Die organisatorische Verankerung des Supply Chain Managements im Unternehmen - Start der nächsten Optimierungsstufe!

Viele Unternehmen stehen heute vor der großen Herausforderung, ein abteilungsübergreifendes Supply Chain Management organisatorisch im Unternehmen zu verankern, um so eine ganzheitliche Betrachtung von Supply Chain Prozessen und Abläufen nachhaltig zu implementieren.

Supply Chain Optimierung - Hintergrund

Die aufbauorganisatorische Verankerung einer Supply-Chain-Management-Abteilung im Unternehmen, welche den optimalen Rahmen für Optimierungsbestrebungen über Abteilungsgrenzen hinaus schafft, unterscheidet sich erheblich von klassischen Organisationsformen mit funktionalen Bereichen. CEOs führender Unternehmen haben diese Notwendigkeit erkannt; zahlreiche Unternehmen haben begonnen, moderne Organisationsformen unter Berücksichtigung der Querschnittsfunktion Supply Chain Management zu realisieren. Die Herausforderung liegt in der sinnvollen Eingliederung in die eigene Organisationsstruktur, um Einsparpotentiale in der digitalen Wertschöpfungskette heben zu können. Wie also kann die an Bedeutung gewinnende Disziplin Supply Chain Management in die eigene Organisation integriert werden, um den Unternehmenserfolg bestmöglich und nachhaltig positiv zu beeinflussen?

Grundsätzliche Möglichkeiten zur Supply Chain Organisation - organisatorische Verankerung des Supply Chain Management

Anhand der drei klassischen, organisatorischen Kriterien - Formalisierung, Zentralisierung und Hierarchie - können mögliche Organisationsvarianten zur Verankerung von Supply Chain Management entwickelt werden. Hierbei entspricht das Kriterium der Formalisierung dem Ausmaß, mit dem organisatorische Regeln sowie die Leistungserbringung einzelner organisatorischer Einheiten schriftlich festgehalten sind. Ein hohes Maß an Formalisierung bedeutet eine regelmäßige Kommunikation detaillierter Aufgabenpakete und Verhaltensregeln an die Mitarbeiter. Dem gegenüber steht ein geringes Maß an Formalisierung, welches Mitarbeitern eine größere Flexibilität in der Ausübung ihres Tätigkeitsbereiches erlaubt, da kaum konkrete, schriftliche Regeln oder Vorgaben vorhanden sind. Demzufolge referenziert Formalisierung auf das Ausmaß der Standardisierung von SCM Prozessen und Tätigkeiten in einer Organisation unter Einbezug von Richtlinien. Das Kriterium der Zentralisierung reflektiert die Verteilung der Entscheidungsautorität im Unternehmen. Entscheidungen können entweder zentral in einer übergeordneten organisatorischen Einheit für andere Einheiten oder dezentral in jeder organisatorischen Einheit selbst getroffen werden. Je breiter die Verteilung der Entscheidungsautorität auf eine größere Anzahl an organisatorischen Einheiten ist, desto geringer ist das Ausmaß der Zentralisierung. Dagegen steht die Vergabe der Entscheidungsautorität an eine zentrale Stelle, wobei Entscheidungen an untergeordnete dezentrale Stellen weitergegeben werden und diese einen Teil ihrer Autonomie verlieren. Das Kriterium der Hierarchie spiegelt schließlich die hierarchische Anordnung einer organisatorischen Einheit im Organigramm der Organisation wider. Diese kann auf dem höchsten Level, dem der Geschäftsführung, oder auf nachgelagerten, niedrigeren hierarchischen Ebenen angesiedelt werden.

Bei Anwendung der drei organisatorischen Kriterien können folgende fünf mögliche Supply-Chain-Management-Organisationsvarianten identifiziert werden (Abbildung 1):

  1. Nicht SCM-orientierte Organisation
  2. Funktionale SCM OrganisationMatrix Channel Organisation
  3. Matrix Channel Organisation
  4. Process Staff Organisation
  5. Integrated Line Organisation
Abbildung 1: SCM-Organisationsvarianten

Diese Möglichkeiten haben nicht den Anspruch allumfassend zu sein, decken jedoch den Großteil der organisatorischen Möglichkeiten der Verankerung von Supply Chain Management ab. In Abbildung 2 sind die Ausprägungen der organisatorischen Kriterien dargestellt, worauf aufbauend im Folgenden die sich ergebenen Eigenschaften jeder Organisationsform kurz erörtert werden.

