Projekteinkauf - Tipps zum effizienten Einkauf von Einmalbedarf
Es geht im Einkauf häufig nicht nur darum, einen Routine- oder sich wiederholenden Bedarf effizient zu decken und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Oft liegen noch nicht viele Informationen vor, wenn ein Fachbereich den Einkauf eines mehr oder weniger neuen Bedarfs anfordert. Dabei kann es sich beispielsweise um ein Produkt mit neuem Design, neuen Materialen oder neuer Technologie handeln oder um den Einkauf eines Services, wie die Dienstleistung einer Agentur für ein aktuell wenig bekanntes Marketingaufgabenfeld.
Aus Einkaufssicht besteht der wesentliche Unterschied zum Wiederholungsbedarf darin, dass es für den Einmal- oder Neubedarf anfangs noch keine Basis für einen Kostenvergleich gibt. Natürlich geht es in erster Linie darum, das Projekt mit dem vorgegebenen Budget umzusetzen. Aber wann ist ein Angebot marktgerecht? Kann die Idealvorstellung der Fachabteilung nicht auch mit einem geringeren Budget umgesetzt werden? Und sind im Angebot überhaupt alle Komponenten enthalten, die der Fachbereich benötigt? Nachfolgend finden Sie einige Tipps für den effizienten Einkauf von Einmalbedarf.
Der Einkaufsprozess für Einmalbedarf
Der Einkaufsprozess für Einmalbedarf kann in drei wesentliche Phasen unterteilt werden:
Bereits in der Konzeptphase sollten Sie entscheiden, ob Lieferanten jetzt oder erst später ab der Einkaufsphase involviert werden. Grundsätzlich aber müssen Sie überlegen, ob Sie gleiche oder unterschiedliche Lieferanten in diesen Phasen einbinden wollen.
1. Konzeptphase
Das Ziel der Konzeptphase ist es, möglichst klare Leistungs- und Spezifikationsanforderungen zu definieren. Dazu sind drei Punkte wichtig:
- Ermittlung der Einkaufsinformationen
- Identifikation von Kostentreibern und Vertragsinhalten
- Modell der Lieferanteninvolvierung
Ermittlung der Einkaufsinformationen. Die Leistungsanforderungen werden häufig in einem Lasten- und Pflichtenheft festgehalten. Es kommt vor, dass die Fachabteilung viel besser weiß, was das Resultat sein soll aber nicht so eindeutig, welche Teil-Komponenten dorthin führen, geschweige denn, wer die gewünschte Leistung erbringen kann. Daher ist es wichtig, dass der Fachbereich den Einkauf bereits zu Beginn der Konzeptphase hinzuzieht, um die wesentlichen Einkaufsinformationen wie Spezifikationen, Mengen, Budget und Lieferzeit zu ermitteln.
Identifikation von Kostentreibern und Vertragsinhalten. Mit dem Blick des Einkäufers können in dieser noch relativ freien Phase anfänglich schon große Kostentreiber identifiziert und zur Diskussion gestellt werden. Soll beispielsweise eine Armbanduhr als Give-Away konzipiert werden, ist die Verwendung von beschichtetem Metall, Lederimitaten oder Plastik möglicherweise ausreichend und es kann auf Edelmetalle und echtem Leder verzichtet werden. Neben der Identifikation von Kostentreibern, sollten in dieser Phase außerdem Vertragsinhalte inklusive möglicher Risiken festgehalten werden, die in der Einkaufsphase direkt mit abgefragt werden können. Ein solches Risiko kann zum Beispiel die termingerechte Lieferung darstellen. Hier kann bereits der Schadenersatzanspruch definiert werden, falls der Lieferant vertraglich zugesicherte Termine nicht einhalten kann.
Modell der Lieferanteninvolvierung. Entweder entwickeln Sie das Konzept mit Hilfe des Einkaufs in der Fachabteilung und beziehen Lieferanten erst ab der Einkaufsphase mit ein oder Sie involvieren Lieferanten bereits in der Konzeptphase.
Prüfen Sie auch die Möglichkeit, ob Lieferanten als sogenannte Systemlieferanten in alle drei Phasen einbezogen werden können. Als Paradebeispiel für ein solches Vorgehen gilt die Automobilindustrie. Dort werden Lieferanten häufig schon ab der Konzeptionsphase von Autoteilen eingesetzt. Diese Art der Lieferanteninvolvierung ist auch unter den Begrifflichkeiten Forward Sourcing oder Simultaneous Engineering bekannt. Systemlieferanten können auch im indirekten Einkauf eingesetzt werden, zum Beispiel bei der Konzipierung von POS-Material oder Verpackungen. Alternativ kann auch ein Konzeptwettbewerb durchgeführt werden. Dieser kann separat vergütet und das präferierte Konzept in der Einkaufsphase ausgeschrieben werden.
2. Einkaufsphase
Das Ziel der Einkaufsphase ist es, die Kosten für die in der Konzeptphase definierten Leistungs-anforderungen zu ermitteln. Dabei sind vier Punkte zu berücksichtigen:
- Angebotsdesign
- Angebotsprozessplanung
- Hebel zur Kostenfindung
- Schnittstellenmanagement
Angebotsdesign. Mit dem richtigen Angebotsdesign sind Sie in der Lage, die tatsächlichen Kosten zu erfassen. Erstellen Sie das Angebotsdesign anhand der in der Konzeptphase definierten Leistungsanforderungen. Wenn kein Systemlieferant einbezogen oder ein Konzeptwettbewerb durchgeführt wurde, sind meist noch nicht viele Informationen über den Bedarf bekannt. In diesem Fall kann eine fokussierte Einkaufsmarktanalyse - in Fachzeitschriften, bei Verbänden, etc. - Indizien für ein mögliches Angebotsdesign liefern. Alternativ können Sie auch bei einer Auswahl identifizierter Lieferanten eine erste Anfrage ohne Angebotsdesign durchführen, um die Angebote zu analysieren. Die nächste Anfrage kann dann mit einem vorgegeben Angebotsdesign bei einer größeren Anzahl von Lieferanten erfolgen. Je nach Komplexität und Budget besteht zudem die Möglichkeit, einen externen Experten heranzuziehen.
Angebotsprozessplanung. Vor der Einkaufsphase sollten Sie sich Zeit für eine detaillierte Prozessplanung mit mehreren Angebotsstufen nehmen:
Sobald der Angebotsprozessplan erstellt ist, ist es wichtig, dass sich alle daran halten. Wenn der Prozessplan nur auf dem Papier steht und das Projekt unter Umständen zu spät startet, muss der Einkauf - wie so häufig - den zeitlichen Engpass bei der Kostenfindung ausbaden. Daher ist es notwendig, die Fachabteilung auch nach Projektbeginn immer wieder für die erforderliche Zeit der Angebotseinholung zu sensibilisieren. So ein Projekt bleibt dann schon gerne einmal liegen, weil keine Entscheidungen getroffen werden und dann heißt es irgendwann „Wir müssen morgen bestellen“. Proaktives Nachfragen beim Fachbereich nach dem Projektstatus kann dem vorbeugen. Letztlich gilt auch hier die alte Projektmanagement-Regel: Zeitliche Puffer einplanen.
Hebel zur Kostenfindung. Es ist notwendig, die verschiedenen Hebel zur Kostenfindung vor Augen zu haben. Häufig ist der marktgerechte Preis unbekannt und erfahrungsgemäß liegen die ersten Angebote oft über dem Budget. Zerlegen Sie den Bedarf in Einzelkomponenten und gehen Sie für jede Komponente die möglichen Einsparungshebel durch:
- Erweiterung des Lieferantenkreises (z.B. Benchmarking von Einzelkomponenten im Internet oder bei anderen Lieferanten)
- Optimierung der Supply Chain (z.B. durch alternative Transport-, Verpackungs- und Abrechnungswege)
- Spezifikationsoptimierung (z.B. die Verwendung anderer Materialien oder weniger Materialeinsatz)
- Volumenbündelung (z.B. durch die Reduzierung von Varianten)
- Mengenhebel (Streichung von Komponenten)
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Zielpreise für einzelne Komponenten oder einen Zielpreis insgesamt vorzugeben. Voraussetzung hierfür ist, dass der Zielpreis qualifiziert abgeleitet werden kann.
Schnittstellenmanagement. Kosten treiben Spezifikationen bzw. Spezifikationen treiben Kosten und in der Produktentwicklung kommt parallel zur Kostenfindung noch das Prototyping hinzu, das meist durch die Fachabteilung gesteuert wird. Daher ist in der Einkaufsphase eine enge Abstimmung mit dem Fachbereich erforderlich, denn dieser entscheidet letztlich über die Spezifikationen. Der Einkauf muss hier als interner Berater auftreten und die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigen, mit denen das Projekt im Rahmen des vorhandenen Budgets umgesetzt werden kann. Das schafft Anerkennung und festigt die Position des Einkaufs im Unternehmen.
3. Umsetzungsphase
Das Ziel der Umsetzungsphase ist nicht nur die Durchführung der operativen Bestellung, sondern auch die Mitverfolgung der Umsetzung. Für diese Phase sind zwei Punkte von Bedeutung:
- Vertragsmanagement
- Kostenpuffer
Vertragsmanagement. Sofern ein Vertrag nötig ist, lautet die Regel: Keine Auftragsvergabe ohne Vertragsunterzeichnung. Für Einmalbedarf eignen sich insbesondere Werkverträge, mit denen das gesamte, detailliert beschriebene Werk zu einem definierten Gesamtpreis beauftragt wird. Das schafft einen Anreiz, sich vor Auftragsvergabe grundlegend mit den Kosten und Leistungen auseinanderzusetzen. Sie sollten es in jedem Fall vermeiden, auf Kostenvoranschlagsbasis zu bestellen. Auch durch den Einsatz von Pönalen, beispielsweise einer Preisreduzierung auf Grund von Lieferverzug, können Risiken abgedeckt werden. So etwas motiviert den Lieferanten zusätzlich zur pünktlichen Leistungserbringung. Müssen Pönalen tatsächlich angewandt werden, sollte die Einsteuerung über den Einkauf erfolgen.
Kostenpuffer. Nach Auftragsvergabe ist gerade bei Einmalbedarf Vorsicht geboten. Viele große Projekte zeigen, dass die tatsächlichen Kosten auf Grund von unberücksichtigten Faktoren noch steigen können. Der Bau des Flughafens Berlin Brandenburg ist dafür aktuell wohl eines der prominentesten Beispiele. Wenn Kosten für Leistungen auftreten, an die niemand gedacht hat, führt das im schlimmsten Fall zum Projektstillstand, weil niemand diese Kosten decken kann oder will. Die frühe Einbindung des Einkaufs kann plötzlichen Kostenexplosionen von vornherein deutlich entgegenwirken. Planen Sie trotzdem einen Kosten-Puffer ein: Je komplexer der Einmalbedarf ist, desto wichtiger ist die Einplanung des Kosten-Puffers.
Fazit
Die Optimierung des Einkaufprozesses von Einmal- bzw. Neubedarf ist auf den ersten Blick eine undankbare Aufgabe für den Einkauf, weil viele Informationen zu Beginn des Optimierungsprozesses oftmals nicht vorliegen. Wird die Aufgabe jedoch schrittweise abgearbeitet, so reduziert sich die Komplexität deutlich, und der Einkauf kann durch sein Know-how einen signifikanten Beitrag dazu leisten, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen.