Bedarfe zuverlässig planen

Beim Sales and Operations Planning (S&OP) kommen Vertrieb, Disposition, Fertigung und Beschaffung an einen Tisch. Das Ziel: Ein verlässlicher Forecast auf Stücklistenbasis. Eine Herausforderung ist das vor allem im Projektgeschäft.

Supply Chain Management bedeutet per se das Management konkurrierender Ziele. Besonders im Sales and Operations Planning, dem sogenannten S&OP-Prozess, wird das deutlich. Flexible Kundenwünsche müssen bedient, Fertigungskapazitäten optimal genutzt, Bestände niedrig und Materialien auf Abruf verfügbar sein. Das Ziel der S&OP-Abstimmung zwischen Vertrieb, Fertigung und Einkauf/Materialwirtschaft lautet: die Marktversorgung bei optimalen Los- und Chargengrößen ohne kostentreibende Bestandswellen sicherzustellen.

Die Herausforderung: Je volatiler der Markt, je weniger Standard- und je mehr Projektgeschäft, desto engmaschiger müssen sich die Beteiligten absprechen, um eine ausreichende Planungssicherheit zu gewährleisten. Schließlich sollten für einen brauchbaren Forecast die Umsatzprognosen aus dem Vertrieb auch für den Einkauf bis auf Stücklistenebene operationalisiert werden.

Ziel: Niedrige Bestands- und Rüstkosten

„Ein guter S&OP-Prozess ist ein klarer Wettbewerbsvorteil, das erkennt aktuell auch der Mittelstand“, erklärt SCM-Spezialist Dennis Goetjes von Höveler Holzmann Consulting. Er betont: Je zuverlässiger die Absatzplanung, desto niedriger Rüst- und Bestandskosten. Liegt die Planung daneben, laufen die Kosten hingegen davon (auch, weil immer wieder manuell eingegriffen wird) und/oder die Lieferfähigkeit ist gefährdet. 

Vorsicht Schattenplanung!

Aufgabe des Supply Chain Managements im S&OP-Prozess ist es, die langfristigere Absatz- mit der kurzfristigen Fertigungsplanung zu harmonisieren und einen optimalen Planungshorizont zu verhandeln. „Das Problem sind die Schattenplanungen“, mahnt Goetjes für den Fall, dass es keinen transparenten, durchgängigen Prozess gibt. Dann optimiert sich nämlich jede Abteilung erst einmal selbst. Umso wichtiger ist es die Silodenke aufzubrechen. „Für den S&OP-Prozess ist entscheidend, dass er auf der richtigen Ebene gesteuert wird“, erklärt Dennis Goetjes. Das bedeutet: Hierarchisch auf keinen Fall zu tief, sonst fehlt der Durchgriff. 

Was ist der richtige Planungshorizont?

Gute Algorithmen sind die Voraussetzung für einen aussagekräftigen Forecast, doch auch moderne Prognosesoftware ist kein Allheilmittel. „Sales and Operations Planning braucht die regelmäßige Absprache aller Beteiligten“, weiß Goetjes. Die Statistik hilft zudem nicht bei allen Sortimenten. Gerade im Projektgeschäft braucht es das Knowhow von Vertrieb und Projektingenieuren, um zu wissen, wann exakt welcher Bedarf entsteht. Auch die Beschaffung braucht die richtigen Horizonte, etwa für Bauteile mit längeren Lieferzeiten. Und: Der gemeinsame Planungshorizont sollte bei aller Flexibilität irgendwann eingefroren werden. „An einem bestimmten Punkt muss man sagen, die Planung gilt jetzt“, erklärt S&OP-Experte Goetjes. Bewährt hat sich der Rhythmus von monatlichen strategischen Meetings und einer wöchentlichen operativen Planungsrunde. So kann das abteilungsübergreifende Potential optimal ausgeschöpft werden. 