Abbildung 2: Übersicht Ausprägung SCM Organisationsvarianten

Innerhalb der ersten Organisationsvariante, der Nicht-SCM-orientierten Organisation (1), sind Aufgabenpakete im Bereich des Supply Chain Managements im Unternehmen auf verschiedene Abteilungen verstreut. Die Funktionen der Koordination und des strukturierten Schnittstellenmanagements einer Supply-Chain-Management-Abteilung bleiben somit aus, sodass etwaige Synergien zwischen Abteilungen und über Unternehmensgrenzen hinweg lediglich unstrukturiert als Subfunktion einzelner Abteilungen wahrgenommen werden. Das Ansehen von Supply Chain Management in dieser Organisationsform ist gering, sodass Supply Chain Optiierungen Optimierungen innerhalb von Abteilungen das Bestreben, ein Gesamtoptimum für die Organisation zu finden, dominieren. Die Funktionale SCM Organisation (2) zeichnet sich durch einen hohen Zentralisierungsgrad aus und durch eine hierarchische Verankerung, die gleichwertig zu den anderen Abteilungen des Unternehmens ist, wobei die Supply-Chain-Management-Abteilung klassische Supply-Chain-Management-Tätigkeiten als Funktion durchführt. Im Rahmen einer Matrix Channel Organisation (3) hat die Supply-Chain-Management-Abteilung bei gleicher hierarchischer Anordnung zu anderen Abteilungen und einem mittleren Zentralisierungsgrad einen Fokus auf Koordinations- und Schnittstellenmanagement-Aufgaben. Ein Großteil der klassischen Supply-Chain-Management-Tätigkeiten wird in den funktionalen Abteilungen durchgeführt und von der Supply-Chain-Management-Abteilung koordiniert. Innerhalb einer Process Staff Organisation (4) mit geringer Zentralisierung der Supply-Chain-Management-Tätigkeiten und einer hierarchischen Positionierung der Supply-Chain-Management-Abteilung über den übrigen Abteilungen, plant die Supply-Chain-Management-Abteilung schnittstellenübergreifende Aufgabenfelder und unterstützt andere Abteilungen bei deren Bewältigung. Somit kann hier durch die erhöhte hierarchische Anordnung verstärkt Einfluss auf die Optimierung von Schnittstellen zwischen den Abteilungen genommen und den Abteilungsoptimierungsbestrebungen etwas entgegen gesetzt werden. Abschließend zeichnet sich die Integrated Line Organisation (5) durch die höchsten Ausprägungen in den Bereichen von Formalisierung, Zentralisierung sowie der hierarchischen Verankerung der Supply-Chain-Management-Abteilung im Unternehmen aus. In dieser Organisationsvariante werden Supply-Chain-Management-Tätigkeiten gebündelt geführt. Ziel dieser Organisationsform ist es, alle Aktivitäten innerhalb der Wertschöpfungskette effizient und effektiv zu steuern und jegliche abteilungsinterne Optimierungen zu verhindern, die einem Gesamtoptimum im Unternehmen entgegenstehen.

Abschließend stellt sich die Frage, welche der fünf vorgestellten Möglichkeiten der organisatorischen Verankerung von Supply Chain Management in der Praxis angewandt werden und wie der aktuelle Status der Integration im Bereich Supply Chain Management von Unternehmen im deutschsprachigen Raum ist.

Status einer unabhängigen Supply-Chain-Management-Abteilung sowie Wertschöpfungsstufen des Supply Chain Managements bei produzierenden Unternehmen im deutschsprachigen Raum

Im Rahmen einer aktuellen Studie von HHC mit über 250 befragten produzierenden und umsatzstarken Unternehmen im deutschsprachigen Raum wurde der Status der organisatorischen Gestaltung sowie der Integrationsgread des Supply Chain Managements in den Unternehmen erhoben. Bei der Auswahl der Unternehmen wurde neben dem Umsatz auch die Anzahl der Mitarbeiter berücksichtigt, um sicherzustellen, dass Supply-Chain-Management-Tätigkeiten zur Unternehmenssteuerung notwendig sind und somit potenziell eine Supply-Chain-Management-Abteilung erforderlich ist. Im Ergebnis wurden Daten von Unternehmen aus den Bereichen Konsumgüterindustrie (34%), Industriegüter (34%), Elektronik- und Automobilindustrie (24%) sowie weiteren Branchen (7%) erhoben. Die Resultate der Befragung sind in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3: Status SCM Organisation im deutschsprachigen Raum

