Mit Markenlieferanten erfolgreich Verhandlungen führen

Die Verhandlungsführung ist eine der Kernaufgaben jeder Einkaufsabteilung. Die Anforderungen an ein erfolgreiches Verhandlungsmanagement sind jedoch in den einzelnen Branchen mitunter sehr unterschiedlich. Insbesondere in Branchen, in denen Marken einen hohen Stellenwert haben - wie bspw. der Mode-, Schmuck- und Uhrenhandel -, stellen die Lieferantenverhandlungen eine große Herausforderung dar.

Um die Exklusivität der im Portfolio befindlichen Marken zu steigern, verknappen einige Lieferanten künstlich ihr Angebot. Diese Lieferanten sorgen so für eine höhere Nachfrage und können dann in der Regel zwischen ihren Kunden wählen. Konditionsverbesserungen sind mit diesen Lieferanten nur schwer auszuhandeln. Ebenso verteilen sich Lizenzrechte vieler Marken auf einige wenige international tätige Konzerne, was die Verhandlungsmacht der Lieferanten ebenfalls stark erhöht. Dies sind nur einige Eigenheiten, die Konditionsverhandlungen mit Markenlieferanten zu einer großen Herausforderung machen.

Wie also können unter diesen erschwerten Bedingungen Verhandlungserfolge erzielt werden?

Eine gründliche Verhandlungsvorbereitung ist hierbei essenziell wichtig und entscheidend für den Verhandlungserfolg. Dementsprechend sollte die sogenannte 80/20-Regel befolgt werden, die besagt, dass 80 Prozent der für die Verhandlungen verfügbaren Kapazitäten auf die Verhandlungsvorbereitung und die restlichen 20 Prozent auf die Durchführung und Nachbereitung der Verhandlungen verwendet werden sollen. Es bietet sich an, die Verhandlungsvorbereitung in vier Schritte aufzuteilen:

Abbildung 1: Vier Schritte der Verhandlungsvorbereitung

1.   Bestimmung der Verhandlungsposition/-situation:

a) Beantwortung von Schlüsselfragen

Um die eigene Verhandlungsposition identifizieren zu können und in Verhandlungen mit Markenlieferanten zu bestehen, ist die Grundvoraussetzung, den Lieferanten und den Markt, in dem er sich bewegt, zu kennen. Deshalb sollten alle wichtigen Schlüsselfragen erschöpfend beantwortet werden. Zu diesen Fragen gehören u.a.:

  • Welcher Umsatz wird in Zukunft mit dem Lieferanten erwartet?
  • Wie entwickelten sich die Marktanteile des Lieferanten in der Vergangenheit?
  • Wie hoch ist unser Anteil des Einkaufsvolumens am Gesamtumsatz des Lieferanten (A-/B-/ C-Kunde)?
  • Gibt es Alternativen zu den Marken des Lieferanten, die von den Kunden ebenfalls angenommen werden?
  • Welches Geschäftsergebnis hat der Lieferant im vergangenen Jahr erzielt?
  • Was kauft der Lieferant wo ein?
  • Wie hat sich der Rohmaterialpreis in der Vergangenheit entwickelt?

Als Informationsquellen können Branchenzeitschriften, Verbände, der Bundesanzeiger, Marktforschungsinstitute, externe Experten oder Lieferanten sowie die Fachabteilungen und das eigene ERP-System herangezogen werden. Das eigene ERP-System sollte es hierbei idealerweise ermöglichen, eine „Netto-Netto-Marge“ je Artikel, Warenbereich, Standort etc. auszuweisen. Die „Netto-Netto-Marge“ ist die Darstellung des Rohertrages, der um entstehende Kosten für bspw. Displays, Shop-In-Shops etc. bereinigt und um gewährte Konditionen des Lieferanten wie z.B. Werbekostenzuschüsse, Umsatzboni usw. ergänzt wurde. Dieser Wert ermöglicht den Vergleich der einzelnen Markenlieferanten. Beantwortet man anhand dieser Quellen gründlich alle Schlüsselfragen, erhält man Auskunft über die eigene Verhandlungsposition gegenüber dem Lieferanten. So lohnt sich zum Beispiel ein Blick in den Geschäftsbericht des Lieferanten. Dieser kann über den Bundesanzeiger oder auch auf der Homepage des Lieferanten eingesehen werden.

Beispielsweise kann anhand des Geschäftsberichts der eigene Umsatzanteil bei dem Lieferanten ermittelt werden. Umso höher der eigene Anteil am Umsatzvolumen des Lieferanten ist, umso stärker ist die eigene Verhandlungsposition.

b) Analyse der Kostenstruktur des Lieferanten

Die Kostenstruktur des Lieferanten zu analysieren, hilft zudem zu verstehen, wie das Gegenüber in den Verhandlungen „tickt“. Entfallen bspw. ein Großteil der Kosten des Lieferanten auf Rohmaterialien und nur ein geringer Anteil auf Personalkosten und sonstige fixe bzw. variable Kosten, so ist die Entwicklung des verwendeten Materials entscheidend für den Profit des Lieferanten. Der Silberpreis ist beispielsweise in dem letzten Jahr signifikant um mehr als 25% gesunken. Verwendet ein Markenlieferant in der Schmuckbranche hauptsächlich Silber in seinen Produkten und wurden die Preise in der Vergangenheit nicht an die Silberpreisentwicklung angepasst, können so erste Forderungen an den Lieferanten begründet werden.

c) Analyse der Druckpunkte und Anreize für die Verhandlungen

Es sollten außerdem alle Anreize und Druckpunkte identifiziert werden, die in den Verhandlungen angesprochen werden können. Mögliche Anreize, um den Lieferanten zu Zugeständnissen zu bewegen, könnten bspw. die Aufschaltung neuer, zusätzlicher Sortimente in Testfilialen oder die Änderung des Bestellverhaltens, z.B. durch Reduzierung von Einzelbestellungen, sein. Als Druckpunkte, um den Lieferanten zur Erfüllung der Forderungen zu bewegen, können je nach Verhandlungsposition und –situation bspw. die Streichung von Promotionen oder die Auslistung eines Sortiments in Erwägung gezogen werden. Zu beachten ist hierbei, dass in den Verhandlungen geäußerte Anreize oder Druckpunkte auch tatsächlich in der Praxis durchgesetzt werden. Es muss deshalb vorab genau definiert werden, was ein solches Vorgehen das eigene Unternehmen zusätzlich kostet. Nennt man Anreize oder Druckpunkte, die dann nach den Verhandlungen nicht erfüllt werden, so hat man an Glaubwürdigkeit gegenüber dem Lieferanten eingebüßt und ist in dem nächsten Jahresgespräch in einer schlechteren Ausgangsposition.

2.   Definition der Verhandlungspunkte/-ziele:

Erstellen Sie in einem ersten Schritt eine Liste mit Punkten, die Sie verhandeln möchten. Im Handel sind dies typischerweise die Spanne bzw. Marge, Retourenquote, Kommissionsware, Bonusstaffel, Skonto, Werbekostenzuschuss etc. Anschließend erstellen Sie eine Tabelle, in der für jedes Verhandlungsthema folgende drei Punkte bestimmt sind:

  • MDO (most desirable outcome) – Was ist das beste Verhandlungsergebnis, das realistisch erreichbar ist?
  • LAA (least acceptable agreement) – Was ist das gerade noch akzeptable Verhandlungsergebnis?
  • BATNA (best alternative to negotiated agreement) – Welche Alternativen gibt es, wenn nicht mindestens das LAA erreicht wird?

Um die Höhe des MDO und LAA zu bestimmen, sollten die relativen Margen sowie die gewährten Konditionen der einzelnen Lieferanten innerhalb der unterschiedlichen Sortimente bzw. Preisklassen verglichen werden. Dies ist insbesondere bei weltweit agierenden Großkonzernen sinnvoll, die über eine Reihe von Lizenz- und Eigenmarken verfügen. Stellt man bei der Auswertung der relativen Margen fest, dass es Unterschiede zwischen den einzelnen Lizenz- und Eigenmarken gibt, so hat man einen guten Ansatzpunkt, um die Höhe der Forderungen zu bestimmen. 

Auch zur Definition der Verhandlungsziele ist der Geschäftsbericht des Lieferanten aufschlussreich. Hier kann man sich in der Regel einen Überblick verschaffen, welche Marge bzw. Gewinne der Lieferant im letzten Geschäftsjahr erzielt hat. Daraus lassen sich wichtige Rückschlüsse ziehen, zu welchen Verhandlungszugeständnissen der Lieferant maximal in der Lage ist. Ist beispielsweise die Einführung von Kommissionsware, die von dem Lieferanten bis zum Verkaufszeitpunkt vorfinanziert werden muss, ein potenzieller Verhandlungspunkt, so kann aus dem Geschäftsbericht die Eigenkapitalquote bestimmt werden. Abhängig von der Höhe dieser Finanzkennzahl kann das MDO und LAA für Kommissionsware definiert werden.

Erwartungen in der Verhandlung könnten dann zum Beispiel wie folgt formuliert werden:

  • MDO: Wir erwarten eine vollständige Umstellung der gelieferten Artikel auf Kommissionsware.
  • LAA: Wir erwarten die Umstellung der Hälfte aller Artikel auf Kommissionsware.
  • BATNA: Wenn nicht mindestens die Hälfte der Artikel auf Kommissionsware umgestellt wird, tauschen wir einzelne Ihrer Sortimente durch vergleichbare Marken aus, mit denen wir eine höhere Marge erzielen können.

