Den Einkauf IDEalisieren: Der Weg zur industrialisierten und digitalisierten Einkaufsabteilung (IDEa) in der Praxis

Der strategische Einkaufsprozess lässt sich nur erfolgreich „IDEalisieren“, wenn Unternehmen auf dem Weg dorthin drei operative Leitlinien befolgen: Zunächst müssen Optimierungspotentiale eindeutig identifiziert und quantifiziert werden. Während der nachfolgenden Einführungsphase ist ein aktives Change- und Projektmanagement erforderlich. Abschließend ist zur nachhaltigen Erfolgssicherung ein regelmäßiges Erfolgs-Tracking durchzuführen.

Die Effektivität und Effizienz des strategischen Einkaufsprozesses lässt sich durch eine umfassende Umstrukturierung nach dem IDEa-Modell deutlich steigern. Hierauf wurde in den vorangegangenen Artikeln bereits detailliert eingegangen. Nun stellt sich die Frage, welche Leitlinien bei der Einführung des „IDEalisierten“ strategischen Einkaufsprozesses beachtet werden sollten. Die drei wesentlichen Leitlinien sind Identifizierung und Quantifizierung von Potentialen, aktives Change- und Projektmanagement sowie nachhaltiges Erfolgs-Tracking (vgl. Abbildung 1). Die praktische Umsetzung wird hier erläutert.

Die Effektivität und Effizienz des strategischen Einkaufsprozesses lässt sich durch eine umfassende Umstrukturierung nach dem IDEa-Modell deutlich steigern. Hierauf wurde in den vorangegangenen Artikeln bereits detailliert eingegangen. Nun stellt sich die Frage, welche Leitlinien bei der Einführung des „IDEalisierten“ strategischen Einkaufsprozesses beachtet werden sollten. Die drei wesentlichen Leitlinien sind Identifizierung und Quantifizierung von Potentialen, aktives Change- und Projektmanagement sowie nachhaltiges Erfolgs-Tracking (vgl. Abbildung 1). Die praktische Umsetzung wird hier erläutert.

    Grafik Einkauf Idealisieren

    1. Identifizierung und Quantifizierung des Potentials

    Bevor über die tatsächliche Industrialisierung und Digitalisierung des strategischen Einkaufsprozesses entschieden werden kann, muss zunächst das zu realisierende Potentiale eindeutig identifiziert und verlässlich quantifiziert werden. Schließlich ist eine Umstellung des Prozesses nur sinnvoll, wenn ein positiver Business Case vorliegt. Die zu erwartenden Vorteile im Vergleich zum Status Quo müssen also den Investitions- und Einführungskosten gegenübergestellt werden. Zur Identifizierung des Potentials sind die vier Eckpfeiler des IDEa-Konzeptes heranzuziehen, die bereits in den vorangegangenen Artikeln thematisiert wurden: 

    • 1. Standardisierung/Spezialisierung
      Die getrennte Bearbeitung von homogenen Aufgabenpaketen entlang des strategischen Einkaufprozesses führt zu einer intensiven Spezialisierung von Einkaufsmitarbeitern. Damit lassen sich Prozesse und Methoden weitestgehend standardisieren. 
       
    • 2. Automatisierung
      Der Anteil manueller Tätigkeiten wird durch zunehmende Automatisierung von Prozessen substantiell gesenkt. Der Bedarf an personellen Ressourcen reduziert sich hiermit maßgeblich.
       
    • 3. Informatisierung
      Unter „Informatisierung“ wird die Versorgung des Einkaufs mit hochwertigen Informationen, z. B. Daten zum Ausbau der Supply Market Intelligence verstanden. Grundlegendes Ziel ist es, die Prozessqualität zu steigern und dadurch weiteres Potential zu erschließen (z.B. zusätzliche Materialkostenreduzierungen durch neue Lieferanten im Zuge der Einführung eines Supply Market Intelligence Systems)
       
    • 4. Digitalisierung 
      Die Digitalisierung resultiert im größtmöglichen Verzicht auf papierbasierte Dokumentation und Kommunikation sowie in der vollständigen Vernetzung mit Lieferanten und Fachbereichen. Darüber hinaus werden sämtliche Unternehmensdaten strukturiert in digitaler Form erfasst und an zentraler Stelle zusammengeführt.
    Abb. 2: Erzielte Verbesserungen durch IDEa
    Abb. 2: Erzielte Verbesserungen durch IDEa
    • 1. Prozess-/Materialkostenersparnis
      Erhebliche Kostensenkungen können durch Standardisierung, Spezialisierung, Automatisierung und Digitalisierung der Prozesse erzielt werden. Dies wird insbesondere durch geringere benötigte Personalapazität erreicht. Aber auch Materialkosteneinsparungen, z.B. durch leistungsstärkere Lieferaten im Zuge der Einführung eines Supply Market Intelligence Systems.
       
    • 2. Qualitätssteigerung
      Die Qualität lässt sich vor allem durch die verstärkte Informatisierung der Prozesse erhöhen, da der Einkauf stets mit hochwertigen Informationen versorgt wird. Gleichzeitig führen Standardisierung, Spezialisierung und Automatisierung des strategischen Einkaufsprozesses dazu, dass ein konstant hohes Qualitätsniveau gewährleistet werden kann.
       
    • 3. Innovationssteigerung
      Die verstärkte Informatisierung des Einkaufs ermöglicht eine beträchtliche Innovationssteigerung. So können durch die umfassende Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Einkaufsdaten Innovationsprozesse in der Entwicklung von Methoden, wie beispielsweise Supply Market Intelligence, angestoßen und umgesetzt werden.
       
    • 4. Verkürzung Prozessdurchlaufzeiten 
      Zur Verkürzung der Prozessdurchlaufzeiten tragen Automatisierung und Digitalisierung bei, durch die der strategische Einkaufsprozess erheblich beschleunigt werden kann, z.B. durch digital gepflegte und jederzeit verfügbare Produktspezifikationen, Lieferantendatenbanken, Ausschreibungsunterlagen etc. Doch auch der hohe Standardisierungs- und Spezialisierungsgrad der Einkaufsaufgaben ermöglicht eine zügige und routinierte Abarbeitung der einzelnen Prozessschritte.
       
    • 5. Risikooptimierung
      Durch die Standardisierung und Spezialisierung können Prozessrisiken signifikant gesenkt werden. Schließlich sind wohldefinierte und standardisierte Prozesse mit klar definierten Verantwortlichkeiten in sehr geringem Maße fehleranfällig. Darüber hinaus sorgt der Einsatz von Spezialisten dafür, dass alle Prozessschritte ordnungsgemäß ausgeführt werden.

    2. Aktives Change- und Projektmanagement

    Wenn die Potentiale des industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozesses sauber identifiziert und quantifiziert worden sind, sowie ein positiver Business Case errechnet wurde, so geht es im zweiten Schritt darum, die zur Realisierung der Potentiale notwendigen Veränderungen im Einkauf erfolgreich umzusetzen. Dazu ist aktives Change- und Projektmanagement unerlässlich, in dessen Rahmen sind zunächst mögliche Hürden und Bedenken gegen die Industrialisierung und Digitalisierung zu antizipieren und darauf aufbauend eine Analyse der Key-Stakeholder durchzuführen, um die politische Situation im Unternehmen und dessen Umfeld einzuschätzen. Daraus ist sowohl eine Kommunikationsstrategie unter Einbeziehung aller Stakeholder zu entwickeln sowie der optimale Transformationsumfang zu definieren. Abschließend ist ein Zeit- und Maßnahmenplan für die Einführungsphase aufzustellen.