BITO Lagersysteme: S&OP im Projektgeschäft

Bei BITO Lager- und Behältersysteme hat man sich diesen Rhythmus ebenfalls zu eigen gemacht. Zu den S&OP-Aufgaben von Joachim Bernard, Leitung Supply Chain Management bei BITO, gehört ein Mix aus gut planbarem Katalog- und äußerst flexiblem Projektgeschäft. BITO konzipiert Lagersysteme für Läger und Logistikzentren, die direkt oder über Systemintegratoren beliefert werden. Hinzu kommt ein Katalog- und Webshop für Standardelemente. 
Entscheidend für den S&OP-Prozess der umfangreichen Projekte ist weniger die Zeitspanne zwischen Beauftragung, Konzept, Fertigung und Montage, sondern der Zeitpunkt der genauen Spezifikation. Und der kann sehr unterschiedlich liegen, zumal sich zahlreiche Details im Projektverlauf immer wieder ändern. 

Wöchentliche Absprache

Gefertigt werden die Lagersysteme im Stammwerk in Meisenheim (Regalsysteme), in Lauterecken (Behältersysteme) und im polnischen Kaltwasser/Zimna Wódka (Regalsysteme). „Wir sind beschaffungs- und fertigungsseitig darauf ausgelegt sehr kurzzyklisch zu arbeiten“, erklärt Joachim Bernard. Beschafft wird über Rahmenverträge, sind diese ausgeschöpft, bedient sich der Einkauf auf dem Spotmarkt. Entsprechend engmaschig ist die Kommunikation. Das Team aus Einkauf, SCM, Fertigungsplanung, Vertrieb und Technik trifft sich im Wochenrhythmus. „Die Herausforderung liegt darin, aus der Unstetigkeit eine Stetigkeit zu machen“, erzählt der Supply Chain Manager. „Wir versuchen Trends und Tendenzen über unsere Entwicklungspartnerschaften frühzeitig zu erkennen sowie Plattformen und Baukastensysteme zu entwickeln“, beschreibt Bernard das Strategie, die mehr Ruhe in den Prozess bringen soll. 

Kurze Beschaffungszyklen

Wie überall sind die Anforderungen an die abteilungsübergreifende Abstimmung gestiegen. Der Markt ist dynamisch, die Kundenwünsche komplex. Deshalb versucht man bei BITO die Jahres- und Kurzfristplanung optimal zu kombinieren. Entscheidend ist die persönliche Kommunikation: „Mitunter müssen wir sehr schnell reagieren“, betont Joachim Bernard. Auch die Beschaffung muss mit den kurzen Zyklen leben. „Manchmal werden Rahmenverträge früher abgeschöpft, manchmal auch nicht, das erfordert im Einkauf Agilität“, erklärt Bernard. Zumal die Unterschiede in den spezifischen Details entstehen. Zum Beispiel: Welche geografischen Anforderungen gibt es an das projektierte Lagersystem tatsächlich? Welche geforderte Festigkeit und damit Legierung für den Stahl ergibt sich hieraus (zum Beispiel Erdbebensicherheit)? 

Beziehungen pflegen!

Für den Einkauf kommt es deshalb auf eine partnerschaftliche Beziehung zu den Stammlieferanten an. Wichtig ist, dass alle nah am Geschehen sind: „Nur über Kennzahlen lässt sich ein Geschäft wie das unsere nicht steuern“, betont Bernard. Und er weiß auch: In diesem Prozess ist man nie am Ende. Deshalb sollen die Planungsebenen und Entkopplungspunkte durch weitere Lagerstufen optimiert werden. Das heißt: mehr Vor- und Rohmaterialien im Lager. „Dann plane ich auf den Vorstufen“, erklärt Joachim Bernard. Die Flexibilität kommt Beschaffung und Fertigung zu gute. 

Joachim Bernard, der sich auch in verschiedenen Normausschüssen und Fachbeiräten des VDI engagiert, beschäftigt sich zudem mit den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz für Prognosen unter stochastischen Marktbedingungen. Dass er die Supply Chain des Katalog- und Webshops von BITO ebenfalls steuert, erwähnt er beinahe nebenher. Das für das Unternehmen wichtige Standbein ist durch hohe Lagerverfügbarkeit und kurzfristige Lieferung gekennzeichnet. Die Lieferkette hat Bernard im Griff: „Hier können wir aufgrund vergangener Daten die Zukunft sehr gut planen“, freut er sich.  

Erschienen ist der Beitrag in der TECHNIK+EINKAUF, www.technik-einkauf.de/, Autorin ist Annette Mühlberger.