Ziel-/Strategie-Alignment: Wie Sie mithilfe von IDEa die passende Richtung für die Industrialisierung und Digitalisierung festlegen

Bei der Optimierung des Einkaufs seit der letzten Jahrtausendwende spielte von Anfang an das Thema Strategie eine große Rolle. Allerdings, so musste man feststellen, kann Strategie nicht funktionieren, wenn man keine unternehmerisch relevanten, klaren Ziele setzt, deren Erreichung mit Hilfe einer durchdachten Strategie möglich gemacht wird. So haben viele Unternehmen bereits Einkaufsziele/-strategien definiert, müssen aber feststellen, dass diese Maßnahme häufig zu kurz gesprungen ist.

Oft werden von vornherein bei der Ziel-/Strategiedefinition im Einkauf wichtige Punkte übersehen oder einfach für unwichtig gehalten und deshalb nur unzureichend berücksichtigt: 

  • Die Ausrichtung des Einkaufs erfolgt nicht oder nicht konsequent an den übergeordneten Unternehmenszielen und den zu deren Erreichung bereits vorgegebenen Strategien auf Vorstandsebene. Damit der durch IDEa optimierte Einkauf tatsächlich einen signifikanten Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten und auch nachweisen kann, muss er seine Ziele und die daraus resultierenden Strategien und Maßnahmen strikt an den übergeordneten Unternehmenszielen/-strategien ausrichten.
  • Die Ziele/Strategien sind in vielen Fällen nicht hinsichtlich Inhalt (→Was soll erreicht werden?), Ausmaß (→Wieviel soll erreicht werden?) und Zeit (→Bis wann soll das Ziel erreicht werden?) präzisiert.
  • Die Umsetzung der Ziele/Strategien in konkrete Vorgaben für die drei Kernprozesse im Einkauf (Sourcing-, Lieferantenmanagement- und Bestellprozess) erfolgt nicht.
  • Der Einkauf ist heute nahezu ausschließlich auf Kostenoptimierung und Versorgungssicherheit ausgerichtet. Andere Ziele, wie das Verbessern der Qualität und die Einführung von Produkt- oder Prozessinnovationen gemeinsam mit den Lieferanten, werden bisher nur selten oder überhaupt nicht verfolgt. 

Um Unternehmen in dieser Situation nachhaltig und zielgerecht unterstützen zu können, wurde von HHC das Konzept IDEa entwickelt. Wenn der Einkauf 4.0 die Chance zur Neupositionierung durch die Digitalisierung im Einkauf nutzen will, dann muss er in Abstimmung mit dem Top-Management die Basis in Form von präzisen, messbar formulierten Zielen und Strategien legen. Denn nur, wenn eindeutig messbar wird, welcher Nutzen (=Ziel-/Strategiebeitrag) durch Strategien, zum Beispiel für Industrialisierung und Digitalisierung, entsteht, kann der Einkauf mit mehr Unterstützung  durch Vorstand/ Geschäftsführung rechnen. 

Der Aufbau eines zielbasierten Strategiesystems erfolgt über vier Ebenen (s. Abb. 1): 

Die Effektivität und Effizienz des strategischen Einkaufsprozesses lässt sich durch eine umfassende Umstrukturierung nach dem IDEa-Modell deutlich steigern. Hierauf wurde in den vorangegangenen Artikeln bereits detailliert eingegangen. Nun stellt sich die Frage, welche Leitlinien bei der Einführung des „IDEalisierten“ strategischen Einkaufsprozesses beachtet werden sollten. Die drei wesentlichen Leitlinien sind Identifizierung und Quantifizierung von Potentialen, aktives Change- und Projektmanagement sowie nachhaltiges Erfolgs-Tracking (vgl. Abbildung 1). Die praktische Umsetzung wird hier erläutert.

    Abb. 1: Ziel- & Strategiealignment

    Ausgehend von den übergeordneten Unternehmenszielen/-strategien und den daraus entwickelten Zielen und Strategien pro Geschäftsbereich werden die daraus abgeleiteten spezifischen Ziele und Strategien für jeden Funktionsbereich (Einkauf, Produktion, F&E etc.) definiert. Wenn der Einkauf entsprechend ausgerichtet werden soll, stehen dazu  auf vier Ebenen Konkretisierungen an:

    • Auf der obersten Ebene wird die Richtung in Form von Zielen/Strategien für den Gesamteinkauf über alle Geschäftsbereiche hinweg definiert. 
    • Weil die einzelnen Geschäftsbereiche häufig unterschiedliche Ziele/Strategien verfolgen, werden die Einkaufsziele/-strategien auf die einzelnen Geschäftsbereiche auf der zweiten Ebene zugeschnitten.
    • Damit die Einkäufer wissen, wie Einkaufsziele/-strategien konkret bei welchen Warengruppen, Lieferanten und Bestellungen umzusetzen sind, werden auf der dritten Ebene pro Kernprozess genaue Vorgaben definiert. 
    • Auf der vierten Ebene wird schließlich ein Maßnahmen-/Hebelplan pro Kernprozess abgeleitet, damit die „Einkaufsziel-/strategiekaskade“ auch tatsächlich umgesetzt wird.