    Mögliche Hürden bei der Umstrukturierung

    Die Umstellung ganzer Organisationsstrukturen erweist sich erfahrungsgemäß als äußerst komplexe Aufgabe. So werden Unternehmen bei der Transformation zum industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozess vor eine Reihe von organisatorischen und personellen Herausforderungen gestellt. (vgl. Abbildung 3).

    Abb. 3: Mögliche Hürden bei der Umstrukturierung

    Organisatorische Hürden können sich aus der Gestaltung von Entscheidungsprozessen ergeben. Wenn Entscheidungen zu neuen Strukturen zentralistisch getroffen werden, d.h. also unter Einbeziehung nur weniger Personen, so werden sich langfristige Erfolge hier schwieriger erzielen lassen, als wenn Mitarbeiter aktiv in die Entscheidungsfindung eingebunden werden. Der Grund hierfür ist, dass Entscheidungen, die von allen Abteilungen getragen werden, in den Teams motivierter umgesetzt werden. Sind allerdings so viele Personen an Entscheidungen beteiligt, dass der Entscheidungsprozess komplex und zeitaufwändig wird, so ist dies ebenfalls keine gute Grundlage für Veränderungsprojekte.

    Die Probleme im Zusammenhang mit Entscheidungsprozessen werden häufig durch die historische Prägung des Unternehmens hervorgerufen. Sind Hierarchie- und Entscheidungsstrukturen größtenteils historisch gewachsen, so lassen sie sich nur schwer aufbrechen. Veränderungen lassen sich erfahrungsgemäß in jungen, innovativen Branchen, z.B. im IT-Bereich, leichter durchsetzen als in „Traditionsbranchen“ wie der Stahlindustrie. 

    Auch die Größe der Organisation kann eine Rolle spielen, da sich Veränderungen wesentlich komplexer gestalten, je mehr Mitarbeiter davon betroffen sind. Dies liegt darin begründet, dass in kleinen Organisationen deutlich effizienter und auf persönlicherer Ebene auch überzeugender kommuniziert werden kann, als in großen.

    Zusätzlich können ausgeprägte Egoismen einzelner Abteilungen oder Warengruppenverantwortlicher („Silo-Denken“) den Transformationsprozess be- oder verhindern, da die für die erfolgreiche Veränderung notwendige Kooperation der Abteilungen ausbleibt.

    Neben organisatorischen können sich darüber hinaus personelle Hürden zeigen. So kann sich die Transformation schwierig gestalten, wenn fehlendes Know-how und stark eingeschränkte Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Belegschaft in den Aufgabenbereichen des industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozesses (Einkaufsdatenanalyse, Einkaufsmarktforschung, Methodenentwicklung, Assistenz, Projektmanagement) sich als „show stopper“ erweisen. Schließlich ist die Weiterentwicklung bestehender Mitarbeiter oder ggf. das Recruiting fähiger, externer Fachkräfte mit Kosten verbunden, die in Veränderungssituationen häufig auf Ablehnung des Managements  stoßen.

    Doch auch eine eventuell auftretende Abwehrhaltung der von der Veränderung betroffenen Mitarbeiter kann zur Herausforderung werden. Diese kann bedingt sein durch eine geringe Aufgeschlossenheit der Mitarbeiter gegenüber Veränderungen, wenn diese eher als Risiken (z.B. Arbeitsplatz-/Machtverlust) denn als Chancen (z.B. verbesserte Arbeitsabläufe und Profitabilität) aufgefasst werden. 

    Ein weiterer Grund hierfür kann in der demographischen Struktur der Belegschaft liegen. Denn je länger Mitarbeiter in einem Unternehmen arbeiten und je älter sie sind, desto eher werden sie sich erfahrungsgemäß mit Veränderungen schwertun. 

