Restrukturierung im Supply Chain Management und Einkauf

Im Falle einer Restrukturierung sind Supply Chain Management und Einkauf wichtige Werttreiber für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens. Wer Optimierungspotentiale hebt, kann sich nachhaltig vom Wettbewerb absetzen. Dieser Fachbeitrag ist in der Unternehmeredition 03/2018 erschienen.

Im Wesentlichen gibt es zwei Gründe für eine operative Restrukturierung: Ein Unternehmen möchte sich für die Zukunft neu aufstellen oder befindet sich in einer Schieflage, die akute Restrukturierungsmaßnahmen im Rahmen des Krisenmanagements erfordert. In beiden Fällen wird im gesamten Unternehmen nach Quellen gesucht, um die Profitabilität deutlich zu erhöhen. Insbesondere im Supply Chain Management (SCM) und Einkauf liegen häufig signifikante Optimierungspotentiale, die bei einer Neuausrichtung wesentlich dazu beitragen, das Unternehmen nachhaltig zukunftsfähig zu machen. Wie eine Restrukturierung für diese Bereiche optimal umgesetzt werden kann, zeigen folgende Schritte:

 

1. Schritt: Abstimmung Projektteam

Für die Restrukturierung sind klar definierte und einvernehmliche Ziele, eine gemeinsame Terminologie und fortwährende Kommunikation erfolgskritisch. In gemischten Teams lassen sich Restrukturierungsmaßnahmen durch diesen Anspruch am besten realisieren. Das (Integrations-)Team sollte daher aus Vertretern des Einkaufs, SCM und Fachbereichsvertretern bestehen.

2. Schritt: Analyse der Ist-Situation

Sind die Kompetenzteams gebildet, wird im zweiten Schritt die Grundlage für die Analyse der Optimierungspotentiale geschaffen. Das heißt, die aktuelle Performance der beteiligten Abteilungen im Supply Chain Management und Einkauf wird ermittelt. Hierfür werden zunächst alle relevanten Daten für eine Einordnung der Optimierungspotentiale erfasst.
Darauf basierend werden acht Schlüsseldimensionen zur Leistungserfassung der Einkaufsorganisation bewertet:

  • Einkaufsziele
  • Einkaufsstrategien & Warengruppenmanagement
  • Strategischer Einkaufsprozess
  • Taktischer/Operativer Einkauf
  • Lieferantenmanagement & Risikomanagement
  • Einkaufscontrolling
  • Methodenentwicklung
  • IT-Support

Parallel zur Erfassung der Performance in den acht Schlüsseldimensionen muss die Grundlage zur Identifizierung der Einsparpotentiale geschaffen werden. Dafür werden alle Warengruppen nach ihrer strategischen Bedeutung klassifiziert. Die Einordnung kann dabei sowohl anhand des Einkaufsvolumens als auch anhand von weiteren Faktoren vorgenommen werden. Ein Beispiel ist die kurzfristige Verfügbarkeit bestimmter Materialien.

Der aktuelle Leistungsstand im SCM wird mit Hilfe des Supply Chain Management Integration Framework (SCMIF) ermittelt, mit dem alle SCM-Dimensionen bewertet werden. Über vier Ebenen sind die einzelnen Bausteine des Supply Chain Managements angeordnet.

Den Leistungsstand in den einzelnen Dimensionen kann man nun über ein qualitatives (z.B. Vergleich mit Best Practices anderer Unternehmen) und in einigen Dimensionen zusätzlich über ein quantitatives Benchmarking (z.B. Analyse der Prognosegüte) erheben.

3. Schritt: Identifizierung Optimierungspotential

Die dritte Phase der strategischen Restrukturierung schließt an die Bestandsaufnahme an und dient dem Aufdecken und Quantifizieren der möglichen Einspar- und Optimierungspotentiale. 

Im Bereich Supply Chain Management werden für jede Dimension entlang des SCMIF Optimierungspotentiale anhand verschiedener Szenarien auf Basis von Best Practices identifiziert und quantifiziert. Zum Beispiel kann überprüft werden, wie sich die Errichtung eines Zentrallagers (Szenario 1) gegenüber einer Bestandskonsolidierung an einem bestehenden Standort (Szenario 2) auf den Lagerbestand auswirkt. Dabei sind anfallende Zusatzkosten, zum Beispiel erhöhte Transportvolumina, unbedingt zu berücksichtigen. So wird sichergestellt, dass die ökonomisch richtigen Entscheidungen getroffen werden, um beispielsweise potenzielle Engpässe zu vermeiden. Pro SCMIF-Dimension wird anschließend eine Restrukturierungsmaßnahmen Long-List und ein Umsetzungsplan erstellt. 

