Vorbei! Wie Sie das Vorbeikaufen am Einkauf wirksam verhindern können
In vielen Unternehmen gehört das „Maverick Buying“ zum Alltag. Fachabteilungen nehmen Einkäufe vor, die von der zentralen Einkaufsabteilung zu betreuen wären. Diese Unsitte kostet Unternehmen viel Geld und frustriert Einkäufer. Was ist daher die beste Methode, um Maverick Buying wirkungsvoll einzudämmen?
Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass ein Teil unserer Klienten annimmt, dass die „Zuckerbrot-Methode“ am wirkungsvollsten ist. Die Mitarbeiter werden für die Einhaltung von Einkaufsprozessen belohnt. Andere Klienten meinen dagegen, dass nur die Androhung von Strafe hilft. Eine Minderheit schließlich sieht die Kombination von Belohnung und Bestrafung als am besten geeignete Gegenmaßnahme an.
In einem Punkt aber waren sich alle Klienten einig: Würden die Fachabteilungen die Bedeutung und Wirksamkeit von Compliance verstehen, so wäre ihre Motivation hö- her, sich an die Einkaufsregeln zu halten.
Maßnahmen zur Vermeidung von Maverick Buying
Sechs Maßnahmepakete stehen unserer Erfahrung nach zur Verfügung, um Maverick Buying zu „bekämpfen“:
1. Maßnahmenpaket Mitarbeiterkommunikation:
Das fehlende Bewusstsein über die Folgen von nicht autorisierten Einkäufen ist tatsächlich einer der Hauptgründe für Maverick Buying. Zunächst sollten die Mitarbeiter die konkreten Vorteile kennen, die nur durch den zentralen Einkauf bei ausgewählten Zulieferern zu realisieren sind: Kostenersparnisse, Geschwindigkeit, Qualität, Risikovermeidung und Innovationspartizipation. Alle Mitarbeiter sollten genauso über die Folgen von Fehlverhalten informiert werden. Das Rad muss dafür nicht neu erfunden werden. Einige Unternehmen haben sich schon Gedanken gemacht. Bei British Airways erhalten beispielsweise die Mitarbeiter, die am Einkauf vorbei bestellen, eine schriftliche Aufforderung von Einkaufschef und CFO, sich in Zukunft an die Regeln zu halten.
Ein weiteres vorbildliches Beispiel liefert der sonst so viel gescholtene öffentliche Dienst. Immer mehr deutsche Kommunen legen fest, dass alle Bestellungen aus einzelnen Abteilungen an die zentrale Einkaufsabteilung weiterzuleiten sind. Allein die Einkaufsabteilung vergibt interne Bestellnummern und leitet die Bestellung an die Zulieferer weiter. Alle Zulieferer sind schriftlich aufgefordert, Bestellungen ohne Bestellnummer nicht zu akzeptieren und im Fall des Falles solche Bestellungen sofort an den Einkauf zu melden. Die „wild“ bestellende Abteilung muss dann eine – sicherlich unangenehme – Stellungnahme abgeben.
2. Maßnahmenpaket Vereinfachung von Einkaufsprozessen:
Maverick-Einkäufe resultieren oftmals aus mangelhaft abgestimmten Prozessen und unzureichenden Kontrollmechanismen. Eine Bestrafung von Maverick Buyern wird in solchen Fällen von vielen Mitarbeitern als unfair erachtet. Die gezielte Überwachung der „üblichen Verdächtigen“ und Gespräche mit den „ertappten“ Personen helfen, die Gründe für unautorisierte Einkäufe zu identifizieren. Eine wichtige Unterscheidung ist bezüglich des Motivs zu treffen. Handelt es sich um unbewusstes Zuwiderhandeln der Mitarbeiter („Ich habe nicht gewusst, dass wir einen Vertrag haben und dass ich über den Einkauf gehen muss“) oder ist die Einkaufsorganisation die Fehlerursache? So könnte der Bestellprozess aus Sicht der Fachabteilung zu kompliziert sein. Die Bereitstellung von elektronischen Katalogen kann Abhilfe schaffen. Oder die Fachabteilung argumentiert, der Lieferant sei vom Einkauf unabgestimmt ausgewählt worden und erbringe die erwartete Qualität nicht. Allen genannten Gründen ist gezielt nachzugehen und tatsächliche Fehlerquellen sind konsequent auszuschalten. Das Unternehmen sollte die Gelegenheit nutzen, die Notwendigkeit strikter Kontrollen zu kommunizieren, um dafür die Akzeptanz der Mitarbeiter zu gewinnen.