    Darüber hinaus können Mitarbeiter einer Transformation hin zum industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozess ablehnend gegenüberstehen, wenn sie befürchten, dass die Komplexität ihrer Aufgaben auf ein so geringes Maß abfallen könnte, dass ihre Arbeitsmotivation darunter leiden würde. Dies könnte durch ein falsches Verständnis des IDEa-Konzeptes  und/oder einer Veränderung im allgemeinen hervorgerufen werden.

    Analyse der Key-Stakeholder

    Ist man sich dieser möglichen Hürden bzw. Bedenken bewusst, so gilt es, die politische Situation des Unternehmens zu erkennen und in Betracht zu ziehen, um das Ausmaß der jeweiligen Herausforderungen einzuschätzen. Die Frage lautet vereinfacht: „Wer ist für und wer ist gegen IDEa?“ Um hier Klarheit zu gewinnen, steht eine Analyse der „Key-Stakeholder“ an, also der Haltungen und Beweggründe der wichtigsten Akteure und Interessengruppen im Unternehmen und eventuell auch bestimmter externer Gruppen. Im Rahmen dieser Analyse sollten im Wesentlichen acht Fragen beantwortet werden, die sich in drei Kategorien aufteilen lassen:

    1. Akteure

    • Wer sind die wichtigsten Akteure/Gruppen im Unternehmen, die von IDEa betroffen sind?
    • Wer sind die Entscheidungsträger, wer sind die wichtigen „Meinungsmacher“?
    • Welche Interessengruppen gibt es (z.B. Betriebsrat)?

    2. Interessen

    • Welche Interessen haben die einzelnen Akteure?
    • In welchem Verhältnis stehen diese Interessen zu den Auswirkungen der Industrialisierung und Digitalisierung des strategischen Einkaufsprozesses?
    • Wie hoch ist die Kooperationsbereitschaft zwischen den Akteuren im Gegensatz zur Verfolgung eigener Interessen einzelner Akteure?

    3. Machtgefüge

    • Wie ist das Machtgefüge/die Machtaufteilung zwischen den Akteuren?
    • Wie würde sich das Machtgefüge nach der Umstrukturierung verändern?

    Die Beantwortung dieser Fragen ermöglicht eine grobe Abschätzung, mit wie viel Gegenwehr bzw. Zustimmung bei der Umstrukturierung zum industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozesses zu rechnen ist.

    Einbeziehung der Stakeholder

    Um den identifizierten Herausforderungen zu begegnen und negativen Entwicklungen vorzubeugen, muss eine Vorgehensweise („Change-Management-Prozess“) entwickelt werden, durch die sämtliche Stakeholder in den Transformationsprozess einbezogen und für die Idee von IDEa gewonnen werden können (vgl. Abbildung 4). 

    Abb. 4: Change-Management-Prozess

    Der Schlüssel zum Erfolg dieser Vorgehensweise ist die ihr zugrundeliegende Taktik, in jedem Arbeitsschritt alle relevanten Stakeholder zu informieren und einzubinden. Diese „integrative Kommunikationsstrategie“ stellt eine ausgewogene Berücksichtigung wirtschaftlicher und kultureller Aspekte sicher. Damit wird erreicht, dass  keine rein kostenorientierte Veränderung anvisiert wird, da auf diese Weise kein nachhaltiger Nutzen aufgrund von unzureichendem Kulturwandel entstehen kann. Der wirtschaftliche Nutzen einer neuen Software, wie dem beschriebenen Ticket-Tool (Vgl. Artikel Integrierte Digitalisierung“), kann sich nur entfalten, wenn diese von den Mitarbeitern akzeptiert und fachgerecht eingesetzt wird. Ebensowenig ist aber ein rein kulturell ausgerichtetes Veränderungsmanagement zielführend, weil dabei die Orientierung am wirtschaftlichen Nutzen fehlt. So ist es z.B. nur sinnvoll, die Mitarbeiter vom IDEa-Konzept zu überzeugen, wenn im Anschluss daran auch rentabilitätssteigernde Maßnahmen durch Industrialisierung und Digitalisierung des Einkaufs umgesetzt werden. Aus diesem Grund sollten während der Einführungsphase Aktivitäten im Wechsel durchgeführt werden, die entweder das Ziel verfolgen, die wirtschaftliche Rentabilität des Unternehmens zu erhöhen oder aber den Verhaltens- und Kulturwandel voranzutreiben. Dabei bilden gezielt terminierte Lenkungsausschusssitzungen das Bindeglied zwischen den einzelnen Aktivitäten, um notwendige Entscheidungen zu treffen und die Unterstützung durch das Top-Management während der Einführungsphase sicherzustellen. 

