Procurement Performance Benchmarking - von den Besten lernen
Wie ist die Performance der eigenen Einkaufsabteilung im Vergleich zu Abteilungen von anderen Unternehmen? Wie kann diese Leistung auf Basis objektiv nachvollziehbarer Kriterien am besten bewertet werden? Und vor allem: In welchen Bereichen muss sich die eigene Einkaufsabteilung weiterentwickeln, um das Leistungsniveau der Best Performer zu erreichen? Dies sind drei wesentliche Fragen, die sich Verantwortliche im Einkauf früher oder später stellen müssen. Um den Unternehmen zu helfen, diese Fragen zu beantworten, hat HÖVELER HOLZMANN CONSULTING gemeinsam mit der International School of Management (ISM), Dortmund, im Rahmen der Procurement-Performance-Benchmarking Studie die Einkaufsleistung von 210 Unternehmen analysiert und auf Basis quantitativer und qualitativer Faktoren bewertet.
Im Rahmen der Procurement-Performance-Benchmarking Studie wurde auf Basis von frei zugänglichen Informationen die Einkaufsperformance von Unternehmen verschiedener Branchen analysiert. Ziel der Untersuchung war, folgende Fragen auf möglichst quantitativer Grundlage zu beantworten:
- Wer sind die Best Performer im Einkauf in Deutschland?
- Was können andere Unternehmen von den Best Performern lernen?
- Wie verläuft die dynamische Entwicklung der Einkaufsperformance?
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße/Branche und Einkaufsperformance?
Konzeption der Studie
Zur Bewertung der Einkaufsleistung wurde der Procurement Performance Index entwickelt, der sich aus sieben unternehmensspezifischen Bewertungskriterien zusammensetzt (siehe Abb. 1: Definition Procurement Performance Index):
- Materialaufwandsquote (= Materialaufwand / Gesamtleistung)
- Sonstige betriebliche Aufwandsquote (= Sonstiger betrieblicher Aufwand / Gesamtleistung = sbA-Quote)
- Days Inventory Outstanding (= Durchschnittlicher Lagerwert x 360 / Nettoumsatzerlöse = DIO)
- Days Payables Outstanding (= Durchschnittliche Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistungen x 360 / Materialaufwand = DPO)
- Position Einkauf im Unternehmen (= Hierarchieebene des Haupteinkaufsverantwortlichen z.B. Vorstand Einkauf oder Abteilungsleiter Einkauf)
- Internetpräsenz des Einkaufs (= Verfügbarkeit von Informationen über das Einkaufs- und Beschaffungsmanagement auf der Unternehmenshomepage)
- Durchführung von Einkaufsinitiativen zur Kostenoptimierung (= Durchführung eines Einkaufsprojekts zur Kostenoptimierung im Geschäftsbericht erwähnt)
Der große Vorteil dieser Form der Bewertung ist, dass die erforderlichen Daten aus frei zugänglichen und objektiv nachvollziehbaren Quellen entnommen werden können. So sind die Daten der Jahresabschlüsse online im elektronischen Bundesanzeiger oder in den Geschäftsberichten der Unternehmen zu finden. Die zugehörige Internetpräsenz des Einkaufs kann direkt der Homepage entnommen werden. Auf diese Weise kann auf aufwendige Befragungen der Unternehmen verzichtet werden. Diese Befragungen haben oftmals den Nachteil, dass regelmäßig nur eine geringe Anzahl der Unternehmen überhaupt antwortet. Zusätzlich entsteht häufig eine statistische Verzerrung dadurch, dass schwerpunktmäßig gerade die Unternehmen antworten, die im Einkauf bereits gut aufgestellt sind.
Bei der Auswahl der Kriterien wurde der Beeinflussbarkeit der Parameter durch den Einkauf große Bedeutung beigemessen. So können beispielsweise die Materialaufwandsquote und die sbA-Quote durch den Einkaufserfolg direkt beeinflusst werden. Zusätzlich spielen moderne Einkaufsabteilungen auch im Working Capital Management (WCM) eine große Rolle und wirken an Lagerbestandsoptimierungen und an der Ausweitung der Lieferantenzahlungsziele mit, sodass die beiden WCM-Kennzahlen DIO und DPO in die Bewertung aufgenommen wurden. Diese Kennzahlen wurden ausschließlich im Branchenvergleich ermittelt, da unterschiedliche Branchen hier sehr unterschiedliche Strukturen aufweisen. Neben der absoluten Höhe einer Kennzahl wurde auch die Veränderung der Kennzahl im Jahresvergleich in die Bewertung aufgenommen, um eine positive Dynamik im Unternehmen zu honorieren. In Summe ist es für ein Unternehmen möglich, bis zu 100 Punkte zu erreichen.
