"Der Einkäufer als eierlegende Wollmilchsau hat sich überlebt" - Dr. Bernhard Höveler im Interview mit der "Einkäufer im Markt"

„Die besten IT-Tools nutzen mir nichts, wenn ich meine Prozesse vorher nicht in Ordnung gebracht habe. Das wäre so, als ob ich mit einem PS-starken Auto auf einer Straße voller Schlaglöcher fahre.“ Bernhard Höveler hat bei diesen Worten zahlreiche Einkaufsabteilungen vor Augen, die er und sein Team in den vergangenen Jahren beraten haben: Der Gründer und Geschäftsführer der gleichnamigen Einkaufsberatung ist überzeugt, dass die letzte Innovation, die im Einkauf stattgefunden hat, das E-Procurement war – und das liegt mittlerweile auch schon mehr als 15 Jahre zurück.

Organisatorisch seien die Unternehmen zumeist noch auf dem Stand von vor 20 Jahren, als das Lead-Buyer-Modell eingeführt wurde. Die damit verbundene Zuordnung von Warengruppen zu einzelnen Einkäufern sollte sicherstellen, dass diese sich vorrangig mit strategischen Aufgaben beschäftigen und nicht mehr mit dem Klein-Klein des Büroalltags. Das sei jedoch häufig nicht der Fall: „Bei strategischen Einkäufern macht der Anteil operativer Tätigkeiten 30 bis 40 Prozent der Arbeit aus. Das ‚strategischen Einkauf‘ zu nennen, ist in meinen Augen Etikettenschwindel“, sagt Höveler im Gespräch mit Einkäufer im Markt.

Die richtigen Leute an die richtige Stelle setzen

Dem Berater ist aber auch klar, dass es oftmals nicht anders geht, denn in vielen Unternehmen seien die Einkaufsteams unterbesetzt. Da es aufgrund von Sparzwängen nur selten möglich sei, neue Stellen im Einkauf zu schaffen, plädiert er für eine klare Rollenverteilung: „Wenn jemand mit Excel nicht gut zurecht kommt, sollte man ihn nicht dazu zwingen. Vielleicht verhandelt er viel lieber mit Lieferanten? Umgekehrt gibt es auch Einkäufer, die nicht gern in Verhandlungen sitzen. Talente auf die richtige Position zu setzen, das ist die Kunst.“ Spiele der Betriebsrat nicht mit, weil er um die Arbeitsplätze fürchtet, gebe es auch die Möglichkeit, operative Tätigkeiten, die strategische Einkäufer derzeit notgedrungen mit übernehmen müssen, aus den jeweiligen Stellen „herauszuschneiden“ und sie operativen Einkäufern zu übertragen. Laut Höveler kann auf diese Weise bis zu einem Viertel der Wochenarbeitszeit eines strategischen Einkäufers „freigeschaufelt“ werden.

Die eierlegende Wollmilchsau hat ausgedient

Das dahinter stehende Konzept nennt sich IDEa – Industrialisierung und Digitalisierung der Einkaufsabteilung. Industrialisierung steht hier für die Schaffung klar umrissener Tätigkeitsbereiche, für Spezialisierung und Standardisierung. „Der Einkäufer als eierlegende Wollmilchsau hat sich überlebt. Man kann nicht fünf Instrumente gleichzeitig spielen“, kritisiert Höveler die immer noch vorherrschende Multi-Tasking-Kultur. Die digitale Vernetzung von Geschäftsprozessen über Unternehmensgrenzen hinweg sieht der Berater als „historische Chance, es richtig zu machen“. Dafür müssten jedoch die Daten im Einkauf optimal genutzt werden, und gerade hier sehe es meist schlecht aus. Software sei dabei nicht das Problem, meint Höveler, sondern die Unfähigkeit, Daten so zusammenzuführen, dass die Einkäufer sie zu ihrem Vorteil nutzen können. Er verdeutlicht das am Beispiel eines Süßwarenherstellers, der insgesamt 500 Folien in seinem Beschaffungsportfolio hatte. Zu jeder Folie gab es im Schnitt mehr als 20 Spezifikationsparameter, die an mehreren Stellen in unterschiedlichen IT-Systemen verteilt waren – „mit der Folge, dass die Einkäufer keinen Überblick hatten, was sie genau einkauften“, erinnert sich Höveler. Die Lösung bestand darin, die Folien mittels einer Spezifikationsdatenbank in elf „Paketen“ zusammenzuführen, was dem Einkauf ermöglichte, Bündelungseffekte zu realisieren. Auch die Lieferanten konnten ihre Kosten senken, da sie durch die Paketbildung massiv Rüstkosten in ihrer Produktion einsparen konnten.

Headhunter suchen Datenexperten für den Einkauf

Die intelligente Nutzung von Daten wird künftig zum wettbewerbsentscheidenden Vorteil, ist der Berater überzeugt. Headhunter würden schon jetzt im Auftrag großer Einkaufsabteilungen nach Datenanalysten suchen. „Wer die Daten beherrscht, beherrscht den Einkauf“, bringt es Höveler auf den Punkt.