3.   Entwicklung der Argumentationskette:

Es ist wichtig, zu den definierten Verhandlungspunkten mögliche Antworten und Einwände des Markenlieferanten zu antizipieren und Antworten vorzubereiten. Dadurch begegnen Sie möglichen Einwänden frühzeitig und ersticken sie bereits im Keim. Am Beispiel der Einführung von Kommissionsware könnte eine mögliche Argumentationskette wie folgt aussehen:

Lieferant: Eine Komplettumstellung ist für uns mit einem sehr hohen Risiko verbunden. Antwort: Um dieses Risiko zu minimieren, kann die Umstellung auf Kommissionsware für ein Quartal erst an 20 Testfilialen getestet werden. Lieferant: Wir sind gerade in einer angespannten finanziellen Situation und können diese Art von Vorfinanzierung nicht stemmen. Antwort: Sie verfügen im Unternehmen über eine außerordentlich hohe Eigenkapitalquote von über 60%, d.h., Sie können die Umstellung problemlos durchführen. … Antwort: Durch die Umstellung auf Kommissionsware wird zudem zusätzliches Kapital bei uns frei. Dieses Geld werden wir in weiteres Wachstum der Filialen investieren. Demzufolge steigt auch der Umsatz von Ihren Marken mit uns. Angesichts der größeren Präsenz und des höheren Umsatzes fließen faktisch mehr liquide Mittel zurück in Ihr Unternehmen.

4.   Planung des Verhandlungstermins:

Es sollte ein Verhandlungsteam aus mehreren Personen aller betroffenen Fachbereiche zusammengestellt und deren Rollen in der Verhandlung definiert werden. Typische Rollen für Verhandlungen mit Markenlieferanten sind:

  • Verhandlungsführer: Leitet die Verhandlung (z.B. Geschäftsleiter, Einkaufsleiter)
  • Konditionenspezialist: Verhandelt die Konditionen (z.B. Bereichsleiter des Geschäftsbereichs)
  • Informationsspezialist: Besitzt ein tief gehendes Verständnis über die Anforderungen des Fachbereichs (z.B. Produktmanager)
  • Protokollant: Dokumentiert die Diskussion, die Vereinbarungen und die offenen Punkte

Neben der Zusammenstellung und Einweisung des Verhandlungsteams und der Klärung aller offenen Punkte sollte sich auch frühzeitig um die Verhandlungslogistik gekümmert werden: Ein Raum mit der benötigten Ausstattung (Beamer, Flipchart etc.) muss reserviert werden und die Verhandlungsunterlagen sollten in ausreichender Anzahl vorhanden sein. Verhandlungen mit Markenlieferanten ziehen sich oft in die Länge und benötigen mehrere Verhandlungsrunden bevor eine Einigung gefunden werden kann. Um diesen Prozess zu beschleunigen, ist es wichtig, dass der Lieferant zwei Wochen vor dem Verhandlungstermin eine Agenda zur Verfügung gestellt bekommt, damit er sich auf die zu verhandelnden Inhalte vorbereiten kann.

Wenn alle zuvor beschriebenen Punkte erarbeitet sind, sollte die komplette Verhandlungsvorbereitung in einem internen und externen Verhandlungsdrehbuch zusammengefasst werden.      
Das interne Drehbuch enthält typischerweise eine stichpunktartige Zusammenfassung zur Verhandlungsposition sowie der Verhandlungsziele und -inhalte, die Agenda und die Rollen der Verhandlungsteilnehmer. So dient das interne Drehbuch als Leitfaden in den Verhandlungen und sollte jedem Verhandlungsteilnehmer des eigenen Teams zur Vorbereitung ca. eine Woche vor der Verhandlung zur Verfügung gestellt werden.       
Bei dem externen Drehbuch handelt es sich um die Unterlage, die dem Lieferanten während der Verhandlung präsentiert wird. Mit dem externen Drehbuch werden die eigenen Verhandlungspunkte und –ziele fundiert beispielsweise anhand der eigenen Geschäftsentwicklung mit dem Lieferanten oder einem Margenvergleich zu ähnlichen Markenlieferanten abgeleitet.

Fazit

Wird der beschriebene Prozess zur Verhandlungsvorbereitung gründlich durchgeführt, steht einer erfolgreichen Verhandlung nichts mehr im Wege. Wenn Sie sich in der Verhandlung professionell verhalten und Ihrem Drehbuch folgen, können Sie auch in dem schwierigen Verhandlungsumfeld der Markenlieferanten signifikante Erfolge erzielen.