Die Identifizierung der Optimierungspotentiale im strategischen Einkauf kann aus zwei Perspektiven erfolgen. Eine Potentialanalyse ermöglicht eine Quantifizierung möglicher Einsparungen im Bereich des Lieferantenmanagements und der Einkaufskonditionen. Die Potentialanalyse beruht auf der Erfassung des Einkaufsvolumens durch Indikatoren wie „Höhe der Ausgaben“, „Anzahl der Artikel“, „Anzahl der Lieferanten“ sowie auf Interviews mit den Einkäufern über mögliche Einsparhebel. Im Anschluss tragen u.a. die mit den Warengruppen arbeitenden Mitarbeiter aus dem Fachbereich, Forschung & Entwicklung, Produktion und Einkauf in einem bereichsübergreifenden Team ihr weiteres Wissen über die Warengruppe zusammen. Zu den dann relevanten Fakten zählen die bisherigen Einkaufspraktiken und zum Beispiel die Spezifikationen von Artikeln in technischen Datenblättern, Zeichnungen und bereitgestellte Muster und die zukünftig erwartete Entwicklung der Warengruppe.

Für die Einkaufsorganisation verschafft ein Benchmarking Überblick über die bisher nicht genutzten Chancen zur Leistungssteigerung. Dabei wird der Ist-Zustand der aktuellen Organisationsstruktur mit Best Practices der Branche verglichen. Infolge der erfolgreichen Restrukturierung der acht Schlüsseldimensionen (vgl. Schritt 2) können so durch optimale Strukturen und Prozesse Kosten eingespart und die Leistung gesteigert werden.

Abb. 1: Supply Chain Management Integration Framework (SCMIF)

4. Schritt: Ausdetaillierung priorisierte Optimierungsmaßnahmen

Aus der Ist-Analyse (Schritt 2) und den identifizierten Einspar- und Optimierungsmaßnahmen (Schritt 3) leiten die Teams jeweils ein detailliertes Modell für die Gestaltung der künftigen Organisationen im Supply Chain Management und Einkauf ab. Diese umfassen die übergeordnete Einkaufsstrategie bzw. SCM-Strategie, die Organisationsstruktur, zielgerichtetes Controlling, Motivationsmaßnahmen für Mitarbeiter sowie die Definition der Einkaufs- bzw. SCM-Kernprozesse und deren IT-Unterstützung. Aus diesen Modellen werden konkrete Job-Profile und der Schulungsbedarf der Mitarbeiter in den Einkaufs- bzw. SCM-Kernprozessen abgeleitet.

5. Schritt: Umsetzung der Restrukturierung in SCM und Einkauf

Ziel des vorletzten Schrittes ist es, die Einspar- und Optimierungspotentiale im Einkauf und Supply Chain Management zu realisieren. Hierfür werden die ausdetaillierten Restrukturierungsmaßnahmen gemäß dem festgelegten Zeitplan umgesetzt. Um Transparenz über den aktuellen Status zu schaffen, wird die Umsetzung von einem regelmäßigen Projektcontrolling begleitet

6. Schritt: Change Management

Während der gesamten Restrukturierung muss ein aktiver Change Management-Prozess betrieben werden, um das Engagement und die Motivation der Mitarbeiter unter Berücksichtigung der Unternehmenskultur sicherzustellen. Hierzu wird das Projekt durch Change Management-Methoden frühzeitig im Top-Management verankert, um die Unterstützung durch die Geschäftsführung zu unterstreichen. Anschließend werden Key-Stakeholder aktiv in den Restrukturierungsprozess mit eingebunden.

Fazit

Allen Beteiligten sollte bewusst sein: Eine erfolgreiche Restrukturierung des Supply Chain Managements und Einkaufs erfordert eine erhebliche Lernfähigkeit und -bereitschaft. Zentrale Erfolgsfaktoren sind Mitarbeiter und Vertreter des Top-Managements, die bereit sein müssen, gängige Annahmen und Strukturen zu hinterfragen und neue Wege zu gehen.