Auswahl der Studienteilnehmer
Um eine repräsentative Studie durchzuführen, wurden aus sieben verschiedenen Branchen jeweils 30 Unternehmen ausgewählt. Sowohl international führende Konzerne aus DAX und MDAX als auch mittelständische Unternehmen aus den Branchen Automotive, Chemie, Konsumgüter, Maschinenbau, Elektronik-, Technologie/IT, Energie & Rohstoffe sowie Verkehr & Logistik wurden in die Studie einbezogen. Voraussetzung für die Berücksichtigung war, dass die teilnehmenden Unternehmen den Materialaufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) separat ausweisen, sodass eine Analyse der Materialaufwandsquote möglich ist.
Wer sind die Best Performer im Einkauf in Deutschland?
Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Der Vergleich der Unternehmen nach dem erreichten PPI-Wert sieht die Henkel AG (Konsumgüter/69,6 Punkte) an der Spitze, dicht gefolgt von der Nemetschek AG (Technologie & IT/68,6 Punkte) sowie der Villeroy & Boch AG (Konsumgüter/67,8 Punkte) und der Wacker Chemie AG mit 67,5 Punkten (siehe Abb. 2). Insgesamt sind unter den TOP 20 Unternehmen die Branchen Chemie und Technologie & IT mit jeweils fünf Unternehmen am häufigsten vertreten.
Die wesentlichen Erfolgsfaktoren für das weit überdurchschnittliche Abschneiden von Henkel im Benchmarking sind nach der Datenlage völlig klar: Die Quoten für sonstige betriebliche Aufwände und Days Inventory Outstanding sind sowohl im Branchen- als auch Jahresvergleich sehr gut. Darüber hinaus weisen die Days Payables Outstanding im Jahresvergleich eine Verbesserung auf. Natürlich tragen die qualitativen Faktoren ebenfalls zum Erfolg bei: Ein Vorstandsmitglied ist direkt verantwortlich für den Bereich Einkauf, es wurden Optimierungsprojekte im Einkauf durchgeführt, und ein eigenes Lieferantenportal wurde online eingerichtet.
Im Vergleich der teilnehmenden Unternehmen fallen ca. 10 bis 15 Prozent in der Einkaufsleistung deutlich zurück. Bei diesen Letztplatzierten zeigen sich deutliche Optimierungspotentiale: Nicht nur liegen die absoluten Kennzahlen deutlich unter den jeweiligen Branchenwerten, sondern auch eine Verbesserungsdynamik ist kaum erkennbar. Diese unterdurchschnittlichen Ergebnisse korrelieren zudem stark mit den Resultaten bei den qualitativen Faktoren, wo diese Unternehmen ebenfalls nicht gut abschneiden. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Größe eines Unternehmens und dem PPI lässt sich übrigens nicht nachweisen, es besteht lediglich ein sehr schwacher Zusammenhang zwischen dem Umsatz eines Unternehmens und der erzielten Indexpunktzahl.
Was kann man von den Best Performern lernen?
Grundsätzlich gehen Best Performer den Einkauf anders an als andere Unternehmen. Zunächst wird die Stellung des Einkaufs im Unternehmen durch eine entsprechende organisatorische Stellung untermauert. Zudem stellt sich der Einkauf auch im Internet entsprechend dar und wird zu einem der Treiber des Unternehmenserfolgs. Der Einkauf initiiert Optimierungsprojekte und hat neben der Aufgabe der Reduzierung der Einstandspreise auch eine Rolle bei der Optimierung des Working Capitals. Diese Rolle liegt auch nahe, denn die Verbesserung von Materiallagerbeständen und die Ausweitung von Zahlungszielen bei Lieferanten lassen sich optimal im Rahmen von Einkaufsprojekten umsetzen. Letztlich fokussiert sich der Einkauf der Best Performer nicht nur auf den direkten Materialeinsatz, sondern ist auch in die Beschaffung der indirekten Materialen und Dienstleistungen stark involviert.
Fazit
Im Ergebnis zeigt das Procurement-Performance-Benchmarking große Unterschiede zwischen den Best Performern und der breiten Masse der Unternehmen. Diese Unternehmen liegen in nahezu allen Kategorien an der Spitze und demonstrieren somit Weltklasse bei den absoluten Werten sowie bei der Verbesserungsdynamik. Ein Teil der Unternehmen fällt in der Einkaufsleistung deutlich zurück, hier besteht akuter Handlungsbedarf. Häufig können hier mit ersten Initiativen bereits signifikante Verbesserungen erreicht werden. Aber auch die Best Performer im Ranking sollten sich nicht ausruhen, sondern sollten in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten die kontinuierliche Weiterentwicklung des Einkaufs vorantreiben, damit es in schlechteren Zeiten schnell wieder bergauf gehen kann.