    Erfolgskritisch für die Ableitung von präzisen Einkaufszielen und -strategien ist die matrixartige Integration von zwei Denkrichtungen („Handlungssträngen“, s. Abb. 2):

    1. Der organisatorische Strang [→ Gesamteinkauf → Einkauf pro Geschäftsbereich → Kernprozesse im Einkauf (strategischer Einkaufsprozess, Lieferantenmanagementprozess, Bestellprozess)]
    2. Der konzeptionelle Strang (→ Einkaufsziele → Einkaufsstrategien → Einkaufsmaßnahmen/-hebel)
    Abb. 2: Vorgehensweise zur Ableitung von Einkaufszielen/-strategien:

    Die Effektivität und Effizienz des strategischen Einkaufsprozesses lässt sich durch eine umfassende Umstrukturierung nach dem IDEa-Modell deutlich steigern. Hierauf wurde in den vorangegangenen Artikeln bereits detailliert eingegangen. Nun stellt sich die Frage, welche Leitlinien bei der Einführung des „IDEalisierten“ strategischen Einkaufsprozesses beachtet werden sollten. Die drei wesentlichen Leitlinien sind Identifizierung und Quantifizierung von Potentialen, aktives Change- und Projektmanagement sowie nachhaltiges Erfolgs-Tracking (vgl. Abbildung 1). Die praktische Umsetzung wird hier erläutert.

      Abb. 2: Vorgehensweise zur Ableitung von Einkaufszielen/-strategien

      Wichtig ist, dass die Einkaufsziele und -strategien tatsächlich auf allen drei Ebenen definiert werden. Dabei werden auf der Gesamtunternehmensebene die „Pflöcke eingeschlagen“, um zu klären, welche Zielkategorien in welchem Ausmaß bis wann im Einkauf verfolgt werden sollen. Auf den beiden weiteren Ebenen (Geschäftsbereiche und Kernprozesse) wird der so vorgegebene Zielrahmen sukzessive immer weiter konkretisiert. Sind die Ziele festgelegt, wird analog die Strategiedefinition über drei Ebenen vorgenommen. Im Unterschied zu den Zielen- und Strategien werden die Maßnahmen nur auf der untersten Ebene (= Kernprozess-Ebene) definiert, weil die Maßnahmendefinition und -umsetzung den letzten Schritt in der logischen Kette „Ziele → Strategien → Maßnahmen“ bilden und erst definiert werden können, wenn die Ziele/Strategien über die drei Ebenen konkretisiert worden sind.

      Bezüglich der Einkaufsziele bestehen dabei verschiedene Optionen (s. Abb. 3): 

      Abb. 3: Einkaufsziele

      Mit Hilfe dieser Zieloptionen müssen auch die konkreten Ziele für IDEa operationalisiert werden. IDEa kann mit Ausnahme der gemeinwohlorientierten Ziele einen signifikanten Beitrag zur Erreichung sämtlicher Zielkategorien leisten. Anhand von zwei Beispielen wird dies deutlich:

      • Kosten-/Liquiditätsoptimierung: Durch weitestgehende Industrialisierung und Automatisierung der Kernprozesse im Einkauf können Prozesskosten in einem bislang nicht für möglich gehaltenen Umfang reduziert werden. 
      • Leistungsoptimierung (Beispiel Qualitätsoptimierung): Wenn die Qualität der eingekauften Materialien/Teile im direkten Einkauf gesteigert werden soll, dann erfolgt dies vor allem durch den Aufbau eines Supply Market Intelligence Systems zur Identifizierung neuer, leistungsstarker Lieferanten (vgl. hierzu die Ausgabe Einkauf 360 Grad, 2015 Heft 1).

      Sind die Einkaufsziele auf allen drei Ebenen festgelegt, kann mit der Strategiedefinition begonnen werden. Hier werden folgende vier Strategieelemente definiert (s. Abb. 4):

      Abbildung 4: Strategieelemente

      Bei der Einkaufsvolumenstrategie („Sortimentsbreite“) wird die Frage beantwortet, welcher Teil der externen direkten und indirekten Ausgaben (Warengruppen) durch den Einkauf optimiert werden soll. Je nach Kompetenz und Kapazität ist zu prüfen, ob der Einkauf, der jeweilige Fachbereich oder ein externer Dienstleister die Optimierung der Warengruppe übernehmen soll. Wird der Einkauf einer Warengruppe vom Fachbereich verantwortet (z.B. IT-Einkauf beschafft Hardware, Software, IT-Consulting und Help Desk selbst), so müssen die einkaufenden Fachbereiche im Rahmen von Initiativen zur Kostenoptimierung ihren Beitrag zu Erreichung des Einsparziels im Einkauf leisten. Im Rahmen der Bestimmung der Sortimentsbreite muss in regelmäßigen Abständen auch immer wieder eine „Make-vs.-buy-Analyse“ durchgeführt werden. 