    Drei zentrale Prozessschritte zielen auf eine Erhöhung der Rentabilität ab:

    1. Durchführung von Interviews mit relevanten Stakeholdern zur Aufnahme des Status Quo und Erhebung möglicher Restriktionen
    2. Definition von Maßnahmen zur Industrialisierung und Digitalisierung des strategischen Einkaufsprozesses inkl. Kosten-/Nutzenkalkulation
    3. Umsetzung der definierten Maßnahmen

    Nach jedem dieser Schritte ist jeweils ein Schritt zur Einbindung sämtlicher Stakeholder durchzuführen. So wird sichergestellt, dass alle Stakeholder davon überzeugt sind, Entscheidungen mit getroffen zu haben, und dass sie sich in langsam an den Zielzustand gewöhnen können:

    1. Prüfung und Bestätigung des aufgenommenen Status Quo und Feststellung von Restriktionen auf seiten der Stakeholder, um korrekte Erfassung sicherzustellen und Missverständnisse auszuschließen
    2. Transparente Kommunikation und Abstimmung der beschlossenen Maßnahmen im engen Dialog mit Stakeholdern, um die vollständige Information aller Betroffenen und deren Akzeptanz zu gewährleisten
    3. Einholung von Feedback der Stakeholder, um den strategischen Einkaufsprozess optimal den Bedürfnissen der Stakeholder anpassen zu können

    Auf Basis des Feedbacks der Stakeholder erfolgt das „Fine Tuning“ des strategischen Einkaufsprozesses, indem dieser bei Bedarf in Teilen angepasst und weiter optimiert wird. Die Anpassungen sollten sowohl der Steigerung der wirtschaftlichen Rentabilität als auch dem weiteren Verhaltens- und Kulturwandel dienen.

    Alternativen des Transformationsumfangs

    Die integrative Kommunikationsstrategie bildet damit die Basis auf dem Weg zum industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozess. Nun stellt sich die Frage, in welchem Umfang und in welcher Geschwindigkeit der strategische Einkaufsprozess nach dem IDEa-Modell umgestaltet werden kann. 

    Zur Regulierung von Umfang und Geschwindigkeit gibt es zwei maßgebliche Stellschrauben: Sowohl die Anzahl der spezialisiert bearbeiteten Aufgabenpakete bzw. digitalisierten strategischen Einkaufsprozessschritte als auch die Anzahl der umstrukturierten Einkaufsbereiche  bzw. Warengruppen sind variable Größen mit Einfluss auf die Umsetzbarkeit. Es lassen sich vier grundlegende Varianten des Transformationsumfangs unterscheiden, die ihrerseits ebenfalls variiert werden können (vgl. Abbildung 5):

    Abb. 5: Vier grundlegende Varianten des Transformationsumfangs
    1. „Minimal“: Hier wird die kleinstmögliche Änderung realisiert, indem zunächst nur Industrialisierung und Digitalisierung eines Aufgabenpaketes im Sourcing-Prozess (z.B. Datenanalyse) oder eines Prozessschrittes (z.B. Lieferantenanalyse und -auswahl) umgesetzt werden. Dabei beschränkt man sich auf nur einen Einkaufsbereich bzw. eine Warengruppe. 
    2. „Aufgabenpaket/Prozessschritt“: Hierbei wird analog zur Variante „Minimal“ ebenfalls nur ein Aufgabenpaket oder Prozessschritt umgesetzt. Dies erfolgt jedoch für mehrere oder sogar alle Einkaufsbereiche oder Warengruppen.
    3. „Bereich“: Bei dieser Variante wird zunächst nur ein Einkaufsbereich wie z.B. dem Dienstleistungseinkauf oder eine Warengruppe reorganisiert. Die Umstrukturierung erfolgt jedoch komplett nach dem Modell IDEa.
    4. „Umfassend“: Der größte Transformationsumfang wird mit dieser Variante erreicht, bei der ein Großteil z.B. der komplette direkte Einkauf oder sogar alle Bereiche und Warengruppen nach IDEa reorganisiert werden.

    Auf Basis dieser Varianten lässt sich eine schrittweise Weiterentwicklung des Einkaufs hin zur umfassenden Etablierung des IDEa-Konzeptes realisieren: Als Einstieg kann z.B. die Variante „Minimal“ gewählt werden. Nach erfolgreicher Einführung können anschließend die Varianten „Aufgabenpaket“ und/oder „Bereich“ angegangen werden. Sofern sich aufgrund dessen die erhofften Verbesserungen einstellen, kann daraufhin mit der Implementierung der Variante „Umfassend“ begonnen werden. Selbstverständlich kann jede der Varianten bei Bedarf auch ohne eine Vorstufe direkt umgesetzt werden. Aus dieser Methodik ergeben sich zahlreiche Vorteile: 

    • Individualisiertes Vorgehen: Es wird ein auf die entsprechende Unternehmenssituation abgestimmtes Vorgehen ermöglicht und keinesfalls eine Transformation „mit der Brechstange“ abverlangt. Da IDEa kein Patentrezept für jede Unternehmensform ist, kann das damit verbundene Leistungspotential nicht pauschal in jeder Organisation ausgeschöpft werden. In Abhängigkeit der Ist-Situation im Unternehmen kann daher die optimale Transformationsvariante für den Einstieg gewählt werden.
    • Reduziertes Investitionsrisiko: Der Nutzen der Einführung des IDEa-Modells muss den damit verbundenen Aufwand übersteigen. So dürfen bspw. die Personalkosten nicht ansteigen. Der gegenüberstehende Nutzen kann jedoch zunächst nur grob abgeschätzt werden, da Potentiale für Qualitätsverbesserungen und Zeitersparnis von vornherein nur schwer quantifizierbar sind. Durch die schrittweise Vorgehensweise lässt sich das Investitionsrisiko minimieren, da sich mögliche negative Auswirkungen auf den reorganisierten Bereich beschränken.
    • Aufbau von Know-how: Bei schrittweisem Durchlaufen der Varianten lässt sich sukzessive Erfahrung mit IDEa sammeln. Peu à peu können Expertenwissen aufgebaut, Verhaltensweisen verinnerlicht und aus Fehlern gelernt werden. Das erworbene Know-how lässt sich anschließend auf die nächsthöhere Transformationsvariante übertragen.
    • Abmildern der Herausforderungen: Die oben beschriebenen möglichen Hürden bei der Umstrukturierung lassen sich abmildern. So steigt i. d. R. die Akzeptanz und Motivation für den Umbau zum industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozess, wenn die damit verbundenen Erfolge sichtbar und Vorteile erkennbar werden. Ein nicht ausreichendes Know-how der Mitarbeiter lässt sich durch den sukzessiven Aufbau von Expertise nach und nach auflösen. Schließlich können auch starre Organisationsstrukturen durch die schrittweise „bottom-up“-Transformation des Einkaufs über die Zeit aufgeweicht werden. 

