zusätzlichen Ausbringungsmengen aufgrund freier Produktionskapazitäten erweitert werden. 
     
  • Lagerkapazitäten: Sollten Lagerkapazitäten in einer Krisensituation ein limitierender Faktor sein, z.B. aufgrund eines veränderten Bestandsmanagements mit höheren Sicherheitsbeständen und nicht zugänglichen externen Lagerungsmöglichkeiten, kann die Losgröße außerhalb des Kostenoptimums wiederum zugunsten der Lagerkapazität reduziert werden. Dieses würde kleinere Losgrößen und eine erhöhte Flexibilität in der Produktion in Bezug auf das produzierte Sortiment bedeuten. Auch dieser Fall kann im Losgrößenmodell rechnerisch über künstlich, proportional „verteuerte“ Lagerkostensätze integriert werden.
     

5. Betrieb in klar abgetrennte Bereiche strukturieren

In der Corona-Krise kann bei nicht nachvollziehbaren Kontaktwegen bereits ein infizierter Mitarbeiter zu längeren Werksschließungen führen. Zur Begrenzung dieses mitunter existenziellen Risikos ist es ratsam, den Betrieb in klar abgetrennte Bereiche zu unterteilen, so dass im Falle eines infizierten oder mutmaßlich infizierten Mitarbeiters alle Kontaktpersonen klar identifiziert werden können. In diesem Fall wäre dann nur dieser angegrenzte Bereich von der Stilllegung betroffen.
 

Entscheidend für den Erfolg dieser Maßnahme ist die strikte Trennung der Bereiche. Dazu gehört beispielsweise, dass

  • der Kantinenbereich und die Sozialbereiche abgetrennt werden,

  • direkte Kontakte zwischen den Bereichen verboten werden und Abstimmungen telefonisch oder per Videokonferenz stattfinden,

  • Verwaltungsmitarbeiter die Produktion nicht mehr betreten und

  • auch die Mitarbeiter der indirekten Produktionsbereiche wie Instandhaltung oder Qualitätssicherung klar einem direkten Produktionsbereich zugeordnet werden.
     

6. Alle Register ziehen, um den Materialeinsatz zu reduzieren

Eine Sofortmaßnahme in Zeiten von erhöhten Lieferunsicherheiten bei kritischen Rohwaren ist die systematische Reduktion des Materialeinsatzes unter Beachtung der gesetzlichen sowie internen (QS-) Vorgaben. Dieses Vorgehen empfiehlt sich nicht nur zur Reduktion des Einsatzes von kritischen Rohwaren, bei welchen ggf. bereits Lieferengpässe vorliegen, sondern auch zur allgemeinen Kostenreduktion. Im Folgenden sind beispielhaft einige Möglichkeiten zur kurzfristigen Reduktion des Materialeinsatzes skizziert.

  • Anpassung der Produktionslosgrößen: Unterliegen einzelne Artikel extremen Engpässen, kann über die Erhöhung von Produktionslosgrößen (siehe auch Punkt 4.) insbesondere der Rüstschwund des Artikels z.T. signifikant reduziert werden. Hierbei kann es eine unternehmerische Entscheidung sein, die Artikelverfügbarkeit zu maximieren und auf ein Kostenoptimum zu verzichten.
     
  • Steuerung der Füllmengen mittels Einsatzes von Statistik: Die Vorgaben zu Füllgewichten in Fertigwaren sind über die Fertigpackungsverordnung geregelt und bieten einen oftmals nicht ausgenutzten Spielraum. Erweitern Sie Ihre Füllmengensteuerung über Mittelwert und absolute Abweichungen hinaus und integrieren Sie die Standardabweichung bzw. die Varianz der Füllmengen in ein statistisches Modell. Dieses weist dann für jeden produzierten Artikel die Wahrscheinlichkeit aus, den Eichamtstest nicht zu bestehen. Die dazugewonnene Präzision in der Auswertung der Füllgewichte birgt regelmäßig ein hohes Potential zur weiteren Reduktion des Materialeinsatzes und der entsprechenden Kosten.
     
