Prozesse verbessern mit System: Value Stream Mapping

Erfolgreiche Automobilkonzerne und Maschinenbauer nutzen die Wertstromanalyse (Value Stream Map), um ihre wichtigsten Prozesse strategisch zu optimieren. Das heißt bei richtiger Durchführung: kaum Inventar und eine geringe Durchlaufzeit. Das ermöglicht Unternehmen eine effektivere und effizientere Produktion zu geringeren Kosten bei mehr Wertschöpfung.
  
Allein die Erkenntnis der Gesamtdurchlaufzeit ab Bestellung der Vorprodukte bis zu einer funktionstüchtigen Maschine überrascht viele Manager. 300-400 Tage liegen im Bereich des Möglichen. Bei einem europäischen Maschinenbauer mit einem Umsatz von ca. 2 Mrd. EUR führte eine unnötig lange Gesamtdurchlaufzeit zu mehreren 100 Millionen EUR an Bestand in den Büchern. Erfolgreich wurde das mittelfristige Ziel einer Reduzierung der Durchlaufzeit um ein Drittel auf unter 200 Tage reduziert.

Optimalerweise fließen Material und Information ungehindert und ohne Unterbrechungen. (Bild: istockphoto.com/matejmo)

Das Value Stream Mapping ermöglicht eine tiefgehende Darstellung und Analyse und Optimierung eines Wertstroms.  Ein Wertstrom ist eine Aneinanderreihung wertschöpfender Prozessschritte. Die Analyse deckt beispielsweise auf, wo der „Fluss“ (engl. Flow) des Materials oder der Information unterbrochen wird. 

Ziel ist die Herstellung eines ununterbrochenen Flusses im Prozess. Man spricht von einem solchen, wenn kein Inventar zwischen den einzelnen Schritten nötig ist. Das gleiche gilt für den Informationsfluss. Wenn er unterbrochen wird, gerät der gesamte Wertstrom ins Stocken. Eine gänzlich fließende Prozesskette ist zwar eine utopische Vorstellung, dennoch liegen in vielen Unternehmen Potenziale brach, die durch eine Optimierung der Prozesse gehoben werden können.
Die Analyse ist der erste Schritt innerhalb eines strategischen Wertstrommanagements. Klare Vorgaben helfen dabei, den Überblick nicht zu verlieren. Die Ist-Aufnahme kann beispielsweise auf eine Wandbreite beschränkt werden. So werden endlos lange Tapeten mit Klebezetteln vermieden. Wichtig ist, dass nur problembehaftete Teilbereiche eines Wertstroms auf einer tieferen Ebene analysiert werden (Deep Dive Methode). Beispielsweise kann ein hoher Rohmaterialbestand vor der Produktion auf eine schlechte sich ständig ändernde Planung hinweisen. Wird dies von den Experten aus dem Betrieb bestätigt, so sollte als Deep Dive der Planungsprozess analysiert werden, um dort die Schwachstellen aufzudecken. 

Ist der aktuelle Zustand ausgeleuchtet, steht der zukünftige Wertstrom (Future State) im Mittelpunkt. Auf der gleichen Ebene wie die Ist-Analyse werden für den „verbesserten“ Wertstrom bewusst sehr ambitionierte Ziele ausgewählt – schließlich ist die Devise: „schneller, höher, weiter“. Neue Deep Dives werden dabei nicht erstellt. Vielmehr stellen die Ergebnisse aus der Ist-Analyse die Grundlage für diesen Schritt dar. 

