10 Praktiker-Tipps für die Optimierung der Produktionsplanung in der Brauindustrie

Produktionsplanung als „Black Box“ – diese Situation findet man in vielen Brauereien vor. Es ist unklar, auf welcher Basis und mit welchen Zielsetzungen der häufig nur wenig IT-unterstützte Produktionsplanungsprozess durchgeführt wird. Hinzu kommt, dass die Produktion vielfach nur von wenigen Mitarbeitern geplant wird, die dabei auf umfangreiches Erfahrungswissen zurückgreifen, welches jedoch nur rudimentär dokumentiert ist. Im Ergebnis bestehen Zweifel, ob der in die Produktion bzw. Abfüllung gegebene Produktionsplan wirklich in optimaler Weise die Unternehmensziele umsetzt und ob alle möglichen Optimierungspotentiale im Rahmen der Planung realisiert werden.

1. Formulieren Sie das Zielsystem für Ihre Produktionsplanung explizit

Grundsätzlich sind die Ziele der Produktionsplanung sehr zahlreich. So geht es nicht nur darum, die Lieferfähigkeit sicherzustellen und Lieferverspätungen zu vermeiden. Gleichzeitig soll der Produktionsplan dafür sorgen, dass eine kostenoptimale Fertigung unter der Berücksichtigung der Beschaffungs- und Logistikkosten sichergestellt ist. Anlagen und Schichten sollen ausgelastet, Produktionseffizienzen hoch und Bestände sowohl bei Vollgut als auch bei Leergut niedrig sein. Diese Quadratur des Kreises hat die Produktionsplanung zu leisten. Um die Unternehmensziele auch operativ in entsprechende Planungsziele umzusetzen, ist es entscheidend, den Planern ein Zielsystem an die Hand zu geben, aus dem hervorgeht, welchen Zielen im Konfliktfall eine höhere Priorität einzuräumen ist. Auch für die Planer ist dies eine große Hilfestellung, da typischerweise von vielen Seiten Anforderungen an die Planung herangetragen werden und der Planer diese dann entsprechend priorisieren kann.

2. Werten Sie die Planungsqualität regelmäßig aus

Wie oben beschrieben ist es sinnvoll, der Produktionsplanung ein konkretes Zielsystem vorzugeben. Die Erreichung dieser Ziele und somit die Qualität der Produktionsplanung sollte dann auch regelmäßig gemessen und ausgewertet werden. Für eine gesamthafte Auswertung der Planungsqualität sollten mehrere Leistungsindikatoren parallel erhoben werden, um eine eindimensionale Steuerung der Planung zu vermeiden. Beispiele für solche Leistungsindikatoren sind:

  • Auslieferquote OTIF (On-Time-In-Full)
  • Durchschnittliche Verspätung der verspäteten Aufträge
  • Bestandsniveau
  • Anlageneffizienz (z.B. gemessen als Overall Equipment Effectiveness, OEE)
  • Anzahl der Änderungen des Produktionsplans (Plannervosität)
  • Durchschnittliche Vorlaufzeit von Produktionsaufträgen / Anzahl Eilaufträge

Die regelmäßige Erhebung der KPIs und deren Kommunikation an die Produktionsplaner ermöglichen es dann, ausgewogene Produktionspläne unter Berücksichtigung des Zielsystems zu erstellen.

3. Arbeiten Sie kollaborativ

Eine effektive Produktionsplanung basiert auf effektiver Kommunikation und Kollaboration. Ein Teil der für die Erstellung eines Produktionsplans erforderlichen Daten wird typischerweise über IT-Systeme, wie z.B. das PPS-Systems des Unternehmens, bereitgestellt. Hierzu gehören u.a. Bestandsdaten von Fertigwaren, Zwischenprodukten oder Materialen, Absatzprognosen oder Schicht- bzw. Linienleistungen. In einem lebenden System wie einem Unternehmen existieren darüber hinaus zahlreiche weitere relevante Informationen, die vielfach nicht in einem IT-System hinterlegt sind. Beispiele sind kurzfristig anstehende und einzuplanende Aktionsmengen, kurzfristige Anlagenausfälle oder absehbare Engpässe bei Lieferanten. Hier ist die aktive Kommunikation dieser Informationen an die Produktionsplanung gefordert, was jedoch nicht immer gelingt. Aus Unternehmenssicht ist es daher notwendig sicherzustellen, dass die eingebundenen Bereiche gut zusammenarbeiten, z.B. durch die Definition entsprechender E-Mail-Verteiler, regelmäßige Teammeetings oder ggfs. auch durch Schulungen der Mitarbeiter in der Produktionsplanung im Bereich Sozialkompetenzen.