Im Ergebnis optimieren 20% der antwortenden Unternehmen nach wie vor einzelne Funktionen und Abteilungen, ohne einer Integration von Aufgaben größeren Raum zu geben. In dieser Ausprägungsstufe kann von hohen, noch bestehenden Supply Chain Optimierungs- und Einsparpotentialen innerhalb der betrieblichen Supply Chain ausgegangen werden. Hingegen integrieren 33% der Unternehmen bereichsübergreifend Aufgabenfelder, sodass erste Schnittstellenpotentiale gehoben werden. 44% der antwortenden Unternehmen integrieren interne Funktionen und Abteilungen; hier sind die Anstrengungen zur Realisierung eines Gesamtoptimums im Unternehmen stark fortgeschritten und dem Abteilungsdenken vorangestellt. Lediglich 5% der antwortenden Unternehmen haben den Fokus bereits auf Initiativen zur externen Integration von Lieferanten und Kunden gelegt, um das gesamte Potential innerhalb der Wertschöpfungskette zu bearbeiten.

Ausblick – Verankerung von Supply Chain Management in der eigenen Organisationsstruktur

Viele Unternehmen stehen aktuell vor der Herausforderung, die für sie richtige Organisationsform des Supply Chain Managements zu finden, durch die auf der einen Seite die bestehenden Optimierungspotenziale gehoben werden können, die aber auf der anderen Seite auch die erforderliche Akzeptanz der anderen Abteilungen im Unternehmen findet. Daher sollte jeder organisatorischen Neugestaltung ein entsprechendes Projekt mit dem Ziel, bestehende Schwachstellen und Potentiale zunächst zu identifizieren, vorausgehen. Auf dieser Basis kann dann zielgerichtet die passende Organisationsform für das eigene Unternehmen abgeleitet werden. Ein entsprechendes Projekt kann in drei aufeinander aufbauenden Schritten durchgeführt werden:

  1. Analyse der Ist-Situation und Durchführung eines Benchmarkings der Supply-Chain-Prozesse und Supply-Chain-Strukturen. In dieser Phase bietet es sich insbesondere an, qualitative und quantitative Benchmarks einzusetzen, um auf diese Weise schnell und effizient die relevanten SCM Optimierungspotentiale zu identifizieren, die im Rahmen einer Neuorganisation des Supply Chain Managements gehoben werden sollen. Benchmarks können Prozesskosten-/oder Performancevergleiche, Bilanzkennzahlenbenchmarks oder Benchmarks von Prognosegüten und Performancekennziffern sein, um nur einige Beispiele zu nennen.
  2. Detaillierte Konzeption der abgeleiteten Maßnahmen. In dieser Phase werden die einzelnen identifizierten Maßnahmen umsetzungsreif ausdetailliert. Neben der Beschreibung der Soll-Organisation und der neuen Supply Chain Strukturen und Supply Chain Prozesse geht es insbesondere auch darum, den Weg in die neue Struktur schon im Detail zu beschreiben. Hierbei gilt es, Themen wie die zeitliche Abfolge von Kommunikationsmaßnahmen, die Einbeziehung des Betriebsrats sowie die eventuelle Suche neuer Mitarbeiter in einen einheitlichen Ablaufplan zu bringen. Umfassende Maßnahmenpläne mit klaren Verantwortlichkeiten, Bedarf von Ressourcen und definierten Zeithorizonten sind die wesentlichen Ergebnisse dieser Phase.
  3. Umsetzung der ausdetaillierten Maßnahmenpakete unter Einbezug eines umfassenden Umsetzungscontrollings. In dieser Phase wird die praktische Umsetzung gesteuert und der Erfolg durch ein zielgerichtetes Maßnahmen- und Effektcontrolling nachgehalten.

Viele prominente Beispiele zeigen, dass dann die nächste Stufe in der gesamthaften Supply Chain Optimierung gezündet und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit deutlich gesteigert werden kann.