  • Steuerung der Inhaltsstoffe: Überdenken Sie Ihre Produktspezifikationen und Rezepturen und nutzen Sie gesetzliche Spielräume hinsichtlich der Produktinhaltsstoffe konsequent aus. In diesem Zuge sollten beispielsweise Wasser-, Fett-, oder andere Produktanteile konsequent gemessen und ausgesteuert werden. Fragen Sie sich insbesondere, ob die Produktanteile von kritischen Rohwaren reduziert werden können, um kurzfristig eine höhere Ausbringungsmenge bestimmter Fertigwaren sicherzustellen. Beleuchten Sie auch, ob Substitut-Artikel mit geringeren Anteilen der kritischen Rohmaterialien temporär einen ähnlichen Artikel mit höherem Anteil kritischer Rohwaren ersetzen können.
     

7. Bestandsstrategien für Fertigwaren anpassen

Auch in Bezug auf die Bestandsstrategie der Fertigwaren (Vergleich Punkt 3.) sollte ein bewährtes Bestandsmanagement hinsichtlich einer eingetretenen Krisensituation unmittelbar überprüft werden. Klassifizierungslogiken und -ergebnisse sowie hieraus abgeleitete Maßnahmen und Sicherheitsbestände sollten zeitnah überprüft werden. Zunächst sollte die grundsätzliche, unternehmerische Zielstellung, z.B. maximale Versorgungssicherheit „um jeden Preis“ oder Reduktion der Kapitalbindung aufgrund von Unsicherheiten geprüft werden. Ist die Marschrichtung definiert, sollte für jede Klassifizierungskategorie und im Bedarfsfall auch für einzelne Artikel oder Sortimente die richtige Handlungsanweisung bestimmt werden. So kann es grundsätzlich sinnvoll sein die Kapitalbindung zu reduzieren, in einzelnen Sortimenten jedoch dennoch auf maximale Versorgungssicherheit zu setzen, auch wenn dies vorerst widersprüchlich erscheint. Eine zweite Klassifizierung neben dem Absatzvolumen (ABC) könnte in der aktuellen Situation der Deckungsbeitrag (XYZ) sein, um eine Fokussierung auf margenträchtige Sortimente sicherzustellen.

Sobald die überarbeitete Klassifizierung und eine Einordnung der Fertigwaren in die 9 Klassifizierungskategorien vorliegen, können wiederum auf die Krisensituation angepasste Bestandsstrategien und Maßnahmen sowie die entsprechende Sicherheitsbestände abgeleitet werden. Bei dieser Aktivität ist es wichtig im engen Austausch mit dem Vertrieb zu stehen und auf einen übermäßigen Bull-Whip-Effekt aufgrund von erhöhten Nachfrageschwankungen in allen Stufen der Supply Chain und ggf. stattfindenden Hamsterkäufen vorbereitet zu sein.

Werten Sie zu diesem Zweck für jede Kategorie der ABC/XYZ Analyse die aktuellen dynamischen Bestandsreichweiten gegen vom Vertrieb erstellte Absatzpläne aus und definieren Sie klare Zielreichweiten als Vorgabe für die Produktion. Auf diese Weise können Sie bestmöglich und frühzeitig auf Veränderungen reagieren und fortlaufend die richtigen Bestandsentscheidungen treffen.
 

8. Eine intelligente Auftragssteuerung aufbauen

Wie eingangs beschrieben, führen die Absatzverwerfungen dazu, dass insbesondere länger haltbare Produkte in der Vertriebsschiene LEH starke Absatzzuwächse verzeichnen können. Dies kann dazu führen, dass einzelne Handelszentralen bereits volle LKW-Ladungen von einem oder zwei Artikeln bestellen. Ein auf diese Gegebenheiten angepasster Dispositionsprozess wird dann berücksichtigen, dass Ware möglicherweise direkt vom Werk an den Kunden geliefert werden kann, sofern QS- oder Reife- bzw. Quarantänezeiten es technologisch zulassen. In diesem Fall könnte der gesamte Warenumschlag im Fertigwarenlager, ggfs. auch ein Shuttletransport, eingespart werden. Hinzu kommt, dass der Handelskunde seine Regallücken schneller schließen kann.