4. Reduzieren Sie die Abhängigkeit von Einzelpersonen

In vielen Brauereien steuert nur ein kleiner Kreis an Personen die Produktionsplanung. In anderen Werken sogar nur eine Einzelperson, die den Zeitraum ihres Urlaubs immer vorplanen und im Krankheitsfall von zuhause arbeiten muss. Kompetente Vertreter sind in diesen Fällen nicht vorhanden. Diese Personen verfügen zudem über ein hohes Maß an Erfahrungswissen, welches nicht unbedingt in Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen abgebildet ist. Für die Unternehmen ist es entscheidend, diese Abhängigkeit von einzelnen Produktionsplanern deutlich zu reduzieren, um einerseits für den Ausfall dieser Person gerüstet zu sein und andererseits um eine optimale Produktionsplanung und -steuerung sicherzustellen, da diese bei einer „Planer-Black-Box“ von außen nur schwerlich beurteilt werden kann. Hierzu sind umgehend Vertreterstrukturen zu etablieren, wobei diese nicht nur auf dem Papier existieren dürfen. Der Vertreter muss in der Lage sein, die Fertigungsplanung und -steuerung eigenständig zu übernehmen. Zusätzlich sollten Planungsverfahren und Produktionsplanung-Methoden verschriftlicht und in PPS-Systemen hinterlegt sein.

5. Hinterfragen Sie in Ihrer Produktionsplanung regelmäßig historische Annahmen

Viele Planungsverfahren basieren auf Werten, die in der Vergangenheit einmal festgelegt wurden. Dies betrifft z.B. Losgrößen, Rüstzeiten, Auflegungsreihenfolgen oder Zielreichweiten. Diese Werte wurden als Planungsparameter in den PPS-Systemen eingestellt und seitdem nur in Ausnahmefällen hinterfragt. In Einzelfällen werden sogar seit Jahrzehnten die gleichen Werte ungeprüft verwendet. In sich dynamisch ändernden Produktionsumgebungen unterliegen diese Parameter oft jedoch signifikanten Änderungen. So beeinflussen beispielsweise sinkende Kapitalkosten die Losgrößen, da sich die Kapitalkosten der Bestände verringern und höhere Losgrößen profitabler werden. Als Konsequenz heißt dies, dass in regelmäßigen Abständen, spätestens im Jahresrhythmus, die wesentlichen Planungsparameter validiert und überprüft werden sollten.

6. Reduzieren Sie die Plannervosität, um Produktionsprozesse zu optimiren

Eine hohe Plannervosität, das heißt zahlreiche und kurzfristige Änderungen der Produktionsplanung, ist einer der Hauptfaktoren für unruhige Produktionsprozesse und somit für erhöhte Produktionskosten. Die Gründe der Änderung von Produktionsplänen können dabei aus allen Bereichen kommen, wie z.B. fehlende Materialverfügbarkeit im Einkauf, Anlagenstillstände in der Produktion oder Fehlmengen im Lager. Hinzu kommen Kundenaufträge, die vom Vertrieb kurzfristig angenommen wurden. Für diese Aufträge müssen dann die Produktionsprozesse umgestellt und Materialien beschafft werden. In vielen Firmen hat sich hier die Einrichtung eines sogenannten „Frozen Horizon“ bewährt. Hierbei wird ein bestimmter Zeitraum, z.B. eine oder zwei Wochen, planerisch „eingefroren“ und Änderungen aufgrund kurzfristiger Kundenaufträge können nicht mehr vorgenommen werden. In einer abgeschwächten Version des „Frozen Horizon“ können noch Änderungen am Produktionsplan vorgenommen werden. Diese bedürfen jedoch der Freigabe einer höhergestellten Instanz, wie z.B. dem Geschäftsführer Produktion.

7. Halten Sie Planungshistorien für Ihren Produktionsplanungsprozess nach

Das Nachvollziehen der Planungshistorie gestaltet sich in vielen Werken schwierig, da die Planungszwischenstände nicht IT-seitig weggeschrieben werden. Nur der finale Planungsstand, der am Ende an die Schichtführer kommuniziert wurde, wird in der IT hinterlegt – wenn überhaupt. Dieses macht spätere Auswertungen der Planungseffizienz und der Planänderungsursachen sehr aufwendig oder sogar unmöglich. Zur Verbesserung der Planungsstabilität und somit der Produktionsprozesse ist es aber essenziell, die Auslöser der Änderungen zu identifizieren und zu reduzieren. Daher sollten auch die historischen Planvarianten zusammen mit den Gründen der Planänderungen in auswertbarer Form abgespeichert werden.

8. Implementieren und nutzen Sie eine Betriebsdatenerfassung

Eine Betriebsdatenerfassung (BDE) erhebt maschinenbezogene Daten und macht diese auswertbar. Mit einem BDE-System kann beispielsweise festgestellt werden, wie viel Zeit auf einer Maschine produziert wurde, wie viele Stunden für Rüsten/Reinigen verwendet wurden, wie lange Stillstände dauern oder wie viele Einheiten von welchem Artikel produziert wurden. Für die digitale Produktionsplanung sind diese Daten aus zwei Gründen relevant. Einerseits kann somit der Produktionsfortschritt zeitnah überwacht werden, um gegebenenfalls kurzfristig gegenzusteuern. Andererseits können mit den BDE-Daten Planzeiten und -leistungen regelmäßig auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden, um zu vermeiden, dass ein Produktionsplan auf Basis falscher Rahmenparameter hinsichtlich der Leistungsdaten erstellt wird. Moderne Produktions- und Abfüllanlagen sind regelmäßig mit BDE-Funktionen ausgestattet oder können damit ausgestattet werden. Die Produktionsplanung sollte darauf drängen, dass diese Funktionen implementiert werden und die Produktionsplaner Zugang zu diesen Daten erhalten.