    Zeit- und Maßnahmenplan

    Sobald sowohl die Vorgehensweise als auch die Variante des Transformationsumfangs definiert sind, gilt es, einen Zeit- und Maßnahmenplan für die Einführung des industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozesses aufzustellen. Dieser sollte zum einen realistisch und robust sein. So sollten Teilprojekte mit ausreichend Zeitpuffern geplant werden, um den gesamten Projektfortschritt nicht durch unerwartet auftretende Verzögerungen, z.B. aufgrund von erhöhtem Abstimmungsbedarf zwischen einzelnen Fachbereichen, zu behindern. Zum anderen sollte der Plan klar definierte Meilensteine enthalten. So wird sichergestellt, dass der Projektstatus und Fortschritt jederzeit klar definiert ist. Die vier wesentlichen Meilensteine, im Rahmen der Einführung sind:

    1. Geschaffene Faktenbasis zur Optimierung des strategischen Einkaufsprozesses (nach Durchführung von Interviews zur Aufnahme des Status Quo)
    2. Konzeptionell neu gestalteter strategischer Einkaufsprozess 
    3. Definierte Maßnahmen zur Umsetzung
    4. Umgesetzte Maßnahmen zur Industrialisierung und Digitalisierung des strategischen Einkaufsprozesses

    3. Erfolgs-Tracking

    Den dritten Baustein zur nachhaltigen Etablierung des industrialisierten und digitalisierten Einkaufsprozesses bildet ein stringentes Erfolgs-Tracking – sowohl während der Einführungsphase als auch darüber hinaus. Im Rahmen der Einführung steht dabei eine regelmäßige Überprüfung des Zeitplans im Fokus. Dabei  sollte darauf geachtet werden, dass Deadlines und Teilprojektzeiten eingehalten werden, und  der Plan sollte bei Bedarf angepasst werden, sofern sich wesentliche Rahmenbedingungen ändern (z.B. unvorhergesehene technische Schwierigkeiten bei der Einführung von Software).

    Nach der erfolgreichen Einführung des industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozesses stellt sich die Frage, wie dieser sein volles Potential nachhaltig entfalten kann. Die Lösung ist ein Erfolgsmessungssystem, das auf quantitativen und bei Bedarf auch qualitativen KPIs (= Key Performance Indicators) basiert. In Bezug auf die Industrialisierung des strategischen Einkaufsprozesses lässt sich die Anzahl der beschäftigten FTE (= Full Time Equivalent) im strategischen Einkaufsprozess als Kennzahl verwenden. Der Grad der Digitalisierung lässt sich z.B. anhand von Prozessdurchlaufzeiten messen. Ebenso sollte der finanzielle Erfolg ermittelt werden, z. b: anhand der durchschnittlich erzielten jährlichen Einsparungen pro A-Warengruppe.

    Erfolgsentscheidend ist dabei, dass zum einen die Soll-Werte für diese KPIs klar definiert werden und zum anderen die Entwicklung der KPIs regelmäßig nachgehalten wird. So kann bei zu großen Abweichungen dem nicht zufriedenstellenden  Ist-Wert im Vergleich zu den Soll-Werten durch die Einleitung korrektiver Maßnahmen gegengesteuert werden.

    Fazit

    Wenn sich ein positiver Business Case auf Basis von identifiziertem Potential rechnen und darstellen lässt, gibt es gute Argumente für die Einführung des industrialisierten und digitalisierten strategischen Einkaufsprozesses. Personelle Hürden bei der Umsetzung kann man mit diesen Argumenten im Rahmen einer gut durchdachten Kommunikationsstrategie begegnen. Auch organisatorische Hürden können durch konsequentes und aktives Change Management überwunden werden. Zudem muss das Unternehmen nicht von einem Tag auf den anderen eine Kehrtwende vollziehen. Umfang und Geschwindigkeit der Transformation sind variabel, so dass für jedes Unternehmen ein individueller, „IDEaler“ Weg gefunden werden kann, dessen Erfolg sich durch nachhaltiges KPI-Controlling absichern lässt.

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