Sind Ist-Zustand und Future State definiert, formulieren die Beteiligten einen Maßnahmenkatalog zur Erreichung der Ziele. Wichtig ist dabei, für jedes Problem einzeln Maßnahmen zu erarbeiten. Beispiel: Sie haben bei der Ist-Analyse festgestellt, dass die Produktionsmitarbeiter zu viel Zeit für die Übergabe benötigen. Als Ziel haben Sie definiert, die benötigte Zeit um 80% zu reduzieren. Dafür formulieren Sie Maßnahmen wie einen standardisierten Übergabekatalog, der chronologisch abgearbeitet werden muss. Aus der Praxis: Kreativtechniken wie „7 Ways“ helfen dabei, Maßnahmen zu entwickeln. Dabei erarbeitet jeder Projektteilnehmer mindestens sieben Ideen, die zur Erreichung eines Ziels beitragen. Die effektivsten und effizientesten Umsetzungswege werden in den Maßnahmenkatalog aufgenommen.

Die Projektverantwortlichen bewerten im Anschluss die Teilprojekte nach Komplexität und der im Ergebnis prognostizierten Verbesserung. Im Anschluss können anhand dieser Bewertung die ergebnisreichsten Teilprojekte zuerst optimiert werden.
Sind diese Projektschritte durchgeführt, stellt das Team eine „Roadmap“ zur Erreichung des verbesserten Wertstroms zusammen. Die priorisierte Reihenfolge wird bei diesem Schritt in eine zeitliche Abfolge mit festen Projektleitern und Mitverantwortlichen gebracht. Dabei ist es wichtig, unterschiedliche Projektleiter einzusetzen. Dr. Bernhard Höveler, Managing Partner bei HÖVELER HOLZMANN, berichtet aus der Praxis: „Zu oft erleben wir, dass ein Projektleiter alle Maßnahmen allein überwachen soll. Das führt einerseits zu Überforderung, andererseits fehlt häufig die Expertise, um alle Projekte in gleicher Qualität betreuen zu können. Selbst wenn nicht mehr ‚gute‘ Projektleiter verfügbar sind, sollte es zumindest sequenziell ablaufen“. Die Erfahrung zeigt zudem, dass zu viele parallele Projekte „den Brei verderben“. Als Richtwert bietet es sich an, maximal zehn Schlüsselprojekte zur Verbesserung einzelner Wertströme innerhalb eines Jahres umzusetzen. 

Ein fester Arbeitszyklus garantiert, dass die festgelegte Roadmap auch eingehalten wird. Ein monatlicher Arbeitsrhythmus mit einer Ergebnispräsentation ist hierbei sinnvoll. Fällt ein Teilprojekt hinter den Plan, stellt ein „Corrective Action Plan“ mit einem A3-Report sicher, dass Verzögerungen dokumentiert und behoben werden. Als A3-Report wird im Lean Management ein Dokument bezeichnet, das eine übersichtliche Darstellung des Problems und seiner Lösungsansätze ermöglicht. 
Die Fortschritte und Ergebnisse des neuen Wertstroms sollten an prominenter Stelle im Unternehmen präsentiert werden. Das zeigt Besuchern und Kunden den strategischen Fortschritt des Unternehmens und motiviert alle Projektbeteiligten. Höveler sagt dazu: „Fortschritte sollten auch gefeiert werden, das vergessen wir bei aller Motivation zur Optimierung und Verbesserung häufig. Die Mitarbeiter sind der wichtigste Teil des Erfolgs, dementsprechend sollten die Leistung anerkannt werden“. Abschließend sollten Unternehmen aus den erreichten Erfolgen Implikationen für weitere Prozesse ableiten, wie beispielsweise Wiederbestellzeit für den Kunden reduzieren, Ressourcenreduzierung bzw. Reapplikation zu besseren/höherwertigeren Tätigkeiten usw.

Fazit

Unternehmen, die zielgerichtet und strategisch das Werkzeug der Wertstomanalyse als Wertstrommanagement nutzen, können durch effizientere und effektivere Prozesse Zeit und Kosten sparen. Daraus ergeben sich wertvolle Wettbewerbsvorteile. Es sollte allerdings beachtet werden, dass nicht jeder Wertstrom in gleichem Maße analysiert werden kann. Deshalb sollten die wichtigsten Prozesse priorisiert werden, um im Nachgang gewonnen Erfahrungen und Konzepte auf andere Wertströme übertragen zu können.