9. Prüfen Sie sorgfältig den Einsatz von Produktionsplanungstools und Produktionsplanung-Software

Grundsätzlich können zwei wesentliche Funktionen von Produktionsplanung-Software unterschieden werden. Zum einen unterstützen diese Werkzeuge den Planungsprozess, in dem sie die eingelasteten Produktionsaufträge verwalten und graphisch darstellen, z.B. anhand eines Leitstands. Umplanungen und Verschiebungen, beispielsweise durch „Drag-und-Drop“- Funktionalitäten oder standardmäßig generierte Auswertungen, erleichtern dabei die Arbeit der Planer. Die Implementierung dieser genannten Funktionalitäten ist für nahezu alle Unternehmen ab einer gewissen Komplexität unabdingbar. Die zweite und „intelligentere“ Funktion von Produktionsplanung-Software besteht darin, auf Basis mathematischer Algorithmen Vorschläge für die Einplanung von Aufträgen zu entwickeln. Mit dem Ziel, bestimmte Planungsziele, wie z.B. geringere Kosten, zu erreichen und den personellen Aufwand in der Planung zu reduzieren. Darüber hinaus werden produktionsspezifische Besonderheiten über eine Produktionsmatrix automatisch berücksichtigt. Ein Beispiel für ein solches System ist das APO-PP/DS Modul von SAP. Für diese zweite Funktionalität sind Aufwand und Nutzen genau abzuwägen, da es in vielen Fällen schwierig ist, die Planungsrealität mit allen Restriktionen (Rüstmatrizen, Mindesthaltbarkeiten und Restlaufzeiten, Tankkapazitäten etc.) vollständig im System abzubilden. Daher dauert es regelmäßig einige Zeit, bis das System realisierbare Planungsvorschläge erzeugt und noch mehr Zeit, bis die aktuelle Qualität der Produktionsplanung übertroffen wird.

10. Stellen Sie einen TOP-Ausbildungsstand Ihrer Mitarbeiter sicher

Die strategische Produktionsplanung erfüllt eine der zentralen Aufgaben in der Produktionssteuerung einer Brauerei. Somit ist ein bestmöglicher Ausbildungsstand der Produktionsplaner erforderlich. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich auf diesen Positionen häufig ausgewiesene Praktiker befinden, die möglicherweise bisher nur wenig Gelegenheit hatten, „über den Tellerrand hinaus“ zu schauen. Für eine effektive und datenbasierte Produktionsplanung ist es zielführend, den Kenntnisstand Ihrer Produktionsplaner in u.a. folgenden Bereichen zu stärken:

  • Grundlegende und fortschrittliche Verfahren in der kurzfristigen Produktionsplanung
  • Erstellen von Auswertungen komplexer Daten in Excel (und ggfs. in Access)
  • Möglichkeiten und Nutzen von IT-basierten Planungstools und Produktionsplanung-Software
  • Grundlegende Soft Skills (Team-Building, Präsentationstechnik, Kommunikation etc.)
  • Verständnis von abteilungsübergreifenden Zusammenhängen (z.B. Auswirkungen einer Produktionsplanung auf die Beschaffung und Auslieferungen)

Entsprechende Schulungsangebote sind am Markt verfügbar. Natürlich kann darüber hinaus von den Mitarbeitern und Produktionsplanern auch verlangt werden, diese Kenntnisse mithilfe von passender Literatur oder Online-Kursen weiter zu vertiefen.

Fazit

Eine effektive Produktionsplanung kann für eine Brauerei einen großen Wettbewerbsvorteil darstellen, da sie relevante Treiber des Unternehmensergebnisses wie Lieferfähigkeit, Kosten und Bestände signifikant beeinflusst. Mit relativ leicht und kostengünstig zu implementierenden Maßnahmen ist es dabei möglich, die Qualität der Produktionsplanung deutlich zu verbessern. In einem ersten Schritt sind dazu u.a. ein Zielsystem für die Produktionsplanung zu erarbeiten, historische Annahmen zu hinterfragen, die Plannervosität innerhalb Ihrer Produktionsplanungsprozesse zu reduzieren oder Planungshistorien nachzuhalten und auf dieser Basis die Planungsqualität auszuwerten. Die dadurch entstehende Transparenz ermöglicht deutliche Verbesserungen und macht den Produktionsplanungsprozess besser steuerbar. Der zweite Optimierungsschritt sollte dann IT-bezogene Themen wie die stärkere Nutzung von Daten der BDE oder die Nutzung spezialisierter Produktionsplanungssoftware adressieren, wobei in diesem zweiten Schritt eine genaue Abwägung von Kosten und Nutzen erfolgen sollte.