Auch die Zuordnung von Kunden zu Auslieferungslagern sollte dynamisch hinterfragt werden. Obwohl ein Kunde standardmäßig einem Auslieferungslager zugeordnet ist, kann es in Einzelfällen durchaus Sinn machen, den Kunden von einem anderen Auslieferungslager zu beliefern. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die entsprechende Artikelstruktur des Auftrags besser von dem anderen Lager geliefert werden kann, da sich die entsprechenden Produktionswerke eher in der Nähe des alternativen Lagers befinden. Für eine detaillierte Prüfung, welches Auslieferungslager das günstigere ist, ist es oftmals hilreich, eine kleine IT-gestützte Lösung zu installieren, da im Tagesgeschäft nicht jeder Auftrag umfassend geprüft werden kann.

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9. Outbound-Logistik zur Abholung bei Lieferanten einsetzen

Nur wenige Unternehmen schaffen es bisher stringent, Ihre Inbound-Logistik mit der Outbound-Logistik zu verknüpfen; von einzelnen opportunistischen Ladungen einmal abgesehen. Einer der wesentlichen Gründe hierfür sind unterschiedliche Zuständigkeiten, da die Inbound-Logistik im Regelfall vom Einkauf und die Outbound-Logistik von der Logistik-Abteilung organisiert werden. Hinzu kommt, dass die Inbound-Transportkosten bei Frei-Haus-Preisen häufig gar nicht bekannt sind.

Eine Verknüpfung der beiden Bereiche bietet schon in normalen Zeiten eine gute Möglichkeit, Rundläufer zusammenzustellen und somit die Transportkosten insgesamt zu senken, da sehr viele Lieferanten geographisch in der Nähe einer Handelszentrale liegen. In der aktuellen Krise mit einem sich insbesondere im internationalen Geschäft verknappenden Frachtraum wird dies umso wichtiger. Für die Verknüpfung sind in der Umsetzung zunächst einmal von den Lieferanten die reinen Materialpreise von den Logistikkosten zu trennen. In einem zweiten Schritt können dann der Einkauf und die Logistik gemeinsam und strukturiert alle Möglichkeiten der Rundläuferbildung ermitteln.
 

10. Geben Sie Ihren Disponenten ein klares Regelwerk bei Lieferengpässen vor

Wie bereits beschrieben entstehen durch die Verschiebung der Vertriebskanäle hin zu LEH und e-Commerce sowie durch die hohen Absatzspitzen bei lagerfähigen Produkten schnell Lieferengpässe. Sollte die Nachfrage die verfügbare Menge übersteigen, stellt sich die Frage, welche Kunden mit welchen Mengen beliefert werden sollen und welchen Kunden Lieferabsagen erteilt werden müssen. Für die Allokation der verfügbaren Mengen sind eine Vielzahl an Faktoren relevant:

  • Länge und Umfang der Kundenbeziehung
  • Deckungsbeiträge
  • Strategische Perspektive des Kunden
  • Pönalen bei Nichtlieferungen
  • Möglichkeit und Kosten von Nachlieferungen

Die Entscheidung der Mengenallokation ist von hoher Relevanz für die Unternehmen, da hier langfristig Kundenbeziehungen beeinträchtigt werden können, man es aber andererseits auch nicht allen Kunden recht machen kann. Wichtig ist es, die Disponenten in dieser Situation nicht allein zu lassen, sondern ein klares Regelwerk vorzugeben, wie bei Fehlmengen zu verfahren ist. So stellen Sie sicher, dass die Vorgaben aus der Unternehmensstrategie auch stringent umgesetzt werden.
 

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