3. Maßnahmenpaket Transparenz schaffen:
Um Maverick Buying gezielt aufzudecken, führt kein Weg an der Untersuchung des Einkaufsvolumens vorbei. Basierend auf den verhandelten Verträgen sollte jeder Einkäufer in seiner Materialgruppe das Einkaufsvolumen auf Lieferanten, Preis- und Mengenvarianzen überprüfen, um festzustellen, ob an den ausgehandelten Verträgen vorbeigekauft wurde oder nicht. Moderne Einkaufsvolumenanalyse-Tools („Spend Transparency Systeme“) minimieren den administrativen Aufwand.
4. Maßnahmenpaket disziplinarische Konsequenzen:
Mit der Kommunikation und Anwendung von Disziplinarmaßnahmen wie Abmahnungen gelingt es Unternehmen, Maverick Buying vorzubeugen.
5. Maßnahmenpaket „Kreditorensystem-Management“:
Bezahlen Sie Lieferantenrechnungen ohne Bestellnummer nicht, und Sie werden sehen, wie leicht Sie Maverick Buying verhindern können. Voraussetzung ist, dass Sie Ihre Lieferanten im Vorfeld über diese Regel informieren. Zur Sicherheit können Sie außerdem ausgewählte Kreditorenkonten sperren, um auch auf diese Weise ungewollten Mittelabfluss zu vermeiden.
6. Maßnahmenpaket Lieferantenmanagement:
Schließlich können Sie Ihre Lieferanten anweisen, ausschließlich die vertraglich vereinbarten Produkte/Dienstleistungen zu liefern. Für die Bestellung aller anderen Produkte/Dienstleistungen sollte der Lieferant die Zustimmung des Einkaufs einholen.
Auf die richtige Mischung kommt es an
Durch die geschickte Kombination von Maßnahmen lassen sich häufig bessere Ergebnisse erzielen als durch eine eindimensionale Herangehensweise, die ausschließlich auf anreizorientierte oder bestrafende Maßnahmen fokussiert ist. Entscheidend ist, dass die Einkaufsabteilung die Fachabteilungen aktiv in den strategischen und den operativen Einkauf einbezieht. Die Fachabteilungen werden schneller mit der Situation vertraut, wenn sie sich ihres Einflusses auf den Einkaufsprozess und auf die Lieferantenauswahl sicher sind. Der Schlüssel liegt darin, Mitarbeiter und ihre Präferenzen zu verstehen und auf sie einzugehen. Regelmäßige Kommunikation stellt sicher, dass die bestehenden Einkaufsprozesse und Ahndungen von Fehlverhalten von der gesamten Organisation verstanden und angenommen werden. Wenn Sie dann noch regelmäßig Maverick Buying Quoten veröffentlichen, so gehen die Quoten erfahrungsgemäß sukzessive zurück. Setzen Sie sich durch. Nicht alle Mitarbeiter mögen die vorgestellten Praktiken mit Jubel begrüßen. Doch es handelt sich dabei um Aspekte der Unternehmenspolitik, und mit ihr hat sich jeder Arbeitnehmer durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrages einverstanden erklärt. Für das Ignorieren der Einkaufregeln gibt es also keine Entschuldigung. Welche Herangehensweise das Unternehmen auch wählt, es sollte stets auf die leicht verständliche und freundliche Vermittlung der Sachverhalte achten, um Ablehnung und Widerständen vorzubauen.
Fazit
Die Notwendigkeit, dezentrale Einkaufspraktiken im Unternehmen zu unterbinden, trifft auf breites Verständnis. Ob Belohnung oder Bestrafung oder beides: Der beste Weg ist die frühzeitige und umfassende Prävention durch die Einführung eines geeigneten Maßnahmensystems. Kombiniert das Unternehmen dieses System mit dem Rechnungsprüfungs- und -bezahlprozess, und die Rechnungsabteilung bezahlt keine Rechnung ohne Bestellnummer mehr, so wird Maverick Buying nahezu unmöglich.