      Zu klären ist hier einerseits, ob es Produkte/Dienstleistungen gibt, die bisher im Unternehmen  produziert/erbracht werden, die besser extern zugekauft werden sollten (sourcing out). Andererseits muss geprüft werden, ob bisher extern zugekaufte Produkte/Dienstleistungen besser im Unternehmen hergestellt werden (sourcing in). Wird diese Analyse sauber durchgeführt, wird der Einkauf alleine durch diese Diskussion automatisch erhöhte Aufmerksamkeit im Vorstand/der Geschäftsführung erhalten. 

      Im Rahmen des Strategieelements „Servicestrategie Kernprozesse“ wird das Dienstleistungsangebot (= „die Sortimentstiefe“) des Einkaufs bzw. der einkaufenden organisatorischen Einheit definiert. Hierbei geht es darum, ob die einkaufende organisatorische Einheit alle Aufgaben/Aktivitäten der drei Kernprozesse übernimmt, oder ob bestimmte/alle Aufgabenpakete aus Know-how- oder Kapazitätsgründen an Fachbereiche delegiert oder auch an externe Dienstleister outgesourct werden. 

      Im Rahmen von IDEa wird dieses Strategieelement besonders zu betrachten sein, weil durch die Industrialisierung und Digitalisierung der Prozesse die Wertschöpfungstiefe der einkaufenden Organisationseinheiten massiv beeinflusst wird. So kann z.B. durch weitreichende Automatisierung der drei Einkaufskernprozesse Mitarbeiterkapazität an dieser Stelle überflüssig werden. Daher muss geklärt werden, ob die zusätzliche Kapazität gewinnbringend in verbesserte und erweiterte Services in den Kernprozessen investiert wird, oder ob die Kapazität abgebaut werden kann, um so weitere Prozesskosteneinsparungen zu realisieren.

      Bezüglich der Reichweitenstrategie wird festgelegt, wie weit der disziplinarische Einfluss der Einkaufsleitung reichen soll. Hier wird geklärt, ob sich der Durchgriff des Einkaufsleiters lokal, national oder global auf alle Einkäufer  erstrecken soll, falls das Unternehmen mehrere Standorte im In- und Ausland hat. Schließlich wird mit der Positionierungsstrategie die maßgebliche Stoßrichtung für die Zusammenstellung der Warengruppenstrategien (= 3. Strategieebene) festgelegt. Werden z.B. mehrere Einkaufsziele, z.B. Kostenoptimierung und Versorgungssicherheit, gleichzeitig verfolgt, so wird im Rahmen der Positionierungsstrategie bestimmt, welches Ziel dominant ist und welche strategische Stoßrichtung daraus folgen muss (s. Abb. 5). 

      Die Elemente der Einkaufsstrategie werden analog zu den Einkaufszielen auf Gesamtunternehmens- und Geschäftsbereichsebene konkretisiert:

      Abb. 5: Positionierungsstrategie und Einkaufsstrategie

      Darauf aufbauend werden im nächsten Schritt die Warengruppenstrategien (= „unterste“ Ebene Einkaufsstrategien) abgeleitet. Hierfür hat sich die „Einkaufserfolgsformel“ bewährt (Vgl. Einkauf 360 Grad, Heft 1 2014), die Preis-/Prozesskosten- und Mengenstrategien unterscheidet (s. Abb. 6):

      Abb. 6: Preis-/Prozesskosten- und Mengenstrategien

      Um die sinnvolle Verknüpfung zwischen Einkaufszielen und -strategien sicherzustellen, werden die Einkaufsziele zur Auswahl der geeigneten Warengruppenstrategien herangezogen (s. Abb. 7):

      Abb. 7: Einkaufsziele zur Auswahl der geeigneten Warengruppenstrategien

      Am Beispiel des Einkaufsziels „Leistungsoptimierung“ (Qualität bzw. Innovation steigern) durch die Einführung eines Supply Market Intelligence System (SMI) bei Industrialisierung und  Digitalisierung des Sourcing-Prozesses kann die Verknüpfung von Einkaufszielen und Warengruppenstrategien verdeutlicht werden:

      • Durch Bündelung von Einkaufsvolumen bei qualitativ hochwertigeren/innovativen Lieferanten kann die Qualität verbessert bzw. es können Anreize gesetzt werden, verstärkt als Erste mit Innovationen versorgt zu werden.
      • Durch die Suche von alternativen, qualitativ besseren und innovativeren Lieferanten kann das Einkaufsziel „Leistungssteigerung“ erreicht werden.
      • Mittels optimierter, innovativer Spezifikationen durch neue, leistungsstärkere Lieferanten kann die Qualität/Innovationskraft verbessert werden.
      • Die Optimierung der Supply Chain kann durch neue, leistungsstärkere Lieferanten zu einer Qualitätssteigerung führen, weil z.B. die Lieferzeiten signifikant verkürzt werden. Bei Lebensmitteln wie Brot kann durch gekühlte Anlieferung und Verkürzung der Lager-/ Lieferzeit der Frischegrad deutlich verbessert und somit die Qualität gesteigert werden. 

      Sind die Einkaufsziele, -strategien und -maßnahmen definiert, so muss zum Abschluss ein Meilensteinplan festgelegt werden, aus dem ersichtlich ist, bis wann bei welcher Warengruppe die Umsetzung erfolgt sein soll.