Der strategische Einkaufsprozess: Den tatsächlichen Bedarf sauber ergründen

Unbedacht greifen Einkäufer aus Zeitmangel oder Bequemlichkeit immer wieder auf die gleichen, bestehenden Lieferanten zurück. Oft führt dies zu negativen Ergebnissen im Bereich erfolgskritischer Faktoren wie Qualität, Lieferzeiten und vor allen Dingen: Preisen.

Um diesen Missständen vorzubeugen, empfiehlt sich die Durchführung des strategischen Einkaufsprozess (Strategic Sourcing). Der erste Schritt des fünfstufigen strategischen Einkaufsprozesses ist die Bedarfsanalyse. Im Folgenden wird die Bedarfsanalyse anhand ihrer fünf Prozessschritte genauer beleuchtet:

Abb.1. Die Prozessschritte der Bedarfsanalyse

1. Schritt: Erstellung/Überprüfung Warengruppenbaum

Die Bedarfsanalyse stellt den Ausgangspunkt einer jeden Durchführung des strategischen Einkaufsprozesses dar. Um die Basisdaten für die Warengruppen zu ermitteln, muss zunächst ein Warengruppenbaum aufgebaut werden. Für Warengruppenbäume sind Standardgerüste wie UNSPSC oder e-Cl@ss effiziente Mittel, durch die eine problemlose Codierung von Dienstleistungen und Produkten möglich ist. Diese Codierung stellt die Grundlage für jeden wertbeständigen Beschaffungsprozess dar, da sie die gemeinsame Sprache aller am Beschaffungsvorgang Beteiligten spricht. Sofern bereits ein Standardgerüst für die zu beschaffende Warengruppe besteht, sollte dieses von Einkäufern und Lieferanten auf alle Fälle genutzt werden. Eine Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Fachbereich der Warengruppe ist zwingend notwendig, um das Know-how zu nutzen und von vorne herein Unstimmigkeiten vorzubeugen. Sind die definierten Warengruppenbäume einmal aufgegleist, so sind diese regelmäßig auf ihre Aktualität und somit Richtigkeit zu prüfen. Neu hinzugekommene Dienstleistungen und Produkte sollten korrekt zugeordnet und bei Bedarfsveränderungen eine Umsortierung bereits einsortierter Produkte vorgenommen werden.

2. Schritt: Zuordnung des Einkaufsvolumens

Bei der Zuordnung der Einkaufsvolumen zu den jeweiligen Warengruppenbäumen sind diese hinsichtlich ihrer Richtigkeit zu hinterfragen. Dies kann durch eine (je nach Aufwand auch stichprobenartige) Überprüfung der Verträge und Rechnungen von Lieferanten im ERP-System erfolgen. Eine häufige Fehlerquelle ist hierbei die Verwendung mehrerer Lieferantennummern für den gleichen Lieferanten: Eine einheitliche Vergabe eindeutiger IDs für jeden Lieferanten ist also zwingend erforderlich. In diesem Fall schafft die Vergabe eindeutiger IDs für jeden Lieferanten Abhilfe (bspw. die D-U-N-S-Nummern von Dunn und Bradstreet). Damit die Datenbasis des Warengruppenbaumes stimmt und als nachhaltiges Instrument eingesetzt werden kann, sollten alle vorliegenden Rechnungen zeitnah dem Baum zugeordnet werden. Diese Zuordnung kann sehr arbeitsintensiv werden. Aus diesem Grund empfiehlt sich als langfriste Lösung das „Outsourcen“ der Zuordnung an die Lieferanten. Über ein Web-Frontend kann der Lieferant seine Artikel online einem Warengruppenbaum zuordnen und durch sein Produkt Know-how den Zeitaufwand dafür gering halten.

3. Schritt: Erfassung von Spezifikationen

Da der Einkauf den Bedarf aller Nutzer adressiert, sind neben der Fachabteilung die internen Kunden diejenigen, die maßgeblich die notwendige und gewünschte Qualität der Waren bzw. Dienstleistungen bestimmen. Bereits bei der Spezifikation von Waren bzw. Dienstleistungen sollten alle relevanten Mitarbeiter des Unternehmens miteinbezogen werden. Durch die frühzeitige Einbindung sichern Sie sich von vorneherein den nötigen Rückhalt für die Durchführung des gesamten Sourcing-Prozesses. Im Rahmen der Spezifikationserfassung sollten diese soweit wie möglich von konkreten Produkten oder Marken freigehalten werden. So gewährleisten Sie die Erschließung eines großen Marktausschnittes.

4. Schritt: Durchführung von Interviews

Zur Einholung der notwendigen Daten für die Bedarfsanalyse können verschiedene Quellen herangezogen werden. Durch Interviews mit den verschiedenen Abteilungen werden Informationen über die bisherigen Beschaffungspraktiken und angewendeten Optimierungshebel gesammelt. Erste Optimierungshebel mit vielversprechendem Einsparpotenzial können auf diese Weise schnell identifiziert und – falls notwendig – weiter ausgebaut werden. Auch hier lohnt sich eine enge und frühzeitige Zusammenarbeit mit allen relevanten Mitarbeitern des Unternehmens. Dadurch können vorhandene Restriktionen wie bspw. Verwendung von Standards, laufende Verträge und notwendige Zertifizierung der Lieferanten schnell identifiziert werden. Durch die frühzeitige Erfassung dieser Determinanten wird die Identifikation des optimalen Lieferantenkreises erheblich vereinfacht.

5. Schritt: Festlegung der Baseline

Damit der Einkaufserfolg in der Gewinn- und Verlustrechnung transparent nachgewiesen werden kann, ist im fünften und letzten Schritt der Bedarfsanalyse die Baseline festzulegen. Die Baseline ist die Messlatte, gegen welche die Einsparungen gemessen werden. Soweit vorhanden, empfehlen wir hierfür die Nutzung von historischen Daten. Falls möglich, so orientieren Sie sich bei der Festlegung der Baseline insbesondere an Output-Größen. Dadurch wird eine sehr gute Mess- und Nachvollziehbarkeit gewährleistet. In einem letzten Schritt raten wir zu einer Abstimmung der definierten Baseline mit dem Controlling. Damit ist sichergestellt, dass die Einsparungen „revisionssicher“ sind.

Sie wollen noch mehr zum Thema Einkaufsoptimierung lesen?
Hier geht es zu unseren Ausgaben des Magazins Einkauf 360°: